Der katholische Provokateur: Martin Mosebach wird 70
Ein "Erleuchtungserlebnis" hatte der katholische Literat Martin Mosebach nach eigenen Worten nicht. "Nein, meine Wurzeln in der Religion reichten lange nicht sehr tief, obwohl es sie immer gab. Die Bindung an die katholische Religion begann erst ab dreißig allmählich zu wachsen", sagte Mosebach im März dem Magazin der "Süddeutschen Zeitung". Am heutigen Samstag wird Mosebach 70 Jahre alt – und er polarisiert nach wie vor in der innerkirchlichen Welt.
Der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller und überzeugte Katholik ließ insbesondere durch seine scharfe Kritik an Papst Franziskus aufhorchen. 2015 warf Mosebach Franziskus Desinteresse an Theologie vor. "Ich glaube, sie interessiert ihn einfach nicht", sagte Mosebach dem "Spiegel". Das "Bedenkliche" an Franziskus sei, dass er eine Stimmung erzeuge, die suggeriere, es "werde nun eine völlig andere Kirche erfunden, die es in dieser Weise noch nie gegeben hat". Ein Papst habe aber für die Kontinuität der Tradition zu sorgen.
Ein katholischer Ästhet wittert die "Häresie der Formlosigkeit"
In dieser Linie steht auch Mosebachs nun schon zwei Jahrzehnte alte Forderung an die katholische Kirche, zur lateinischen Messe zurückzukehren. 2002 veröffentlichte er seine Polemik gegen die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Aus seiner Sicht hat sich die Kirche bereits Ende der 1960er Jahren mit ihrer Absage an die alte römische Liturgie – die nun von Papst Franziskus noch weiter eingeschränkt wurde – ihrer Substanz beraubt. Der provozierende Buchtitel: "Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind."
Mosebach war 15 Jahre alt, als er zum ersten Mal nach Rom kam. In seiner Heimat Frankfurt am Main und in Bonn studierte Mosebach dann zunächst Rechtswissenschaften, bevor er sich dem Schreiben zuwandte. Marokko hat er besucht, Korea, Indien und den Iran, aber immer wieder kehrte er nach Rom zurück. Zu seinen literarischen Werken gehören die 1997 erschienenen Erzählungen "Die schöne Gewohnheit zu leben. Eine italienische Reise". 2014/2015 war er Stipendiat der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom. Die Akademie gewährt ein Stipendium nach eigenen Angaben nur Künstlern und Künstlerinnen, "die über außergewöhnliche Qualifikationen und großes Talent verfügen".
„Wir glauben mit den Knien oder wir glauben überhaupt nicht.“
Seit er 1983 seinen Debütroman "Das Bett" veröffentlicht hat, schreibt Mosebach Romane, Erzählungen und Gedichte sowie Essays über Kunst, Literatur, Reisen sowie über religiöse und politische Themen. Er erhielt unter anderem den Georg-Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und den Heinrich-von-Kleist-Preis. Zu seiner Heimat Frankfurt wird ihm eine Hassliebe nachgesagt, die in "Westend" (1992), "Eine lange Nacht" (2000) oder "Der Mond und das Mädchen" (2007) zum Ausdruck komme.
Die Kirche sieht Mosebach im Westen in einem Schwächezustand. 2018 sagte er, das Christentum sei derzeit in vielen Ländern eine verfolgte Religion, die Lage in Westeuropa sei ein "glücklicher" Ausnahmezustand. Im Westen sei eine "Schwäche der gegenwärtigen Kirche" zu verzeichnen. Es stehe fest, "dass die Kirche überall dort gewinnt, wo sie zu kämpfen hat. Widerstand tut der Kirche immer gut".
Totalitäre Sprache päpstlicher Großveranstaltungen?
Und auch mit Papst Franziskus legte er sich erneut an – insbesondere, als er 2019 in einem Streitgespräch mit dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, diskutierte. Wenn bei großen Papstveranstaltungen, etwa in einem Fußballstadion, heute "Zigtausende auf eine einzelne weiße Gestalt in der Mitte ausgerichtet sind, das ist eine viel totalitärere Sprache als das umständliche, verstaubte Hofzeremoniell von einst", sagte Mosebach. Das Küssen und Liebkosen von Kindern gehöre ebenfalls zum Ritual moderner Diktatoren, ergänzte Mosebach. Auch Kranke im Rollstuhl würden benutzt, um an ihnen Wohltätigkeit und Barmherzigkeit zu demonstrieren, sagte er in dem in der "Herder Korrespondenz" abgedruckten Disput.
Sternberg wies die Ausführungen zurück. Er habe Franziskus "anders erlebt". Es sei keine Show, wenn der Papst sich kranken oder behinderten Menschen zuwende. Und der Vatikanjournalist und Jesuitenpater Bernd Hagenkord, der am Montag im Alter von 52 Jahren in München starb, hatte von einem unangemessenen Vergleich Mosebachs gesprochen – und einem "Kriegszug gegen den Papst".