Kirchenrechtler gibt Ratschläge für Befragte im Erzbistum Köln

Lüdecke zu Visitation: Nicht zu "Komplizen der Intransparenz" werden

Veröffentlicht am 07.06.2021 um 12:25 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Kirchenrecht sieht keine Transparenz bei Apostolischen Visitationen vor. Bei der nun beginnenden Visitation des Erbistums Köln empfiehlt der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke Beteiligten daher, einige Regeln zu beachten.

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Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke warnt Beteiligte an der Apostolischen Visitation im Erzbistum Köln davor, "Komplize der Intransparenz" zu werden. In einem Beitrag für das theologische Online-Feuilleton Theosalon (Samstag) betonte der Kanonist, dass durch die Visitatoren Befragte, die Wert auf Transparenz legen, dies selbst einfordern müssen. Die Visitation laufe nach der üblichen kirchenrechtlichen Vorgehensweise ab, bei der der Papst einen nicht öffentlichen Visitationsauftrag an die Visitatoren gibt, diese frei und ohne Rechenschaftspflicht gegenüber Dritten handeln und wiederum einen in der Regel geheimen Visitationsbericht als Grundlage für die autonome Entscheidung des Papstes verfassen. "Berechenbarkeit und Rechtssicherheit sind mit der Souveränität des Papstes nicht vereinbar", betonte Lüdecke. Wer immer in die Informationsbeschaffung einbezogen sein wird, müsse sich dessen bewusst bleiben. "Wenn Transparenz die Voraussetzung für Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist, dann ist solches Vorgehen von vornherein mit einer starken Hypothek belastet", so Lüdecke weiter. 

Der Kirchenrechtler empfahl daher den durch die Visitatoren Befragten, selbst Fragen zu stellen, zu beobachten, zu dokumentieren und dies gegebenenfalls öffentlich zu machen. Dabei gab Lüdecke sieben konkrete Handlungsempfehlungen. Insbesondere legt Lüdecke dabei Wert darauf, Gespräche korrekt zu dokumentieren und dies zu überprüfen sowie keine Verschwiegenheitserklärungen abzugeben. "Sollte ein solcher Knebel zur Voraussetzung Ihrer Einbeziehung gemacht werden, verzichten Sie besser", rät der Kirchenrechtler. Andernfalls gebe man die Kontrolle über die eigenen Äußerungen ab und setze sich dem Risiko aus, für jedwedes Ergebnis als "Helfershelfer" vereinnahmt zu werden.

Im Wortlaut: 7 Empfehlungen von Norbert Lüdecke für Befragte

  1. Fragen Sie, warum gerade Sie als Gesprächspartner ausgewählt wurden!
  2. Achten Sie darauf, dass immer eine Parität der Gesprächspartner besteht, stellen Sie diese ggf. durch eine Begleitung sicher! Die Seite, die mehr Augen und Ohren im Gespräch hat, kann anschließend mit der Mehrheitsbehauptung auftreten. Wird Parität abgelehnt, besteht kein Grund für Vertrauen.
  3. Fragen und notieren Sie, ob das Gespräch protokolliert wird und ob Sie anschließend einen Protokollentwurf zur etwaigen Korrektur erhalten!
  4. Fragen Sie, in welcher Form ihre Äußerungen in den Bericht eingehen, als wörtliche Zitate oder Paraphrasen!
  5. Lassen Sie sich auf keinen Fall zur Verschwiegenheit verpflichten! Sollte ein solcher Knebel zur Voraussetzung Ihrer Einbeziehung gemacht werden, verzichten Sie besser. Andernfalls geben Sie die Kontrolle über Ihre Äußerungen ab und setzen sich dem Risiko aus, für jedwedes Ergebnis vereinnahmt zu werden. Sie werden zum Helfershelfer.
  6. Fertigen Sie sofort nach dem Gespräch ein Gedächtnisprotokoll an, das Sie gegebenenfalls mit dem Protokollentwurf vergleichen können! Sollte Ihnen dieser verweigert werden, übermitteln Sie den Visitatoren Ihr Protokoll und bitten mit einer Frist von 10 Tagen um eine Gegenäußerung, weil Sie andernfalls Sie von der Richtigkeit Ihrer Aufzeichnungen ausgehen.
  7. Fordern Sie eine Veröffentlichung des Ergebnisberichts!

Erst Entscheidung des Papstes bringt Klarheit

Aufgrund der freien Ergebniswürdigung durch den Papst warnte Lüdecke davor, vor einer endgültigen Entscheidung bereits beurteilen zu wollen, welche Bedeutung die Visitation habe. Neben der Lesart, dass es sich um eine "harte unparteiische Ermittlung im Dienst der Gerechtigkeit" handle, bei der am Ende persönliche Konsequenzen für Beschuldigte stünden, stehe die Deutung, dass es dem Papst darum gehe, Kardinal Rainer Maria Woelki und der ihm "anvertrauten Kirche in einer Zeit großer Bedrängnis und Prüfung bei[zu]stehen", wie es der Kardinal selbst auf Grundlage des nur ihm vorliegenden Schreibens der Bischofskongregation darstellte. "Welche Version zutrifft, ist keineswegs ausgemacht", so Lüdecke.

Ende Mai hatte Papst Franziskus eine Apostolische Visitation des Erzbistums Köln angeordnet, bei dem die beiden Visitatoren, der Stockholmer Kardinal Anders Arborelius sowie Johannes van den Hende, Bischof von Rotterdam und Vorsitzender der Niederländischen Bischofskonferenz, sich ein Bild von der "komplexen pastoralen Situation" vor Ort, so die Mitteilung der Apostolischen Nuntiatur in Berlin, machen sollen. Die Visitation beginnt bereits am Montag und soll zwei Wochen dauern. Kardinal Rainer Maria Woelki teilte mit, dass er in der Visitation kein Misstrauensvotum sehe, sondern eine Chance und Unterstützung bei der Aufarbeitung des Umgangs mit sexualisierter Gewalt. (fxn)