Rote Karte für Kardinal Woelki – Gemeindemitglieder protestieren
Rund 60 Protestierende einer katholischen Kirchengemeinde in Düsseldorf haben dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki buchstäblich die Rote Karte gezeigt. Die Männer und Frauen machten am Donnerstagabend vor der Kirche Sankt Maria vom Frieden im Düsseldorfer Osten ihrem Unmut Luft über die Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln. Woelki führte in dem Gotteshaus ein Gespräch mit Vertretern der Gemeinde Sankt Margareta, zu der die Kirche Sankt Maria vom Frieden gehört. Als sich Woelki dem Gebäude näherte, streckten ihm die Protestierenden Rote Karten entgegen.
Anlass des rund zweistündigen Gesprächs war ein Brief, den einige Mitglieder aus Gremien der Pfarrei Kardinal Woelki nach Bekanntwerden eines Missbrauchsfalls geschickt hatten. In den vergangenen Tagen hatte es außerdem einen Offenen Brief mehrerer Gemeindemitglieder gegeben. Die rund 140 Unterzeichnenden fordern Woelki darin auf, eine anstehende Firmung in Sankt Margareta Anfang Juni nicht persönlich zu spenden, sondern einen Vertreter zu schicken. Wegen der Missbrauchsaufarbeitung halten die Absender den Kardinal für unglaubwürdig. Zu ihnen gehören unter anderem Mitglieder der Initiative "Maria 2.0" sowie die frühere Düsseldorfer Bürgermeisterin und FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann.
Nach dem Gespräch äußerte Woelki Verständnis über Proteste. "Ich kann viele Sorgen und Vorwürfe verstehen und mir ist es wichtig, sie zu hören", sagte er am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Nur dann können wir zusammen weitergehen und Lösungen finden." Der Erzbischof dankte dem leitenden Pfarrer von Sankt Margareta in Düsseldorf-Gerresheim, Oliver Boss, sowie den Gemeindemitgliedern, "dass wir einen solchen ehrlichen und offenen Austausch führten - so schmerzhaft manches ist". Gerresheim habe einen besonderen Platz in seinem Herzen, sagte Woelki, der in den 1980er-Jahren als Pfarrpraktikant und Diakon in der Gemeinde tätig war. Er wolle dazu beitragen, "dass wir weiter zusammenfinden, vor allem im Sinne der Firmlinge".
Boss sprach im WDR von einem guten Austausch. Man habe sehr offen und auch kontrovers diskutiert. Ob Woelki am 9. Juni zur Firmung komme, sei noch nicht entschieden. Er wies auch auf die Zerrissenheit innerhalb seiner Pfarrei hin. Die Unterzeichnenden des Offenen Briefs seien Menschen aus der Mitte der Gemeinde, es gebe jedoch auch andere Positionen. Gemeindemitglied Peter Barzel bezeichnete das Gespräch mit Woelki hingegen als für ihn schmerzlich. "Ich konnte nicht spüren, dass die tiefe innere Zerrissenheit bei Gläubigen in der Gemeinde ob dieser Vorfälle bei ihm ankommt", sagte der Mit-Initiator des Offenen Briefes der KNA. Eine Rücktrittsaufforderung habe der Kardinal von sich gewiesen.
Weiterer schwieriger Termin
Seit mehr als einem Jahr wird im Erzbistum Köln um die öffentliche Aufarbeitung früherer Fälle sexuellen Missbrauchs durch Geistliche gerungen. Dabei geht es auch darum, Verantwortliche zu benennen, die Missbrauchstäter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Ein erstes Gutachten dazu hatte Woelki nicht veröffentlichen lassen, weil er es für fehlerhaft und nicht rechtssicher hält. In einem zweiten Gutachten, das im März veröffentlicht wurde, weisen Juristen um den Strafrechtler Björn Gercke hohen Amtsträgern im Erzbistum Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Woelki selbst wird durch den Gercke-Report entlastet.
In Sankt Margareta waren zwei der Priester tätig, gegen die zuletzt Vorwürfe laut geworden waren. Pfarrer D., den Woelki 2017 trotz des Vorwurfs sexueller Übergriffe zum stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten ernannte und kürzlich beurlaubte, war dort früher Kaplan. Dem inzwischen verstorbenen Pfarrer O. wird schwerer Missbrauch an einem Kind vorgeworfen. Woelki wurde dafür kritisiert, dass er den Fall nach seinem Amtsantritt 2015 zwar zur Kenntnis genommen, aber eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom unterlassen habe. Der Kardinal begründete dieses Vorgehen mit der damals weit fortgeschrittenen Demenz des ehemaligen Pfarrers, die eine Befragung unmöglich gemacht habe.
Vor dem Treffen im Düsseldorfer Osten hatte sich Woelki für einen Dialog ausgesprochen. Auch Pfarrer Boss warb um Zusammenhalt. Bei der öffentlichen Aufmerksamkeit bestehe die Gefahr, die Firmlinge aus dem Blick zu verlieren, warnte der Geistliche. Für die Jugendlichen solle es eine Feier werden, die nicht durch kircheninternen Streit beeinträchtigt sei. Am Freitag steht ein weiterer schwieriger Termin für Woelki an. Dann trifft er Stadt- und Kreisdechanten zum Gespräch, also die obersten katholischen Vertreter in größeren Städten oder in Kreisen. Auch sie hatten die Vorgänge rund um die Missbrauchsaufarbeitung kritisiert. (tmg/KNA)
28.5., 12:50 Uhr: Ergänzt um Reaktion Woelkis und weitere Details.