Kirchenrechtlicher Georg Bier über den Rücktritt Tebartz-van Elsts und mögliche Folgen

"Gesamtsituation war entscheidend"

Veröffentlicht am 27.03.2014 um 00:00 Uhr – Von Sophia Michalzik – Lesedauer: 
Bistum Limburg

Bonn ‐ Auch wenn der Rücktritt von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst für viele nicht mehr überraschend kam, so waren die Vorgänge in Limburg und der daraus gewachsene Skandal doch ein Novum für die katholische Kirche in Deutschland. Welche Folgen die Entscheidung des Papstes zu Tebartz-van Elst haben kann und wie die Zukunft in Limburg aussehen könnte, erläutert Georg Bier, Professor für Kirchenrecht an der Universität Freiburg, im katholisch.de-Interview.

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Frage: Herr Bier, was genau ist gestern in Limburg passiert?

Bier: Der Bischof von Limburg hat offenbar schon im vergangenen Jahr dem Apostolischen Stuhl seinen Amtsverzicht angeboten. Der Papst hat danach mit der Entscheidung über das weitere Vorgehen gewartet, bis er in der Sache klarer sieht. Auf der Grundlage der Informationen, die der Papst in der Zwischenzeit bis heute erhalten hat, hat er entschieden, dass er diesen Amtsverzicht annimmt.

Frage: Wo liegt der Grund, dass der Vatikan in diesem Fall explizit das Datum des Rücktrittsgesuchs mitgeteilt hat?

Bier: Vielleicht möchte der Apostolische Stuhl an dieser Stelle signalisieren, dass die verhältnismäßig lange Zeit, die bis zum Rücktritt vergangen ist, nicht, wie vielleicht manche vermutet haben, an der mangelnden Einsicht oder Halsstarrigkeit von Bischof Tebartz-van Elst gelegen hat. Nach dem jetzt bekannt gewordenem Datum lag dem Papst das Rücktrittsgesuch schon vor, als er im Oktober 2013 den Wiesbadener Stadtdekan Rösch zum Generalvikar ernannte. Damals wurde Bischof Tebartz-van Elst von manchen vorgeworfen, er klebe an seinem Amt. So, wie es jetzt aussieht, war das nicht der Fall. Vielmehr hat sich der Papst für seine Entscheidung die Zeit nehmen wollen, die er für erforderlich hielt, um den Sachverhalt sorgfältig zu prüfen.

Bild: ©KNA

Archivnummer: KNA_186864

Frage: Laut Prüfbericht wussten offensichtlich mehrere Personen von falschen Zahlen und umgangenen Regeln; aufgrund von Loyalität und der hierarchischen Position des Bischofs sagten sie aber nichts. Wie kann das passieren? Sind kirchliche Strukturen so geschaffen, dass sie so ein Verhalten begünstigen?

Bier: Die Anerkennung der hierarchischen Vorrangstellung des Diözesanbischofs und loyaler Gehorsam ihm gegenüber gehören zu den Pflichten aller Katholiken und besonders der Kleriker. Das sind Merkmale der kirchlichen Struktur, die eine kritische Haltung gegenüber Entscheidungen, Anordnungen oder auch nur Wünschen des Diözesanbischofs nicht begünstigen. Natürlich darf die Loyalität nicht so weit gehen, dem Bischof auch dann zu folgen, wenn er das kirchliche Recht nicht beachtet oder seine Amtspflichten verletzt. Das wäre falsch verstandene Loyalität. Aber es erfordert zweifellos viel Rückgrat, einer Autoritätsperson – zum Beispiel dem Diözesanbischof – zu widersprechen, wenn dies in der Sache gefordert ist. So viel Rückgrat besitzt möglicherweise nicht jeder.

Frage: Ist die Kirche durch diese Entscheidung jetzt ein Stück demokratischer geworden? Immerhin war der Druck der Öffentlichkeit in dieser Sache enorm.

Bier: Ich weiß nicht, ob der Apostolische Stuhl den Druck auch als so stark empfunden hat. Jedenfalls ist das nicht eine Entscheidung, die aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit und der Medien getroffen wurde – das signalisiert ja auch die Bekanntgabe des genauen Datums des Rücktrittsangebots. Es ist eine Entscheidung, die Franziskus nach reiflicher Überprüfung der Sachlage getroffen hat. Zudem hat es in beide Richtungen Druck auf den Papst gegeben: Es gab auch Stimmen, die gefordert haben, den Bischof nicht zu "opfern" und die die Berichterstattung als Medienkampagne bezeichnet haben.

