Standpunkt

Vor der Bundestagswahl: Quo vadis, CDU?

Veröffentlicht am 01.09.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die aktuellen Umfragewerte verheißen der CDU nichts Gutes. Neben der Brachial-Kür des Kanzlerkandidaten gebe es dafür einen tiefer liegenden Grund, kommentiert Andreas Püttmann: den Umgang der Partei mit ihrem christlichen Wurzelwerk.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Bei der Bundestagswahl 2013 erreichten CDU und CSU 41 Prozent, 2017 noch 33. Gestern sah INSA sie bei 20, der Hälfte ihres ermittelten Potenzials. Das ist zunächst eine Quittung für die Kanzlerkandidatur: Vor Armin Laschets brachialer Kür durch die Mehrheit des CDU-Vorstands votierten nur 17 Prozent der Unions-Anhänger für ihn, 72 Prozent für Markus Söder. Eine beispiellose Missachtung der eigenen Wählerbasis und der Kardinaltugenden: unklug, ungerecht (Sagte Laschet nicht, der mit den besseren Chancen solle es werden?), tollkühn statt tapfer, ohne Maß. Von christlichen Politikern erwartet man die Demut, ihren Ehrgeiz zügeln und um des gemeinsamen Erfolgs willen zurückstehen zu können.

Ein zweiter, tieferer Grund schimmert durch, wenn man Positionen, Personalien und die CDU-Mitgliederstudie 2017 heranzieht. 92 Prozent der Mitglieder sehen ihre Partei als "wirtschaftsnah", 75 Prozent als "bürgernah". Das christliche Menschenbild sprechen ihr 87 Prozent zu. Allerdings stieg der Anteil der Mitglieder ohne Konfession seit 1974 von 5 auf rund 20 Prozent. Von den Mitgliedern unter 30 Jahren ist nur noch ein Viertel den Kirchen "stark verbunden", genauso viele "überhaupt nicht" (70+: 4%), jeder Vierte sieht das C als verzichtbares "Relikt aus alten Zeiten". Das hat Konsequenzen, etwa in der Flüchtlings-, Sozial- und Pandemiepolitik. Auch für eine "Rechtsoffenheit", von der vor allem die Ost-Landesverbände angekränkelt sind.

Aber nicht nur: Dass ausgerechnet Karl-Josef Laumann, Leitfigur des schwächelnden Sozialflügels, dem Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen attestierte, noch ins "CDU-Spektrum" zu passen, spricht Bände. Ebenso das Partei-Mantra: "2015 darf sich nicht wiederholen!" Als handele es sich um eine nationale Tragödie und nicht um eine von den Kirchen unterstützte, alles in allem gelungene humanitäre Großtat, auf die Christdemokraten so stolz sein können wie auf ihre weltweit respektierte Kanzlerin. Die zeigte hier jene "geistig-moralische Führung", von der Konservative gerne reden, die sie aber immer weniger selbst darstellen. Nicht geistig, nicht moralisch. Da sind korrupte Masken-Deals und Aserbaidschan-Connections vielleicht keine reinen Zufälle mehr.

Die CDU integrierte 1945 auch kleinlaute Nationalkonservative von der diskreditierten NSDAP-Steigbügelhalterin DNVP und wirtschaftsnahe Rechtsliberale aus der DVP. Das christliche Wurzelwerk garantierte der tonangebende katholische Zentrums-Stamm, nun ökumenisch verstärkt um ein Fünftel evangelischer Mitglieder. Dass die Entchristlichung Europas christliche Parteien unverändert ließe, war nie zu erwarten. Mehr Widerstand christlich-sozialen Spitzenpersonals schon. Wer AfD-Mimikry am rechten Flügel oder Versuchen, aus der CDU eine größere FDP zu machen, nicht kraftvoll entgegentritt, sondern laviert und sich wegduckt, der bereitet einem sozialdemokratischen Wahlsieg den Weg.

Von Andreas Püttmann

Der Autor

Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.