Kirchenrechtler schlagen Regeln für Papst-Rücktritt vor
Eine internationale Arbeitsgruppe von Kirchenrechtlern hat Vorschläge für die rechtliche Regelung von Papstrücktritten und Päpsten, die ihr Amt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können, vorgelegt. In einem Gastbeitrag für das Kirchenblog "Settimo Cielo" der italienischen Zeitung "L'Espresso" erläuterte die Bologneser Professorin für Kirchenrecht Geraldina Boni am Dienstag, dass nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. rechtliche Fragen zum Ende von Pontifikaten zu klären seien. Boni hatte in einem Artikel für die kanonistische Fachzeitschrift "Stato, Chiese e pluralismo confessionale" im Juli erste Ergebnisse der Arbeit der Gruppe präsentiert.
Insgesamt legte die Gruppe zwei Vorschläge für Änderungen des Kirchenrechts vor. So brauche es eine Regelung für die bereits jetzt im Kirchenrecht angesprochene "völlige Behinderung des römischen Bischofsstuhls". Bisher sieht das Kirchenrecht dazu lediglich vor, dass beim Ausfall der Handlungsfähigkeit eines Papstes "in der Leitung der Gesamtkirche nichts geändert werden" dürfe (can. 335 CIC). Der Fall, dass eine derartige Verhinderung dauerhaft und irreparabel vorliegt, etwa durch Demenz oder einen komatösen Zustand, sei nach Ansicht der Forschergruppe regelungsbedürftig. Zur Lösung schlägt sie vor, neben den bisher möglichen Gründen für ein Ende eines Pontifikats, nämlich Rücktritt oder Tod des Papstes, auch den Grund einer unumkehrbaren Unfähigkeit zur Amtsausübung einzuführen. Diese sei dann gegeben, wenn der Papst nicht einmal mehr zu einem willentlichen Rücktritt in der Lage wäre. Die Amtsunfähigkeit solle dabei durch ein Verfahren festgestellt werden, dass neben einer medizinischen Untersuchung auch die Feststellung durch eine qualifizierte Mehrheit des Kardinalskollegiums vorsieht. Als Herausforderung bezeichnet Boni dabei, die damit verbundenen ekklesiologischen Fragen zur Stellung des Papstes zu klären: Eine derartige Regelung berühre "grundlegende Eckpfeiler der kanonischen Ordnung", insbesondere den Grundsatz "prima sedes a nemine iudicatur" ("Niemand richtet über den ersten Stuhl"), der untrennbar mit dem Primat des Bischofs von Rom verbunden sei.
Künftig "emeritierter Bischof von Rom" statt Papa emeritus?
Der zweite Vorschlag befasst sich mit Regeln für einen emeritierten Papst. Aus Respekt vor dem noch lebenden Emeritus habe man sich hier darauf beschränkt, nur die nötigsten Regelungen zu entwerfen, "um schädliche Missverständnisse zu vermeiden und praktische Probleme zu lösen", so Boni. Insbesondere soll sichergestellt werden, dass die Rolle des amtierenden Papstes nicht eingeschränkt werde. Dazu gehört der Vorschlag, als offiziellen Titel den eines "emeritierten Bischofs von Rom" vorzusehen. Dem Kardinalskollegium soll der Emeritus nicht mehr angehören. Außerdem werden bislang nicht geregelte Details zu den Formalien eines Rücktritts vorgeschlagen. In der Zeit unmittelbar nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. fand eine kontroverse Debatte über Anrede, Stellung und Insignien des emeritierten Papstes statt, bei der teilweise auch ekklesiologisch nicht gedeckte Interpretationen eines "geteilten Papstamts" ins Spiel gebracht wurden.
Die Arbeitsgruppe hat ihre Vorschläge nun auf einer Webseite zur Diskussion gestellt. "Die Kanonistik stellt so ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in den Dienst des Stellvertreters Christi und mit ihm der Kirche und des Volkes Gottes und fördert damit gleichzeitig die Umsetzung der 'Synodalität' bei der Ausübung der Gesetzgebungsfunktion, indem es eine breite Beteiligung an der Ausarbeitung der Normen vorsieht, um das beste Ergebnis zu erzielen", so Boni.
Anlässlich eines längeren Krankenhausaufenthalts von Papst Franziskus Anfang Juli wurden die Gerüchte um einen möglichen Rücktritt neu befeuert. Belastbare Quellen, dass sich Franziskus tatsächlich mit dem Gedanken trägt, gibt es nicht. Es wird aber spekuliert, dass der Papst an einem Erlass arbeitet, um Papstrücktritte rechtlich zu regeln. (fxn)