Liturgiewissenschaftler über Neuregelung durch Papst Franziskus

Klöckener: Beschränkung der Alten Messe war notwendige Korrektur

Veröffentlicht am 18.07.2021 um 16:10 Uhr – Lesedauer: 

Fribourg/Freiburg ‐ Franziskus' Beschränkung der "Alten Messe" stärkt zurecht die Verantwortung der Bischöfe, findet der Fribourger Liturgiewissenschaftler Martin Klöckener. Der Ritus hängt jetzt gefährlich im Leeren, sagt dagegen Freiburgs Dogmatiker Helmut Hoping.

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Nach Ansicht des Fribourger Liturgiewissenschaftlers Martin Klöckener hat Papst Franziskus mit der jüngsten Einschränkung der "Alten Messe" einen problematischen Eingriff seines Vorgängers korrigiert. Papst Benedikt XVI. habe durch die großzügige Erlaubnis der vorkonziliaren Liturgie den Bischöfen die Zuständigkeit in ihren Diözesen in einem zentralen Punkt entzogen, schrieb Klöckener am Freitag in einem Gastbeitrag für das schweizerische Kirchenportal "kath.ch". Gegenüber dieser "erhebliche Inkonsequenz" stelle Franziskus' Neuregelung "einen folgerichtigen, ja notwendigen Schritt" dar und schlage "ein neues Kapitel der Liturgiegeschichte" auf, so der Liturgiewissenschaftler.

Bereits im Vorfeld des am Freitag veröffentlichten Motu Proprios (päpstliches Schreiben aus eigener Motivation) kursierten Gerüchte, Papst Franziskus wolle die Feier der Alten Messe einschränken. Die tatsächlichen Bestimmungen fielen nun jedoch deutlich tiefgreifender aus als von vielen erwartet und legte die Verantwortung für die Feier der klassischen Liturgie quasi allein in die Hände der Ortsbischöfe.

Klöckener: Franziskus führt seinen Kurs der Dezentralisierung fort

Damit setze Franziskus konsequent bei der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) über das Bischofsamt an, die die Bischöfe als "sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen" beschreibe, so Klöckener. Dieser Bezug werde bereits mit dem programmatischen Titel des Motu Proprios "Traditionis Custodes" (die Hüter der Tradition) deutlich, wobei mit den Hütern die Ortsbischöfe gemeint seien. Mit den Bestimmungen folge der Papst insofern seinem grundlegenden Kurs, "die Teilkirchen zu stärken und die Dezentralisierung der Kirche fortzusetzen".

Klöckener begrüßte außerdem die Klarstellung des Papstes, dass die liturgischen Bücher, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil unter den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. in Kraft traten, "einziger Ausdruck der lex orandi des Römischen Ritus" seien. Bei der von Benedikt XVI. eingeführten Unterscheidung einer ordentlichen und einer außerordentlichen Form des Römischen Ritus habe es sich dagegen um eine Hilfskonstruktion gehandelt, die "es nie zuvor in der Geschichte der Liturgie gegeben hatte".

Hoping: Alte Messe wurde ins Museum verbannt

Der Freiburger Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft, Helmut Hoping, sieht die Unterscheidung zweier Formen des einen Römischen Ritus durch das päpstliche Schreiben ebenfalls aufgehoben. Im Unterschied zu seinem schweizerischen Kollegen kritisierte er diese Entscheidung des Papstes jedoch in einem Interview mit dem Kölner "Domradio" am Sonntag deutlich. Man müsse sich nun fragen, "was die Feier der Messe nach dem Missale Romanum von 1962 dann ist, wenn nicht Teil des römischen Ritus".

Papst Franziskus habe den älteren Messritus "ins Museum verbannt", so Hoping. Dieser Schritt sei deshalb problematisch, weil er Gemeinschaften wie der Petrusbruderschaft attestiere, "dass sie eine Liturgie feiern, die keinem Ritus zugehört, sich also im rituellen Nirgendwo befindet". Der Liturgiewissenschaftler kritisierte weiter, dass zum einen die Umfrage, auf die Franziskus sich bei seiner Entscheidung beruft, bisher nicht veröffentlicht wurde. Auch sei der genannte Vorwurf der Spaltung durch traditionelle Gottesdienstgruppen "zumindest für die katholische Kirche in Deutschland ungerecht".

Konkrete Auswirkungen des Motu Propriums erwartet Hoping eher längerfristig: Er gehe davon aus, "dass diejenigen Bischöfe in Deutschland, die immer schon gegen die Rückkehr der alten Messe waren, schrittweise versuchen werden, sie soweit wie möglich zurückzudrängen". Es sei daher nicht auszuschließen, dass Gläubige zum Teil zur schismatischen Piusbruderschaft abwandern würden. Nachdem die Bischöfe in ihrem Wächteramt über die traditionelle Liturgie bestärkt wurden, dürfe man gespannt sein, ob sie künftig auch Priester disziplinieren würden, die von der erneuerten Liturgie abweichen. Auch in diesem Bereich fände sich eine "neue Form priesterlichen Klerikalismus", so Hoping abschließend.

Bisher kaum Wortmeldungen von Bischöfen

Von den deutschsprachigen Bischöfen meldete sich bisher der Churer Bischof Joseph Bonnemain zu Wort, der Franziskus' Entscheidung ausdrücklich begrüßte. Auf Anfrage von kath.ch zeigte er sich am Freitag dankbar für die Klärung des Papstes, schließlich gehe es bei der Frage "nicht primär um Formen, sondern um Gesinnung". Gleichzeitig betonte Bonnemain, er werde für Gläubige, die die Messe in der vorkonziliaren Form bevorzugten, "im Einklang mit den neuen Bestimmungen des Papstes weiterhin geeignete Möglichkeiten vorsehen".

Mit seinem Motu Proprio "Traditionis Custodes" hatte Papst Franziskus am Freitag mit sofortiger Wirkung die Eucharistiefeier nach den liturgischen Büchern Pius' V. neu geregelt. Demnach dürfen Priester die sogenannte Tridentinische oder Alte Messe künftig nur noch mit ausdrücklicher Erlaubnis ihres Ortsbischofs zelebrieren. Auch sollen die Gottesdienste nicht mehr in Pfarrkirchen ihren Platz finden und die Schriftlesungen entgegen dem bisherigen Brauch ausschließlich in der Landessprache vorgetragen werden. Mit seinen Bestimmungen setzte Franziskus die weitreichenden Zugeständnisse an die Feier der Alten Messe außer Kraft, die sein Vorgänger Benedikt XVI. 2007 mit dessen Schreiben "Summorum Pontificum" eingerichtet hatte. (mfi)