Mord im Kirchenmilieu: Warum ein Theologieprofessor Krimis schreibt
Sein Erstlingswerk war "Toter Dekan – Guter Dekan" und handelte von einem Mord an der theologischen Fakultät. Anfang Juli hat Georg Langenhorst den fünften Krimi aus der Reihe veröffentlicht. In "Tote Archivarin – Gute Archivarin" muss die Hauptfigur, Kriminalhauptkommissar Bernd Kellert, erneut einen Mordfall im kirchlichen Milieu aufklären – erstmals an einer Frau. Der Autor, Theologe und Professor für Didaktik des Katholischen Religionsunterrichts sowie Religionspädagogik an der Universität Augsburg, spricht über den besonderen Reiz, das Krimi-Genre mit dem Thema Religion und Kirche zu verbinden – und erklärt, wie seine Figuren entstehen.
Frage: Herr Langenhorst, Sie sind sich treu geblieben: Der Titel Ihres fünften Krimis hat dasselbe Schema wie die vier davor. Hat das System?
Langenhorst: Die Titel haben sich einfach bewährt. Für den aktuellen Krimi hatte ich tatsächlich vor, eine andere Titelstruktur zu nehmen, aber der Verlag hat gesagt, dass sich die bisherige durchgesetzt hat und ein Markenzeichen geworden ist. Es ist ganz gut, in diesem breiten Feld der Kriminalromane etwas mit Wiedererkennungswert zu haben.
Frage: Wie kommt man als Theologieprofessor ausgerechnet auf das Genre "Krimi"?
Langenhorst: Krimis und Religion verbindet einiges miteinander. Es gibt strukturelle Ähnlichkeiten: Es gibt irgendeinen "Sündenfall", einen Aufklärungsprozess und meistens eine Art "Happy End" nach dem Tod. Und es gibt Figuren, die in diesem dramatischen Prozess eine wichtige Schlüsselrolle einnehmen. Das andere ist die Wahrnehmung, dass wir Theologen mit unseren Fachpublikationen immer nur ein sehr spezifisches Publikum erreichen, noch dazu eines, das immer kleiner wird. Der Krimi ist ein Genre, das total unterschiedliche Leute erreicht. Ich glaube, dass außerdem auch der Bereich von Kirche, Religion und Theologie für den Krimi reizvoll ist. Gleichzeitig ergibt sich dadurch die Chance, das kirchliche Milieu zu präsentieren.
Frage: Aber ausgerechnet in Verbindung mit Mord und Totschlag? Dafür ist das kirchliche Milieu nicht gerade bekannt…
Langenhorst: In allen Milieus, in denen sich die Menschen bewegen, gibt es immer starke Aggressionen. In einem kulturellen Kontext werden diese im Normalfall natürlich nicht in Form von Gewalt oder Mord ausgelebt. Aber das Spiel mit der Möglichkeit ist schon etwas, was sich auch in diesen Lebensbereichen findet. Genau von diesem Spiel mit der Möglichkeit, die im normalen Leben – Gott sei Dank – nicht real wird, lebt Literatur. Aber die Lesenden können sich gut einfühlen in das, was es im Untergrund an Gefühlen gibt.
Frage: Kirche kämpft oft mit Vorurteilen und Klischees. Haben Sie keine Angst, diese mit Ihren Büchern zu pflegen?
Langenhorst: Auch, wenn ich das versuche – vermeiden lässt sich das nicht komplett. Der Reiz eines Romans liegt darin, verschiedene Perspektiven in einem Buch durchspielen zu können. Es gibt verschiedene Menschen, die verschiedene Elemente anders empfinden. Diese vielfachen Brechungen machen den Reiz aus. Es geht nicht darum, eine Meinung, eine bestimmte Theorie oder einen Flügel zu bedienen: Menschen mit verschiedenen Erfahrungen beleuchten einen Prozess aus verschiedenen Perspektiven. Dass dabei auch Klischees eine Rolle spielen, ist völlig klar. Aber ich glaube, durch die Vielfalt der Perspektiven kann man es vermeiden, dass man rein im Klischeehaften bleibt.
Frage: Was macht die Kombination aus Kirche und Kriminalität für Sie persönlich noch reizvoll?
