Ein Pizza-Millionär als Gründervater

Ave Maria – eine Planstadt gebaut für Katholiken

Veröffentlicht am 02.07.2021 um 14:44 Uhr – Lesedauer: 

Ave Maria ‐ Ziemlich abgelegen befindet sich im US-Bundesstaat Florida eine noch sehr junge Stadt, die vor allem für gläubige Katholiken gebaut wurde: Ave Maria lautet ihr vielsagender Name. Sie entsprang der Idee eines Mannes, der mit einer Pizzeria-Kette einst Millionen verdiente.

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Gibt es das Himmlische Jerusalem schon auf Erden? Würde man diese Frage den Einwohnern von Ave Maria im US-Bundesstaat Florida stellen, käme vermutlich als Antwort: Nein, aber unsere Stadt ist zumindest nah dran. Tatsächlich ist die rund zwei Autostunden von Miami entfernt und quasi irgendwo im Nirgendwo der Sumpflandschaft Südfloridas gelegene Planstadt ein spezieller Ort. Wie ihr Name bereits anklingen lässt: Sie soll und will eine Stadt besonders für gläubige Katholiken sein – und ist gleichzeitig auch die erste katholische Stadtgründung der Vereinigten Staaten.

Die Geschichte, auf die Ave Maria zurückblicken kann, ist noch relativ kurz – und in erster Linie mit einem Mann verbunden: Tom Monaghan, der mit einer weltweiten Pizza-Kette zum Multimillionär geworden ist. Der inzwischen 84-Jährige, seit jeher ein überzeugter und praktizierender Katholik, fördert seit langem katholische Organisationen, vor allem solche, die sich dem Lebensschutz verschrieben haben. Nach dem Ausscheiden aus seinem Unternehmen 1998 widmete er sich seiner großen Vision: der Gründung einer katholischen Privatuniversität samt "angeschlossener" Stadt. "Ich will Seelen retten. Ich habe so viel von Gott bekommen, ich will jetzt meinen Mitmenschen etwas geben. Am besten helfe ich ihnen, in den Himmel zu kommen und die Hölle zu vermeiden", begründete Monaghan sein ambitioniertes Vorhaben einst.

Campus bezugsfertig ein Jahr nach Spatenstich

Ein erster Versuch in seiner Heimatstadt Ann Arbor im Bundesstaat Michigan scheiterte an einer verweigerten Baugenehmigung – also zog es Monaghan nach Südwestflorida, wo ihm die Behörden ein großes unbebautes Stück Land in der Nähe der Küstenstadt Naples anboten. Im Februar 2006 erfolgte der Spatenstich für Universität und Stadt, der Campus war bereits 2007 bezugsfertig. Monaghan übernahm gleich persönlich das Amt des Uni-Kanzlers.

Schätzungen zufolge steckte Monaghan rund 250 Millionen Dollar in die Infrastruktur der Universität und der Stadt. Geplant waren rund 11.000 Häuser und mehrere Geschäftsviertel – gebaut wird an manchen Stellen noch immer oder erneut. Längst vollendet ist die Innenstadt, erschaffen nach italienischem Vorbild. Ihr Zentrum ist – natürlich – die Kirche. Innerhalb eines Jahres, von März 2006 bis März 2007, wurde sie hochgezogen. Als Grundlage für die Konstruktion verwendete der Architekt angeblich eine Skizze Monaghans.

Die Verkündigung Mariens durch den Engel des Herrn.
Bild: ©Renáta Sedmáková/Fotolia.com (Symbolbild)

"Ave Maria": Die biblischen Worte des Erzengels Gabriel sind Namensgeber der Retortenstadt im US-Bundesstaat Florida.

Das Gotteshaus hat auch gleich die passende Fassade: Dort prangt eine neun Meter hohe Darstellung der Verkündigungsszene, bei der der Erzengel Gabriel Maria mit den Worten "Ave Maria" begrüßt. Weiteres markantes Merkmal ist eine Stahlkonstruktion, von der ein großer Teil innen und außen sichtbar ist. Der 30 Meter hohe Bau bietet rund 1.100 Gläubigen Platz. Links von ihm befindet sich der Universitäts-Campus, rechts das Stadtzentrum. Der ovale Platz um die Kirche herum, der Geschäfte und Wohnungen beherbergt, heißt Verkündigungskreis. In ihn münden alle Straßen der Stadt.

Aus allen US-Landesteilen sind in den vergangenen 15 Jahren Menschen nach Ave Maria gezogen. Rund 10.000 leben inzwischen dort. An Versorgung gibt es das, was man braucht: ein paar Restaurants, Geschäfte, Ärzte und Schulen. Die Einwohner schätzen vor allem die familienfreundliche Atmosphäre und den Kontakt mit Gleichgesinnten. Die Mehrheit der Ave-Marianer ist katholisch und weiß, die Stadt wird jedoch nicht müde zu betonen, dass in ihr grundsätzlich jedermann willkommen ist. Auf ihrer Website oder den Social-Media-Kanälen wirbt sie offensiv um neue Bürger, etwa mit Haus- oder Wohnugsangeboten sowie mit Freizeitmöglichkeiten.

Uni immer gefragter

Die Privatuniversität genießt auch über die katholische Blase hinaus einen immer besseren Ruf. Eineinhalb Jahrzehnte nach ihrer Gründung sind dort inzwischen rund 1.000 Studierende in den verschiedensten Fachrichtigen eingeschrieben. Um junge Menschen anzuziehen, hat sie in den vergangenen Jahren viele Stipendien vergeben. Trotz der katholischen Prägung der Institution würden die Professoren objektiv und neutral unterrichten, berichten Studierende. Dennoch gilt auf dem Campus ein e Kleiderordnung: Tops ohne Träger oder mit Spaghettiträgern sind verboten, genauso wie kurze Hosen, Flipflops und generell zu enge oder zu weite, freizügige Kleidung. Die Wohnheime sind nach Geschlechtern getrennt, es gibt feste Besuchszeiten. Die Vorgaben werden zwar akzeptiert – doch viele Studenten nehmen besonders am Wochenende Reißaus und fahren dorthin, wo es mehr Freiheit und vor allem mehr Nachtleben gibt – etwa nach Naples.

Auch sonst herrschen strenge Regeln in Ave Maria. Dem Wunsch des Gründers Tom Monaghan entsprechend werden Ladeninhaber dazu angehalten, keine Verhütungsmittel oder Pornografie zu verkaufen. Übrigens: Eine Filiale der von Monaghan gegründeten Kette, "Domino's Pizza", gibt es nicht.

Von Matthias Altmann