Standpunkt

Statt realitätsferner Broschüren: Die Kirche sollte auf Milieus setzen

Veröffentlicht am 03.08.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ "Die Menschen da abholen, wo sie sind": Die eigentlich inflationär genutzte Phrase sollte doch die Maxime des kirchlichen Handelns sein, kommentiert Julia Martin. Das hält sie für effizienter als zustandsbeschreibende und realitätsferne Broschüren.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Die eigentlich ziemlich inflationär klingende Phrase "die Menschen da abholen, wo sie sind" sollte die Maxime des kirchlichen Handelns sein. Der Religionssoziologie Michael Ebertz hat vor knapp einer Woche im Interview über die Kirchenaustritte in Bezug auf die Milieu-Differenzierung aufgezeigt, wie das unter anderem funktionieren kann: Präsenz bei sogenannten "Lebensübergängen". Doch wie so oft scheitert das in der institutionellen Umsetzung.

Ein aktuelles Beispiel: Der ebenfalls vergangene Woche veröffentlichte Flyer mit dem wegweisenden Titel "Eckpunkte zur Ehebegleitung und Ehespiritualität – für die Hand der Seelsorgenden". Der Inhalt entspricht dem Titel und liest sich eher wie eine Definition der Wichtigkeit von Ehe- und Familienseelsorge – natürlich in typischer Kirchensprache. Doch es gibt auch praxisnahe Tipps: "die Nachbegleitung von Paaren aus den Ehevorbereitungskursen".

Mal außer Acht gelassen, dass der Besuch eines solchen für die meisten Paare nicht so selbstverständlich ist, wie das hier klingt: Bereits bei den Angeboten von Kursen sollte mit Milieus gearbeitet werden. Das kirchlich-engagierte Paar braucht ein anderes Angebot als ein kirchenfernes Paar. Die Menschen da abholen …

Doch schon das Grundsätzliche ist Ressourcen abhängig – was sich wiederum im Gefälle der Angebote seitens der Bistümer ausdrückt: Während die einen mindestens zweimal pro Monat unterschiedliche Angebote zu Ehevorbereitung haben, lädt bei den anderen die Website nicht oder es findet sich der Hinweis, dass "alle Kurse der Ehevorbereitung bis einschließlich 19.04.2020" abgesagt sind.

Und hier wäre ein Ansatz zu empfehlen, den der Religionssoziologe ebenfalls aufzeigt: "geistliche Milieu-Hotspots" in Großpfarreien. Warum nicht also auch die Kategorialseelsorge integrieren? Statt gerade in Städten das "one fits all"-Modell für einzelne Pfarreien durchzustrukturieren, sollten einzelne Orte mit speziellen Angeboten institutionalisiert werden. Das wäre jedenfalls zielführender als zustandsbeschreibende und letztendlich doch realitätsferne Broschüren.

Von Julia Martin

Die Autorin

Julia Martin ist Pressesprecherin der Benediktinerabtei Münsterschwarzach.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.