Langenhorst: Da gibt es schon eine lange Traditionslinie: Es tauchen immer wieder Detektivfiguren auf, die Priester oder Ordensleute sind. Pater Brown ist ein bestimmt das bekannteste Beispiel. Das neue bei meinen Krimis ist, dass in ihnen das gegenwärtige Milieu zum Kontext des Ganzen wird – es sind Milieukrimis. Die Handlungen spielen an Orten, die zum Umfeld von Kirche gehören und an denen der Glaube heute gelebt wird: Schule, Universität, Pfarrgemeinde. Ich glaube, dass ist für zwei verschiedene Lesertypen interessant: Menschen, die diese Bereiche kennen oder wiedererkennen – und solche, die sich von außen an dieses Feld, das sie gar nicht gut kennen, heranlesen. Die Krimis betreiben also in gewisser Weise "narrative Pastoraltheologie" mit einem Spannungsbogen.
Frage: Die theologische Wissenschaft spielt also auch bei diesem Hobby eine Rolle.
Langenhorst: Man merkt meinen Büchern natürlich an, dass meine Lebensfelder in ihnen zusammenkommen. Ich betreibe seit 30 Jahren das Forschungsfeld von "Theologie und Literatur". Es ist diese Dialogwissenschaft, die mich reizt – aber, dass das kreativ geworden ist, ist Zufall. Es greift allerdings natürlich all das auf, womit ich mich seit Jahrzehnten beschäftige.
Frage: Wie reagieren die Leser auf Ihre Bücher?
Langenhorst: Manche gehen mit einer gewissen Beklemmung in diese Romane hinein, weil sie natürlich fürchten, dass jemand bloßgestellt oder negativ gekennzeichnet wird. Aber die meisten Rückmeldungen ergeben, dass diese Befürchtung umsonst war. Ich versuche grundsätzlich, Menschen nicht in einer eindimensionalen Weise abzustempeln.
„Ich glaube, dass ist für zwei verschiedene Lesertypen interessant: Menschen, die diese Bereiche kennen oder wiedererkennen – und solche, die sich von außen an dieses Feld, das sie gar nicht gut kennen, heranlesen. Die Krimis betreiben also in gewisser Weise "narrative Pastoraltheologie" mit einem Spannungsbogen.“
Frage: Lesen auch Kirchenmänner ihre Krimis – und falls ja: Welche Rückmeldungen gab es von denen?
Langenhorst: Das kommt schon vor. Das erste Exemplar, das ich vom zweiten Krimi "Toter Regens, guter Regens" bekam, habe ich dem Regens des Augsburger Priesterseminars überreicht. Es war mir sehr wichtig, seine Rückmeldung zu bekommen – und er war sehr angetan. Und es gab andere Regenten, die aus ihrer Berufsperspektive gerade diesen Roman sehr positiv bewertet haben, weil sie sich gut verstanden fühlten und nicht bloßgestellt. Und ich weiß auch, dass der ein oder andere Bischof schon mal einen Blick in die Romane geworfen hat.
Frage: Sie betonen, dass alles Fiktion ist und Handlungen wie Personen in den Büchern frei erfunden sind. Hat sich schon mal jemand über zu viel Ähnlichkeit mit einer der Figuren beschwert?
Langenhorst: Mir geht es nicht um Wiedererkennbarkeit einzelner Menschen. Aber es geht mir schon darum, die Figuren als Typen zu zeichnen. Und diese Typen sind wiedererkennbar. Tatsächlich gab es einzelne Menschen, die sich oder ihnen bekannte Leute porträtiert glaubten. Als es um einen Schulleiter ging, haben fünf Lehrer von verschiedenen Gymnasien geschrieben, warum ich denn ausgerechnet ihren Direktor umbringe (lacht). Im kirchlichen Milieu zeigen sich eben immer wieder gewisse Typen.
Frage: Würden Sie sich auch trauen, einen Bischof umbringen zu lassen?
Langenhorst: Wenn ich Lesungen mache, raten mir die Leute immer zu weiteren Opfer. Da ist der Bischof der meistgenannte Vorschlag. Aber das werde ich nicht tun, weil es nur wenige davon gibt und die Freiheit des Schreibens zu begrenzt wäre, wenn man sich an so wenigen Typen orientieren müsste.
Frage: Falls Sie einen weiteren Roman planen: Wissen Sie schon, wer als Nächstes dran glauben muss?
Langenhorst: Ja. Beim aktuellen Roman wird erstmals eine Frau zum Opfer. Und ich habe das Gefühl, dass es ein weiteres weibliches Opfer geben wird.
Buchtipp
Georg Langenhorst: Tote Archivarin – Gute Archivarin. Mord in der Domorgel, Echter Verlag 2021, 277 Seiten, ISBN: 978-3-429-05671-1, 14,90 Euro.