Gremium wurde von Bischof Bertram Meier wiedergegründet

Augsburger Liturgiekommission: Gottesdienst hat missionarische Kraft

Veröffentlicht am 23.08.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Augsburg ‐ In vielen Diözesen existiert eine Kommission für Liturgie als Beratergremium des Bischofs. Im Bistum Augsburg wurde sie nun wieder ins Leben gerufen, nachdem sie jahrelang nicht tätig war. Im katholisch.de-Interview erklärt der Vorsitzende, Pfarrer Ulrich Müller, die Arbeit der Liturgie-Experten.

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Die Liturgie ist einer der Grundvollzüge der Kirche. Deshalb gibt es in vielen Diözesen liturgische Kommissionen, die den Bischöfen als Beratergremien bei allen Fragen rund um den Gottesdienst zur Verfügung stehen. Im Bistum Augsburg wurde die Liturgiekommission im Juli neu ins Leben gerufen. Der Vorsitzende Pfarrer Ulrich Müller erläutert im Interview, mit welchen Themen sich die Experten befassen und warum auch die Corona-Pandemie dabei eine Rolle spielt.

Frage: Bischof Bertram Meier hat Anfang Juli die Bischöfliche Kommission für Liturgie im Bistum Augsburg ins Leben gerufen. Herr Pfarrer Müller, Sie leiten dieses Gremium. Worin besteht die Arbeit der Kommission?

Müller: Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils "Sacrosanctum Concilium" fordert für jede Diözese eine Kommission für Liturgie. Das Dokument gibt auch den Zweck der Arbeit dieses Gremiums vor: Die Förderung des liturgischen Lebens im jeweiligen Bistum. Unsere Aufgabe als Kommission ist es also, die Liturgie geistlich zu fördern und für die Gläubigen fruchtbar zu machen. Bischof Meier selbst hat die Arbeit der Liturgiekommission so umschrieben, dass sie ihm direkt untersteht und zuarbeitet. Er selbst will die Anliegen der Kommission in die Gremien des Bistums einbringen. Der Bischof erwartet von der Kommission, dass sie verantwortete Stimmungsbilder einholt, ihn mit liturgischem Sachverstand berät und fundierte Voten abgibt. 

Frage: Mit welchen konkreten Themen befasst sich die Kommission?

Müller: Bei der Förderung der Liturgie geht es nicht um Rubrizismus, sondern aus der Feier der Liturgie soll ein fruchtbares geistliches Leben entstehen. Wir haben innerhalb der Kommission mehrere Themen, die wir unter diesem Aspekt angehen wollen. Bischof Meier selbst hat zwei Punkte eingebracht: Zum einen ein neues Nachdenken über das Verhältnis von Wort und Sakrament, insbesondere mit Blick auf die Wort-Gottes-Feiern im Bistum und die Frage der Sonntagskultur. Zum anderen die Themen Trauerbegleitung und Beerdigungskultur. Dieser Punkt ist dem Bischof sehr wichtig, auch im Hinblick auf eventuelle Beauftragungen von Laien zum Beerdigungsdienst. Ihm geht es nicht nur um die Beauftragung, sondern er möchte diesen Dienst eingebettet wissen in eine entsprechende Trauerkultur. Aus dem Kreis der Mitglieder der Kommission wurden ebenfalls mehrere Themen genannt, etwa die Stärkung der vielen Ehrenamtlichen, die im Bereich der Liturgie tätig sind. Wir wollen ihnen den Rücken stärken sowie zu mehr Selbstbewusstsein und Sachkenntnis verhelfen. Weitere Themen sind die Sensibilisierung für Ästhetik in den Bereichen der Liturgie und der Kirchenmusik, die liturgische Sprache, die keine Barriere zum Zugang zur Liturgie sein darf, sowie die Frage nach der Vielfalt der gottesdienstlichen Feiern in unserer heutigen Gesellschaft. Das sind nur einige der vielen Themen, mit denen sich die Kommission beschäftigen wird.

Frage: Wird auch das im Juli veröffentlichte Motu proprio "Traditionis custodes" von Papst Franziskus zur "Alten Messe" ein Thema der Liturgiekommission sein?

Müller: Einige Mitglieder der Kommission werden hier sicherlich nachfragen. Doch zunächst sind bei dieser Frage die Bischöfe am Zug. Sie werden in den kommenden Monaten darüber beraten, wie das Motu proprio in den Diözesen umgesetzt werden soll, sodass es – wie vom Papst gewünscht – zur Einheit in der Liturgie und in der Kirche beitragen kann.

