Lasst Bischöfe Seelsorger sein
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Der Münchener Kardinal Reinhard Marx bleibt trotz seines Rücktrittsgesuchs im Amt – für den Wiener Fundamentaltheologen Wolfgang Treitler ist das eine "hochinteressante Chance" für eine Neudefinition des Bischofsamts, hin zu mehr Seelsorge. Denn momentan seien Bischöfe "mit administrativer Arbeit überschüttet".
Da ist etwas Wahres dran: Oberhirten haben mit dem Alltag der Gläubigen kaum Berührungspunkte. Häufig kennen sie sie nur vom Rednerpodium bei feierlichen Anlässen, aus der Ferne bei Pontifikalämtern oder bei minutiös im Vorhinein geplanten Ereignissen wie Pfarreibesuchen oder Bistumswallfahrten. Persönliche Begegnungen und längere Gespräche sind für die allermeisten die Ausnahme.
Es ist alles andere als ein idealer Zustand, wenn langwierig ausgebildete Theologen Ämter mit Aufgabenbereichen bekleiden, die sie sich vielleicht mühsam angeeignet haben, aber gar nicht ihrem Ausbildungsprofil entsprechen, während Kernqualitäten eines Priesters unter den Tisch fallen.
Nicht nur, aber auch deshalb wird über Macht- und Leitungsstrukturen in der Kirche diskutiert. Doch vor einer theologischen Umdeutung des Bischofsamtes, die sich noch lange hinziehen wird, kann ein ganz praktischer Schritt erfolgen: sich einfach Zeit nehmen. Einige Diözesen machen es in der Gestaltung des Generalvikar-Amts bereits vor: Hier ist dem Geweihten ein Verwaltungsdirektor an die Seite gestellt. Chef ist zwar immer noch der Generalvikar, der delegiert aber weitreichende Kompetenzen in Wirtschaft und Verwaltung.
Das könnte auch eine Perspektive für das Bischofsamt sein. Bischöfe könnten Leitungsaufgaben delegieren und so ihr Hirtenamt auf eine ganz neue Weise ausfüllen. Denn wie sollen sie "gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen" (Christus dominus, Nr. 16) sein, wenn sie nur hinter dem Schreibtisch sitzen? Wenn ihnen jemand Management-Aufgaben zumindest in Teilen abnimmt, hätten sie Zeit für die spirituelle Seite des Amtes, Seelsorge – und damit für die Basis: Ein Blick von außen schafft Abwechslung und vielleicht sogar neue Perspektiven in Gemeinden. Der Oberhirte kann Ansprechpartner sein, wenn es irgendwo hakt oder man nicht weiterkommt. Zudem könnte er für Anliegen da sein, für die im stressigen Alltag kein Platz ist oder die Gläubige vielleicht nicht dem Priester erzählen möchten, den sie regelmäßig sehen.
Diese Aufgabenverlagerung kann der Basis helfen und dem Bischof: Denn die Beschäftigung mit Alltagsproblemen "normaler" Menschen hilft nicht nur diesen, sondern verschafft der Person in der Hierarchie auch Bodenhaftung und ein besseres Bild ihres Bistums. Ein Experiment wäre es wert.
Der Autor
Christoph Paul Hartmann ist Redakteur bei katholisch.de.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.