Vatikan veröffentlicht Vorbereitungsdokumente für Weltsynode
Für die im Oktober beginnende zweijährige Weltsynode hat der Vatikan am Dienstag zwei zentrale Vorbereitungsdokumente veröffentlicht. Sie sollen in der ersten Phase den Ortskirchen als Impulse und Leitfaden dienen. Mit dem weltweiten Prozess will der Papst die Kirche verändern: Einzelne, Gruppen und Verantwortliche sollen stärker aufeinander hören und mehr Menschen beteiligt werden; nur so könne sich die Kirche Herausforderungen stellen und ihre Botschaft angemessen bezeugen.
Das Vorbereitungsdokument "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung" skizziert den Kontext der Weltsynode: Corona-Pandemie, soziale Ungleichheit, Missbrauchsskandale in der Kirche, Klimawandel, Migration. Zugleich beschreibt es den Stil des synodalen Prozesses. Statt um parlamentsartige Abstimmungen gehe es um sorgfältiges Aufeinander-Hören, mutige Visionen, Gebet, Besinnung, Austausch. Ziel sei, in der jeweiligen Situation den Willen Gottes zu erkennen.
Ein parallel veröffentlichter Leitfaden, "Vademecum" genannt, gibt Hinweise, wie Verantwortliche in Bistümern, Orden, geistlichen Gemeinschaften und Verbänden solche Treffen organisieren können. Der Leitfaden warnt vor Fallstricken und umreißt Themenfelder. In dem dazu gehörenden Fragenkatalog geht es eher um die Einstellung der Beteiligten als um inhaltliche Themen.
Das Vorbereitungsdokument erwähnt und würdigt schon bestehende synodale Prozesse und Wege in einigen Ländern. Im begleitenden "Vademecum" werden namentlich Prozesse in Lateinamerika, Irland, Deutschland und Australien genannt. Die dort engagierten Regionen sollten ihre synodalen Prozesse "kreativ" in den neuen weltweiten Prozess eingliedern, heißt es im Handbuch.
Einflüsse der Synodalprozesse in Deutschland und Irland
Auch thematisch sind Einflüsse der Synodalprozesse in Deutschland und Irland zu erkennen. So tauchen im offiziellen Vorbereitungsdokument kritische Rückfragen an kirchliche Strukturen auf. Klerikalismus und eine irrige Auffassung von kirchlicher Autorität werden als Ursachen sexuellen Missbrauchs benannt. Gefordert wird auch, auf jene zu hören, die in der Kirche bislang weniger zu Wort kommen: junge Menschen, Frauen, Arme, Ausländer, aus der Kirche Ausgetretene.
"Wir Europäer müssen unbedingt vom globalen Süden lernen", mahnte die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens bei der Präsentation des Vorbereitungsdokuments. Dort gebe es langfristige, gute Erfahrungen mit Synodalität, die in Europa zu wenig gewürdigt würden. Der Synodale Weg in Deutschland sei nur einer von vielen Wegen, die nach Rom führten, so Wijlens. Als Leiter des Synodensekretariats betonte Kardinal Mario Grech die geistliche Dimension der Weltsynode; sie sei kein Kirchenparlament.
Nach einer gut halbjährigen Phase auf Ebene der Ortskirchen folgt 2022/2023 ein Prozess auf Kontinentalebene, der dann in eine Versammlung der Bischofssynode selbst im Oktober 2023 in Rom mündet. Die Zwischenergebnisse werden von Bischofskonferenzen und Synodensekretariat ausgewertet und als weitere Arbeitsgrundlagen zusammengefasst. Ein halbes Jahr sei knapp, um synodale Prozesse in Diözesen zu organisieren und durchzuführen, räumte Nathalie Becquart vom Synodensekretariat ein. Wichtig sei es, mit viel Kreativität einen Prozess zu starten, der nach dem Frühjahr 2022 weitergehe.
Ab 2024 sollen die Ergebnisse der Synode weltweit vor Ort implementiert werden, möglichst viele Mitglieder der Kirche sollen so beteiligt werden. Dann spätestens biete sich weitere Gelegenheit, synodalen Stil vor Ort zu üben und zu praktizieren, so Becquart. - Bereits 2018 hatte Franziskus die Ordnung der 1965 von Papst Paul VI. gegründeten Bischofssynode so geändert, dass Vor- und Nachbereitung ein größeres Gewicht bekommen und daran mehr Menschen beteiligt werden. (tmg/KNA)
7.9., 14 Uhr: Ergänzt um weitere Details. 15:25 Uhr: Ergänzt um Stimmen von der Präsentation.