Pfarrer Ulrich Müller
Bild: ©Nicolas Schnall / pba

Pfarrer Ulrich Müller leitet den Fachbereich Liturgie im Bischöflichen Ordinariat des Bistums Augsburg, ist Bischöflicher Zeremoniar und steht der Liturgiekommission der Diözese vor.

Frage: Die Kommission wurde nun neu konstituiert. Warum hat es sie bisher nicht gegeben?

Müller: Die Liturgiekommission hat im Bistum Augsburg eine sehr lange Tradition. Am Tag der Verabschiedung von "Sacrosanctum Concilium" am 4. Dezember 1963 hat der damals sehr junge Bischof Josef Stimpfle umgehend die Kommission für Liturgie in seinem Bistum in Kraft gesetzt. Das geschah von Rom aus, wo Stimpfle am Konzil teilnahm. Der Auftrag der Konstitution war ihm so wichtig, dass er sie noch am gleichen Tag umgesetzt hat. Seitdem gab es eigentlich immer eine Liturgiekommission im Bistum Augsburg – bis auf die Amtszeit von Bischof Konrad Zdarsa, der insgesamt bei der Bestellung von Kommissionen sehr zurückhaltend war. Die Kommission für Liturgie wurde nun für fünf Jahre bestellt. 2026 wird der Bischof also voraussichtlich wieder ein neu zusammengesetztes Gremium konstituieren. 

Frage: Wer sind die Mitglieder der Kommission und aus welchen Bereichen kommen Sie?

Müller: Aus den Vorgaben der Liturgiekonstitution ergibt sich, wer in die Kommission berufen werden soll: Fachleute für Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik, sakrale Kunst und Seelsorgefragen. Entsprechend wurden auch jetzt für das Bistum die Mitglieder ausgewählt und bestellt. Es sind Vertreter dabei, die mit der Liturgiewissenschaft vertraut sind, aber auch der Domkapellmeister und andere Kirchenmusiker, der diözesane Kunstreferent und natürlich viele hauptamtliche pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mir war besonders wichtig, dass eine Vertreterin der Gottesdienstbeauftragten dabei ist. Sie ist die einzige Ehrenamtliche in der Kommission und vertritt die 2.000 Gottesdienstbeauftragten, die wir in der Diözese haben. Es sind Frauen und Männer, Priester, Ordenschristen, Theologen und auch Laien dabei. Insgesamt zählt die Kommission 19 Mitglieder. Dafür gibt es nun aber in der Diözese keine eigenen Kommissionen für Kirchenmusik und sakrale Kunst mehr. Diese beiden Bereiche sind thematisch unserem Gremium zugeordnet und bringen dort ihre Anliegen ein.

Frage: Sind auch Mitarbeiter des Gebetshauses Augsburg in der Kommission vertreten, wo eine charismatische Art des Gebets und der Liturgie gepflegt wird?

Müller: Nein, wir haben kein Mitglied des Gebetshauses in der Kommission. Aber dadurch, dass unsere Kommission so groß ist und die Mitglieder große Erfahrung mit Spiritualität und liturgischer Praxis mitbringen, herrscht eine große Bandbreite und Buntheit vor. Ich denke daher, dass auch die Liturgie, wie sie im Gebetshaus gefeiert wird, von uns nicht außer Acht gelassen wird. Zudem war Bischof Meier wichtig, dass ein Vertreter der Abteilung Evangelisierung in der Kommission sitzt. Diese diözesane Abteilung hat in der Vergangenheit immer wieder darauf geschaut, was das Gebetshaus macht. 

Frage: Ist das so zu verstehen, dass Bischof Meier die Liturgie zur Evangelisierung nutzen möchte?

Müller: Zunächst einmal handelt es sich hier um unterschiedliche Grundvollzüge der Kirche: Die Liturgie ist die Liturgie und die Katechese ist die Katechese. Aber natürlich hat eine Liturgie, die gut gefeiert wird, eine missionarische Kraft – und auch eine diakonische Wirkung, um diesen Aspekt anzusprechen. Dem Bischof ist es ein großes Anliegen, dass wir in der Kommission darüber nachdenken, wie die Liturgie in unsere Gesellschaft hinein missionarisch wirken kann. 

Die Liturgiekommission des Bistums Augsburg
Bild: ©Nicolas Schnall / pba

Die Mitglieder der neuen Bischöflichen Kommission für Liturgie im Bistum Augsburg bei der konstituierenden Sitzung Anfang Juli.

Frage: Was sind in der Gegenwart die Herausforderungen für eine würdige und gelungene Feier der Liturgie?

