Vor 100 Jahren: Als das Bistum Meißen auf die Landkarte zurückkehrte
Eigentlich schien die Geschichte des Bistums Meißen im Jahr 1581 zu Ende zu sein. Weil Johann IX. von Haugwitz im Zuge der auch im Kurfürstentum Sachsen eingeführten Reformation als katholischer Bischof von Meißen resignierte und zum neuen protestantischen Glauben übertrat, hörte die traditionsreiche Diözese nach 613 Jahren auf zu existieren. Das Gebiet des Bistums fiel an die weltlichen Landesherren, Klöster und Stifte wurden säkularisiert. Doch das letzte Kapitel der Diözese war damit wider Erwarten nicht geschrieben. Denn anders als die meisten anderen Bistümer, die im Laufe der Jahrhunderte von der Landkarte verschwanden, feierte die sächsische Diözese 340 Jahre nach ihrem Untergang ein Comeback. An diesem Donnerstag jährt sich die Wiedererrichtung des Bistums Meißen zum 100. Mal.
Doch von Anfang an: Aus der Taufe gehoben wurde das Bistum Meißen ursprünglich 967 auf der Synode von Ravenna. Dort genehmigte Papst Johannes XIII. (965-972) auf Vorschlag von Kaiser Otto dem Großen die Errichtung dreier neuer Bistümer im heutigen Ostdeutschland: Meißen, Merseburg und Zeitz. Ziel Ottos war die Missionierung der slawischen Völker zwischen Elbe, Oder und Saale und die Sicherung der königlichen Herrschaft in dem noch wenig erschlossenen Gebiet.
Nach der Reformation hörte das Bistum auf zu existieren
Herausragender Bischof der ersten Jahrhunderte des Bistums Meißen war Benno von Meißen, der volle 40 Jahre – von 1066 bis 1106 – Oberhirte war, 1523 heiliggesprochen wurde und Schutzpatron des heutigen Bistums Dresden-Meißen ist. Benno gründete Ortschaften wie Bischofswerda, begann im Elbtal mit dem Weinbau und trieb in politisch höchst unruhigen Zeiten die Missionierung der Region massiv voran. Vollständig christianisiert war das Gebiet allerdings erst im 14. Jahrhundert. Mit der Einführung der Reformation in den sächsischen Gebieten begann ab 1539 jedoch der Niedergang des Bistums Meißen, der 1581 mit der Resignation von Johann IX. von Haugwitz und dem Untergang der Diözese endete. Abgesehen von der Lausitz, in der ein kleiner Rest des alten Bistums erhalten blieb, fiel die katholische Kirche im Rest Sachsens danach für Jahrhunderte in eine Art Dornröschenschlaf.
Einen ersten Wendepunkt hin zur Rückkehr des Katholischen markierte 1697 der Übertritt des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. zur katholischen Kirche. August der Starke vollzog diesen Schritt zwar vor allem aus machttaktischen Gründen – er wollte König von Polen werden –, gleichwohl hatte die Konversion positive Auswirkungen auf die katholische Minderheit in seinem Herrschaftsgebiet. So konnte an Weihnachten 1699 zum ersten Mal seit der Reformation in Sachsen wieder öffentlich ein katholischer Gottesdienst gefeiert werden.
Einen weiteren wichtigen Schritt hin zur gesellschaftlichen Aufwertung des Katholizismus in Sachsen bildete 1806 der Frieden von Posen. Der Vertrag, der den Konflikt zwischen Frankreich und dem Kurfürstentum Sachsen im Zuge des Dritten Napoleonischen Krieges beendete, sicherte den Katholiken politische und kirchliche Gleichberechtigung mit den Lutheranern zu. In der Folge – und dank der im Zuge der Industrialisierung stark ansteigenden Zuwanderung von katholischen Gläubigen – entstanden viele neue Pfarrgemeinden.
Sitz des neu errichteten Bistums Meißen wurde Bautzen
Durch das Ende der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg und die Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung mit ihrem Selbstbestimmungsrecht für die Kirchen wurde im Jahr 1919 schließlich die Möglichkeit eröffnet, eine Wiedererrichtung des Bistums Meißen anzustreben. Entsprechende Versuche hatte es seit dem frühen 19. Jahrhundert immer wieder gegeben – sie waren jedoch allesamt gescheitert. Jetzt aber ging es ganz schnell: Nach nur zweijährigen Verhandlungen mit dem Vatikan errichtete Papst Benedikt XV. (1914-1922) am 24. Juni 1921 mit der Apostolischen Konstitution "Sollicitudo omnium ecclesiarum" das Bistum Meißen neu, das seinen Sitz nun allerdings in Bautzen hatte, weil dort die nötige Infrastruktur für den Aufbau einer Bistumsverwaltung vorhanden war. Erster Bischof der wiedergegründeten Diözese wurde Christian Schreiber.
Dank des Neustarts des Bistums erlebte das katholische Leben in Sachsen zunächst einen großen Aufschwung. Dieser wurde jedoch bald darauf gestoppt – erst durch die NS-Diktatur, später durch das SED-Regime. Ab 1933 hatte das kleine Bistum unter den Attacken der besonders kirchenfeindlichen Nationalsozialisten in Sachsen zu leiden. Unter anderem kamen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 36 Priester der Diözese in Gefängnisse und elf in Konzentrationslager, wo drei von ihnen starben.
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Staatliche Repressionen musste das Bistum auch nach 1949 erdulden, als sich die Zahl der Katholiken in Sachsen durch den Zuzug aus den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten im Osten seit Kriegsende mehr als verdoppelt hatte. Gemäß der atheistischen Staatsdoktrin der neu gegründeten DDR nahmen die Einschränkungen des kirchlichen Lebens mit der Zeit auch im Arbeiter-und-Bauern-Staat immer mehr zu. Der Druck des SED-Regimes führte allerdings auch dazu, dass so manche Katholiken ihre Kirche als Schutzraum wahrnahmen.
Die Meißner Synode als herrausragendes Ereignis
Aus der Zeit der DDR ragen aus diözesaner Perspektive drei Ereignisse hervor. 1969 berief Bischof Otto Spühlbeck im Nachgang zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) die Meißner Synode ein, die bis 1971 über eine Umsetzung der Konzilsbeschlüsse auf Bistumsebene diskutierte und wegweisende Neuerungen beschloss – am Ende aber an innerkirchlichen Widerständen scheiterte. 1980 wurde unter Bischof Gerhard Schaffran der Sitz des Bistums nach Dresden verlegt und der Name der Diözese zu Dresden-Meißen erweitert. Und 1987 fand in Dresden unter dem Leitwort "Gottes Macht – unsere Hoffnung" das einzige DDR-weite Katholikentreffen statt, an dem rund 100.000 Gläubige teilnahmen.
Ein Jahr später wurde Joachim Reinelt Bischof von Dresden-Meißen. Ihm oblag es, die Diözese nach 1990 in das wiedervereinigte Deutschland zu führen. Eventuell existierende Hoffnungen auf einen neuen kirchlichen Aufbruch in Sachsen nach dem Ende der deutschen Teilung wurden allerdings bald enttäuscht. Im Gegenteil: Die Zahl der Gläubigen im Bistum Dresden-Meißen war nach der Wiedervereinigung viele Jahre stark rückläufig. Lebten 1990 noch rund 187.000 Katholiken in der Diaspora-Diözese, waren es 2018 nur noch etwa 140.000. Immerhin: Diese Zahl ist inzwischen – auch dank Zuzüglern aus dem Westen – seit einigen Jahren stabil.