Zehn Themenfelder für die erste Phase der Weltsynode
Laut Papst Franziskus geht es beim synodalen Prozess der katholischen Weltkirche, der im Oktober beginnt, zunächst eher um einen neuen Stil kirchlichen Lebens als um konkrete inhaltliche Themen. Im Vorbereitungsdokument und dem Leitfaden sind dennoch zehn Themenfelder genannt, die sich die beteiligten Gläubigen anschauen sollen. Wir dokumentieren diese Themenfelder gekürzt in offizieller Übersetzung.
"I. DIE WEGGEFÄHRTEN (...) Wenn gesagt wird 'unsere Kirche' - wer gehört dazu? Wer bittet darum, gemeinsam zu gehen? Wer sind die Reisegefährten, auch außerhalb des kirchlichen Sprengels? Welche Personen oder Gruppen werden absichtlich oder tatsächlich außen vorgelassen?
II. ZUHÖREN (...) Wie wird den Laien zugehört, besonders den Jugendlichen und den Frauen? Wie wird der Beitrag der gottgeweihten Frauen und Männer [Ordensleute, Anm. d. Red.] integriert? Welchen Raum hat die Stimme der Minderheiten, der Ausgestoßenen und der Ausgeschlossenen? Gelingt es, Vorurteile und Stereotypen zu identifizieren, die das Zuhören behindern? (...)
III. DAS WORT ERGREIFEN (...) Wie wird innerhalb der Gemeinschaft und ihrer Organe ein freier und authentischer kommunikativer Stil gefördert, ohne Doppeldeutigkeit und Opportunismus? Wie sieht es im Hinblick auf die Gesellschaft aus, deren Teil wir sind? Wann und wie gelingt es, das zu sagen, was Ihnen am Herzen liegt? Wie funktioniert die Beziehung zu den Medien (nicht nur der katholischen)? Wer spricht im Namen der christlichen Gemeinschaft, und wie wird er oder sie ausgewählt?
IV. FEIERN (...) Auf welche Weise inspirieren und orientieren tatsächlich das Gebet und die Feier der Liturgie das 'gemeinsame Gehen'? Wie werden Ihre wichtigsten Entscheidungen inspiriert? Wie werden die aktive Teilnahme aller Gläubigen an der Liturgie und am Heiligungsdienst gefördert? (...)
V. MITVERANTWORTUNG IN DER SENDUNG (...) Wie unterstützt die Gemeinschaft die eigenen Mitglieder, die in einem Dienst in der Gesellschaft engagiert sind (sozialer und politischer Einsatz, Tätigkeit in der wissenschaftlichen Forschung und in der Lehre, in der Förderung sozialer Gerechtigkeit, im Schutz der Menschenrechte und der Pflege des gemeinsamen Hauses usw.)? Wie hilft sie ihnen, diesen Einsatz in einer missionarischen Perspektive zu leben? (...)
VI. IN DER KIRCHE UND IN DER GESELLSCHAFT DIALOG FÜHREN (...) Welches sind die Orte und die Modalitäten des Dialogs im Inneren unserer Teilkirche? Wie wird mit den unterschiedlichen Sichtweisen, mit Konflikten und Schwierigkeiten umgegangen? (...) Wie tritt die Kirche mit anderen Instanzen der Gesellschaft in Dialog und lernt von ihnen: der Welt der Politik, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft, der Armen (...)?
VII. MIT DEN ANDEREN CHRISTLICHEN KONFESSIONEN (...) Welche Beziehungen werden mit den Schwestern und Brüdern der anderen christlichen Konfessionen unterhalten? Welche Bereiche sind umfasst? Welche Früchte sind durch dieses 'gemeinsame Gehen' gereift? Welche Schwierigkeiten sind entstanden?
VIII. AUTORITÄT UND TEILNAHME (...) Wie werden die zu verfolgenden Ziele, die einzuschlagenden Wege und die zu erfolgenden Schritte festgelegt? Wie wird innerhalb unserer Teilkirche die Autorität ausgeübt? Wie sieht die Praxis der Teamarbeit und der Mitverantwortung aus? Wie werden die laikalen Dienste und die Übernahme von Verantwortung durch die Gläubigen gefördert? Wie funktionieren die synodalen Organismen auf Ebene der Teilkirche? (...)