Müller: "Sacrosanctum Concilium" nennt hier zwei Schwerpunkte: Zum einen Liturgie als Feier des Pascha-Mysteriums und die "participatio actuosa", also die tätige Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie. Diese beiden Punkte sind aus liturgischer Sicht immer bedenkenswert und müssen ins Heute übersetzt werden. Der Verweis auf das Pascha-Mysterium bedeutet, dass wir immer wieder neu Gottes Heilstaten feiern. Es geht also um die Vergegenwärtigung der Erlösung. Liturgie soll daher besonders "gottvoll" gefeiert werden, wie der Theologe Paul Zulehner sagt. Im zweiten genannten Punkt geht es darum, dass die ganze mitfeiernde Gemeinde Trägerin der Liturgie ist. Christus ist das Haupt und die Gläubigen sind sein Leib. Liturgie soll nicht nur sachgerecht gefeiert werden, sondern so, dass alle voll tätig und bewusst an ihr teilnehmen können. Das Thema "Liturgische Bildung" spielt hier eine große Rolle. 

Frage: Sehen Sie weitere Herausforderungen?

Müller: Da ist die Frage, wie wir mit den "Zachäus-Menschen" unserer Tage umgehen, wie es der tschechische Theologe Tomas Halik formuliert. Das sind Menschen, die eine Distanz zur Kirche haben, aber dennoch eine Sehnsucht nach Heilung und Segen spüren, so wie der Zöllner Zachäus im Evangelium, der vom Baum herunter auf Jesus blickt. Wir müssen also Formen finden, in denen Gottesdienste so gefeiert werden können, dass sie heilvoll sind für Menschen mit Distanz zur Kirche. Das war auch ein Thema, das Mitglieder der Kommission bei der konstituierenden Sitzung angesprochen haben. 

Frage: Welche Formen der Liturgie schweben Ihnen da vor?

Müller: Es geht nicht darum, was wir als Kirche wollen, sondern was die Menschen benötigen. Da braucht es einen radikalen Blickwechsel. Das könnten Segensfeiern sein, die für Menschen in Umbruchsituationen des Lebens gedacht sind. Oder eine Liturgie für junge Menschen, die von zuhause ausziehen, weil sie eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Sie können mit Kindergottesdiensten nichts anfangen, das ist klar. Welche Liturgie brauchen sie also? Entscheidend ist, dass wir den Menschen zuhören und sie uns sagen, welche gottesdienstlichen Feiern für sie heilvoll sind. Entsprechend müssen auch die Formen und Orte für Gottesdienste vielfältig sein. Liturgie begrenzt sich nicht auf den Kirchenraum.

Frage: Beschäftigen sich die Kommission auch mit den Online-Gottesdiensten während der Corona-Pandemie?

Müller: Das war eines der wichtigsten Themen auf der konstituierenden Sitzung der Kommission. Wie haben die Erfahrungen der Pandemie die Liturgie geprägt und wie werden sie sie weiter prägen? Im Blick auf die Zeit der Pandemie geht es nicht nur um Online-Gottesdienste. Es müssen auch die Erfahrungen reflektiert werden, die die Gläubigen mit Hausgottesdiensten gemacht haben. Wie sollen diese häuslichen Feiern weitergeführt werden? Bei den Online-Gottesdiensten steht dann vielleicht mehr die Art und Feierqualität im Fokus. Was heißt tätige Teilnahme bei Online-Gottesdiensten? Kann Interaktion bei diesen Gottesdiensten stattfinden? Bei den Präsenzgottesdiensten ist die "tätige Teilnahme der Gläubigen" oftmals sehr verkümmert. Wenn etwa der Gemeindegesang wegfällt, wie es vielerorts der Fall war, fehlt eine wichtige Weise der Teilnahme an der Liturgie. Auch der Kommunionempfang war teilweise eingeschränkt, die liturgischen Dienste waren reduziert. Wir müssen weiter darauf achten, dass die liturgischen Zeichen wieder richtig gepflegt werden. Etwa bei der Firmspendung, bei der die Chrisamsalbung mit Wattestäbchen erfolgte. Defizitär wurde in den letzten Monaten aufgrund des Abstandsgebots zudem der Friedensgruß vollzogen. Auch hier gilt es darauf zu achten, dass wir zu einer würdigen Form zurückkehren. Die Frage nach den Online-Gottesdiensten ist hier nur ein Feld von vielen weiteren drängenden Themen im Zusammenhang mit der Pandemie. Das werden sicherlich die ersten Themen sein, die wir in der Kommission bearbeiten.

Von Roland Müller