Frage: Welche Rolle spielt Papst Franziskus in dieser Geschichte? Hätte es so eine Entscheidung unter Papst Benedikt XVI. auch gegeben?

Bier: Möglicherweise hätten andere Päpste rascher entschieden. Aber ich sehe in diesem Vorgang keine Schwäche, sondern eher eine Stärke des Papstes. Eben weil er sich von den Wünschen der Öffentlichkeit – auch der innerkirchlichen – nicht hat beeinflussen lassen. Der Papst wollte genau wissen, was vorgefallen ist. Ich denke, die Entscheidung ist nicht nur dem Ergebnis des Prüfberichts geschuldet, sondern der Gesamtsituation.

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Video: © katholisch.de

Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zur Situation im Bistum Limburg

Frage: Aber Papst Franziskus fordert eine Kirche der Armen. Dazu passt doch nicht der Finanzskandal im Bistum Limburg.

Bier: Es ist gut vorstellbar, dass der Papst der Meinung war, das Finanzgebaren des Bischofs sei mit seiner Vorstellung einer armen Kirche nicht vereinbar, aber das muss nicht der einzige oder der maßgebliche Grund für seine Entscheidung gewesen sein.

Frage: Wie geht es jetzt im Bistum Limburg weiter?

Bier: Zunächst hat sich jetzt geändert, dass die Diözese vakant ist. Bis jetzt war Tebartz van-Elst Bischof von Limburg, er hat nur seine Amtsgeschäfte nicht ausgeübt. Das hat für den abwesenden Bischof ein vom Papst bestellter Generalvikar getan. Heute hat der Papst festgelegt, wer bis zur Ernennung eines neuen Bischofs der Vorsteher dieser Diözese ist. Normalerweise hätte das Domkapitel einen Diözesanadministrator gewählt. Das hat Papst Franziskus dahingehend abgeändert, dass er einen Administrator ernannt hat – daher auch der Zusatz "Apostolischer" Administrator. Das hat Franziskus aber schon in anderen Diözesen unter weit weniger aufregenden Umständen gemacht.

Frage: Im Bistum Limburg gab es auch Befürworter von Tebartz-van Elst. Wie kann jetzt eine Versöhnung zwischen den unterschiedlichen Positionen gelingen?

Bier: Da sind natürlich Gräben entstanden . Generalvikar Rösch hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Arbeit auf das Bistum zukommt. Man muss jetzt schauen, wie man wieder miteinander zurechtkommt, auch wenn das wohl Zeit brauchen wird. Da wird es auch auf den neuen Bischof ankommen. Möglicherweise kann der Apostolische Administrator an dieser Stelle bereits segensreich wirken.

Frage: Kardinal Marx hat in seinem Statement zum Rücktritt von Tebartz-van Elst gesagt, dass es ein breit angelegtes Bedürfnis danach gebe, die Entscheidungsgremien und -strukturen der katholischen Kirche deutlicher zu erklären und nachvollziehbarer zu machen. Was heißt das für die Zukunft?

Bier: Das heißt zunächst einmal nur: Der Kardinal tritt dafür ein, Vorgänge transparenter zu machen. Er sagt nicht, was ja auch von manchen gefordert wird, dass er Entscheidungsprozesse ändern oder auf ihre Änderung hinwirken möchte. Von Veränderungen im Regelwerk ist nicht die Rede, sondern nur davon, das Regelwerk besser zu erklären und nachvollziehbarer zu machen. Viele möchten, dass sich die Strukturen ändern. Diesen Wunsch greift er mit seiner Äußerung nicht auf.

Dossier: Tiefer Fall

2008 hießen die Limburger Franz-Peter Tebartz-van Elst als neuen Bischof willkommen. Bald jedoch kommt zu ersten Konflikten. Im August 2013 eskaliert die Debatte um den Bischof und die Kosten für das Diözesane Zentrum in Limburg. Am 26. März 2014 dann die Eintscheidung aus Rom: Tebartz-van Elst wird nicht ins Bistum Limburg zurückkehren. Der Papst hat seinen angebotenen Amstverzicht angenommen. Katholisch.de dokumentiert alle wichtigen Etappen des Konflikts.
Von Sophia Michalzik