IX. UNTERSCHEIDEN UND ENTSCHEIDEN (...) Wie wird die Teilnahme an Entscheidungen innerhalb hierarchisch strukturierter Gemeinschaften gefördert? Wie wird die Phase der Konsultation mit derjenigen der Entscheidung verbunden, den Prozess des decision-making mit dem Moment des decision-taking? Auf welche Art und Weise und durch welche Mittel werden Transparenz und Rechenschaft gefördert?
X. SICH IN DER SYNODALITÄT BILDEN (...) Wie werden die Menschen ausgebildet, besonders diejenigen, die innerhalb der christlichen Gemeinschaft verantwortliche Stellen einnehmen, um sie zu befähigen, 'gemeinsam zu gehen', sich gegenseitig zuzuhören und miteinander in Dialog zu treten? Welche Ausbildung wird im Hinblick auf die Unterscheidung und die Ausübung der Autorität angeboten? (...)"
[Anm. d. Red.: Mit dem Ausdruck "gemeinsam gehen" ist der kirchlich-synodale Umgangsstil gemeint, gemäß der wörtlichen deutschen Bedeutung von Synode = gemeinsamer Weg.) (KNA)
Förderliche Haltungen und "Fallstricke" bei der Weltsynode
Der Begleit-Leitfaden zur ersten Phase der Weltsynode empfiehlt einzelne Haltungen und warnt vor Fallstricken. Wir dokumentieren diese Listen in gekürzter Form und eigener Übersetzung der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA):
"Einstellungen, um beim Synodalen Prozess mitzumachen:
- Synodal zu sein, verlangt Zeit zu teilen.
- Der Demut zuzuhören muss der Mut entsprechen zu reden.
- Dialog führt uns zu Neuerung.
- Offenheit führt zu Bekehrung und Veränderung.
- Synoden sind eine kirchliche Übung zu geistlicher Unterscheidung.
- Wir sind Zeichen einer Kirche, die zuhört und unterwegs ist.
- Lass Vorurteile und Stereotypen hinter dir.
- Überwinde die Plage des Klerikalismus.
- Bekämpfe das Virus der Selbstgenügsamkeit.
- Überwinde Ideologien.
- Gib Anlass zu Hoffnung.
- Synoden sind eine Zeit, zu träumen und 'Zeit mit der Zukunft zu verbringen'.
(...)
Fallstricke vermeiden:
- die Versuchung, dass wir uns selbst führen wollen, statt uns von Gott führen zu lassen;
- die Versuchung, uns auf uns selbst und unsere unmittelbaren Anliegen zu fokussieren;
- die Versuchung, nur 'Probleme' zu sehen;
- die Versuchung, nicht über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinauszublicken;
- die Versuchung, die Ziele des Synodalen Prozesses aus dem Blick zu verlieren;
- die Versuchung von Konflikt und Trennung;
- die Versuchung, die Synode als eine Art Parlament zu behandeln;
- die Versuchung, nur jene zu hören, die ohnehin schon kirchlich aktiv sind
(...)".
Das Gebet für die katholische Weltsynode
Für Treffen und Versammlungen des weltweiten synodalen Prozesses schlägt der Vatikan eine vereinfachte Form jenes Gebetes vor, das seit rund 1.500 Jahren bei Konzilien und Synoden gebetet wird; so etwa auch vor jeder Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Das Gebet "Adsumus sancte spiritus" geht auf Isidor von Sevilla (560-636) zurück. Wir dokumentieren das vereinfachte Gebet in eigener Übersetzung der KNA:
"Vor dir stehen wir, Heiliger Geist,
während wir uns in deinem Namen versammeln.
Allein mit dir uns zu leiten,
beheimate dich in unseren Herzen,
lehre uns den Weg, den wir gehen müssen,
und wie wir ihn verfolgen.
Wir sind schwach und sündig;
lass uns nicht Unordnung verbreiten,
lass weder Unwissenheit uns auf einen falschen Pfad führen
noch Parteilichkeit unser Handeln beeinflussen.
Lass uns in dir unsere Einheit finden,
damit wir gemeinsam dem Ewigen Leben entgegengehen
und nicht abweichen vom Weg der Wahrheit
und dem, was richtig ist.
Um all dies bitten wir dich,
der an jedem Ort und zu jeder Zeit am Werk ist,
in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn,
für immer und in Ewigkeit. Amen."