Thillainathan warnt deutsche Kirche vor kultureller Überheblichkeit
Der künftige Regens des Priesterseminars in Köln und Direktor des Theologenkonvikts Collegium Albertinum in Bonn, Pfarrer Regamy Thillainathan, hat die katholische Kirche in Deutschland vor kultureller Überheblichkeit gewarnt. "Nicht umsonst sind wir eine Weltkirche, die sich einen Glauben in Vielfalt teilt. Wir müssen voneinander lernen. Und voneinander lernen heißt auch, die eigene Position einmal zurückzustellen, nicht zu fordern, sondern zuzuhören", sagte Thillainathan in einem Interview der "Herder Korrespondenz" (Juli-Ausgabe). Er habe die Erfahrung gemacht, dass Rassismus scheinbar akzeptiert werde, solange er aus reformorientierten Kreisen komme.
"Die Kirche leugnet Rassismus in ihren eigenen Reihen"
Einige kirchenpolitische Diskussionen etwa über den Einsatz von ausländischen Priestern in Deutschland erinnerten ihn an die vor einigen Jahren von CDU und CSU initiierte Leitkultur-Debatte. Die Kirche in Deutschland müsse die Frage beantworten, was sie von den "Geschwistern aus der Weltkirche" erwarte und was sie im kirchlichen Kontext unter Integration verstehe. "Es ist wünschenswert, dass die Integration der Priester aus dem Ausland nicht einfach nur kulturelle Assimilation oder Appropriation bedeutet, um Begriffe aus dem postkolonialen Diskurs zu verwenden, also eine Art der kulturellen Angleichung. Was passieren muss, ist eine kulturelle 'Appreciation', eine gegenseitige kulturelle Wertschätzung", so Thillainathan wörtlich.
Der Geistliche unterstellte der Kirche in Deutschland, Machtversessenheit und Rassismus in ihren eigenen Reihen zu leugnen. "Wir verleugnen sie, weil sie unserer Selbsteinschätzung als Christinnen und Christen widersprechen. Jede Veränderung muss aber damit beginnen, dass ich mich der ungeschönten Realität stelle und Missstände ehrlich anschaue", sagte Thillainathan. Der zweite Schritt bestehe darin, Veränderungen nicht nur bei anderen einzufordern, sondern auch in den eigenen Reihen für Veränderungen zu sorgen. "Alle glauben zu wissen, was die anderen ändern müssen, damit es gerechter zugeht. Nur bei sich selbst bleiben die Menschen dann weit hinter ihren eigenen Ansprüchen und Forderungen zurück", betonte der Geistliche, dessen Eltern aus Sri Lanka stammen.
Kritik an Zustand der Priesterausbildung in Deutschland
In dem Interview äußerte sich Thillainathan auch zum Zustand der Priesterausbildung in Deutschland. So beklagte er, dass die Ausbildung bislang "viel zu häufig einfach nur Verwaltungs-Pfarrer" ausbilde, die die oft überholten kirchlichen Strukturen und Organisationen bedienen und aufrechterhalten sollten: "Ein Priester soll aber doch an erster Stelle ein Jünger Christi sein. Er soll seine Freude an der Frohen Botschaft und seine Liebe zu Jesus Christus weitergeben." Die Kirche müsse menschlich reife und bodenständige, frohe und innerlich freie Menschen mit fest verwurzelten Persönlichkeiten gewinnen, die ihren Priesterberuf aus Überzeugung lebten. "Karrieristen und Klerikalisten können wir nicht brauchen", betonte der Priester.
Thillainathan übernimmt zum 1. September die Leitung des Kölner Priesterseminars und des Bonner Theologenkonvikts Collegium Albertinum. Er verantwortet damit künftig als erste nicht-weiße Person die Priesterausbildung einer deutschen Diözese in einer Spitzenposition. Thillainathan stammt aus Neuss, studierte Theologie in Bonn, im indischen Pune und im spanischen Burgos. 2009 weihte ihn Kardinal Joachim Meisner zum Priester. Ab 2015 leitete er die Diözesanstelle für Berufungspastoral und war somit für die Anwerbung von Priester- und Seelsorgernachwuchs zuständig. Seit dem 1. September 2019 ist er zudem im Mentorat für Studierende der katholischen Theologie in Bonn tätig. In der jüngeren Vergangenheit hat er sich mehrfach kritisch über Rassismus in der Kirche geäußert. (stz)