Ex-Kardinal McCarrick wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt
Der frühere US-Kardinal Theodore McCarrick wird wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs angeklagt. Der ehemalige Erzbischof von Washington muss sich vor dem Bezirksgericht in Dedham strafrechtlich verantworten, wie die Zeitung "Boston Globe" am Donnerstag berichtet.
In den drei Anklagepunkte geht es um sexuelle Übergriffe auf einen zum Zeitpunkt der Tat 16-jährigen Jungen am Rande einer Hochzeit im Wellesley College im US-Bundesstaat Massachusetts im Jahr 1974. Der Anwalt des mutmaßlichen Betroffenen, Mitchell Garabedian, wollte sich nicht zu Einzelheiten des Falls äußern. Sein Mandant kooperiere mit der Staatsanwaltschaft, "um anderen Opfern Mut und die Welt für Kinder sicherer zu machen".
Ein strafrechtliches Vorgehen gegen den 91-Jährigen galt lange als unwahrscheinlich, weil Massachusetts eine Verjährungsfrist hat. Laut "Boston Globe" trifft diese auf McCarrick nicht zu, weil er zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat in der Pfarrei der St. Patricks Kathedrale in New York City lebte.
Anwalt: "Werden dazu Stellung nehmen"
Der 2019 von Papst Franziskus nach gründlichen Ermittlungen des Vatikan aus dem Klerikerstand entlassene Ex-Kardinal lebt heute in Missouri. "Wir schauen uns das an und werden vor Gericht dazu Stellung nehmen", erklärte McCarricks Anwalt Barry Coburn.
McCarrick muss sich am 26. August der Anklage stellen. Bisher konnte sich der einstmals einflussreiche Kirchenmann strafrechtlicher Verfolgung entziehen. Mehrere Opfer hatten in New York und New Jersey zivile Prozesse angestrebt. Der Ex-Kardinal bestreitet, Minderjährige missbraucht zu haben. 2019 sagte er einem Reporter, der ihn in einem Kloster in Kansas aufspürte, er sei nicht so schlecht, wie er dargestellt werde. "Ich glaube nicht, dass ich die Dinge getan habe, derer ich beschuldigt werde."
Im November 2020 hatte der Vatikan seinen Untersuchungsbericht zu dem Fall veröffentlicht. In dem 460 Seiten umfassenden Report geht es um die Frage, wie McCarrick trotz seit den 90er-Jahren umlaufenden Gerüchten von moralischem Fehlverhalten Karriere machen konnte. Grund dafür waren demnach Versäumnisse und Unterbewertungen unterschiedlicher Stellen. Es "seien Entscheidungen getroffen worden, die sich später als falsch herausstellten", auch, weil nicht immer alle Befragten alles sagten, was sie wussten, heißt es in einem begleitenden Kommentar von Vatican-News-Chefreddakteur Andrea Tornielli. Eine entscheidende Etappe war dem Bericht zufolge die geplante Ernennung McCarricks zum Erzbischof von Washington und damit zum Kardinal. Eine schriftliche Befragung, die Johannes Paul II. damals anordnete, erbrachte demnach zwar keine konkreten Beweise. Dennoch wurde wegen allgemeiner Gerüchte von einer Versetzung McCarricks in die US-Hauptstadt abgeraten. (mal/KNA)