"Es ist unsere Pflicht, über Fraktionsgrenzen hinweg die Religionsfreiheit zu schützen"

Religionsfreiheit: Das planen die Parteien in den kommenden Jahren

Veröffentlicht am 21.09.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ In der zu Ende gehenden Legislaturperiode des Bundestags spielte die Religionsfreiheit immer wieder eine Rolle – auch aufgrund des neuen Regierungsbeauftragten für weltweite Religionsfreiheit. Doch was planen die Parteien bei diesem Thema in den kommenden Jahren? Katholisch.de gibt einen Überblick.

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Wenn Regierung und Opposition zum Ende einer Legislaturperiode Bilanz ziehen, kommen sie in der Regel zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Während sich die Regierung für die geleistete Arbeit meist in höchsten Tönen selbst lobt, wirft die Opposition ihr mit deutlichen Worten Fehler und Versäumnisse vor. Mit Blick auf das Thema Religionsfreiheit und konkret auf das von der Großen Koalition im März 2018 neu geschaffene Amt des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit ist dieses Ritual des politischen Betriebs jedoch ausnahmsweise außer Kraft gesetzt.

Einmütig loben auch Vertreter der Opposition gegenüber katholisch.de das Amt und insbesondere die Bilanz des ersten Amtsinhabers Markus Grübel (CDU). So betont etwa der Beauftragte für Religion und Weltanschauungen der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz: "Wir danken Markus Grübel für die geleistete Arbeit." Und sein FDP-Pendant Benjamin Strasser erklärt auf Anfrage: "Als Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit hat Markus Grübel eine wertvolle Arbeit geleistet."

Kauder hofft auf mehr Mittel für den Religionsfreiheitsbeauftragten

Mit ihrem Urteil schließen sich die beiden Oppositionspolitiker dem langjährigen Unions-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder an. Dieser hatte Grübels Arbeit bereits im April in einem Interview mit katholisch.de in den höchsten Tönen gelobt. Auf die Frage nach der Bilanz des Beauftragten sagte Kauder damals: "Markus Grübel hat das ausgezeichnet gemacht. Er war und ist als Beauftragter präsent – nicht nur in Deutschland, sondern auch international." Der von Grübel im Herbst vergangenen Jahres vorgelegte Bericht zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit gebe durch seine länderspezifischen Situationsberichte einen sehr guten Überblick über die Problematik. Kauder äußerte damals aber auch die Hoffnung, dass das Amt des Beauftragten künftig mehr Mitarbeiter und mehr Handlungsspielräume bekomme. Die neue Bundesregierung müsse hier für bessere Rahmenbedingungen sorgen.

Bild: ©katholisch.de/stz

Markus Grübel ist seit April 2018 Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit.

Das sehen auch die anderen Politiker so. Bei allem Lob sind sie sich auch darin einig, dass beim Thema Religionsfreiheit in den nächsten Jahren noch viel zu tun bleibt. "Der Einsatz der Bundesregierung zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit darf nicht nachlassen. Im Gegenteil, er muss verstärkt werden", sagt Lars Castellucci, der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion. Er fordert unter anderem, dass der Bericht zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit auch künftig fortgeschrieben wird. "Der Bericht sagt klar: Die Freiheit der Religion und Weltanschauung schützt nicht Religionen und Weltanschauungen, sondern sie schützt Menschen."

Demokratie ohne Religionsfreiheit funktioniere nicht, denn Religionsfreiheit bedeute im Kern, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich seien. "Der Einsatz für Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist ein Einsatz für den Frieden. Unser Einsatz für Religionsfreiheit muss deshalb wie jeder Einsatz für die Freiheit ein aktiver sein: den Menschen nicht nur ein Recht zugestehen, sondern es ihnen ermöglichen", so Castellucci weiter. Der Einsatz Deutschlands für Religionsfreiheit müsse sich dem Miteinander der Religionen widmen.

Von Notz: Bei Religionsfreiheit auch vor der eigenen Haustüre kehren

Auch Grünen-Politiker von Notz betont die Notwendigkeit, das Thema weiter mit Hochdruck zu bearbeiten. Der Einsatz gegen eine vielerorts zu beobachtende Diskriminierung und Verfolgung von Gläubigen, religiösen Minderheiten, Konvertiten und konfessionslosen Menschen bleibe für die Grünen ein zentrales Anliegen. "Es ist unsere Pflicht, über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg die Religionsfreiheit entschieden zu schützen", so der Politiker. Seine Partei werbe dafür, dass die künftige Bundesregierung noch stärker als bisher herausstelle, dass Versuche, die Religionsfreiheit einzuschränken, häufig Hand in Hand mit der Verletzung anderer Grund- und Freiheitsrechte einhergingen. Hier habe sich seine Partei mehr Engagement von der scheidenden Bundesregierung gewünscht. "Zum Schutz der Religionsfreiheit gehört heute beispielsweise auch der Schutz von Kinder- und Frauenrechten sowie der Einsatz für die  Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit", betont von Notz gegenüber katholisch.de.

Von Notz äußert zudem die Erwartung, dass vom Religionsfreiheitsbeauftragten künftig auch die Lage der Religionsfreiheit in Deutschland in den Blick genommen wird. Schließlich sei es völlig klar, "dass wir im Ausland nur glaubwürdig für den Schutz der Religionsfreiheit eintreten können, wenn wir auch vor der eigenen Haustüre kehren". So müsse etwa klar gemacht werden, dass Angriffe auf Juden und Muslime "Angriffe auf uns alle und die freiheitlich-demokratische Grundordnung" seien. Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Straftaten mit religionsfeindlicher Motivation müssten besser erfasst, geahndet und mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verhindert werden. Zudem müsse in diesem Kontext die Menschenrechtsbildung massiv ausgebaut werden. Bildungsprogramme müssten stärker als bisher den Wert der Religionsfreiheit vermitteln.

Bild: ©picture alliance/imageBROKER/Ingo Kuzia

Welche Rolle wird das Thema Religionsfreiheit in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags spielen?

FDP-Politiker Strasser betont, dass es deutlich mehr Anstrengungen auf internationaler Ebene brauche, um die globale Religionsfreiheit zu schützen. "Wer seinen Glauben lebt, darf keine Willkür von staatlichen Institutionen oder gar Gewalt fürchten müssen", so der 34-Jährige. Die nächste Bundesregierung werde sich deshalb verstärkt auf diplomatischer Ebene "für die Religionsfreiheit und gegen die Verfolgung von Gläubigen, egal welcher Konfession, Religionsgemeinschaften, religiösen Minderheiten, Konvertiten und Konfessionslosen einsetzen müssen". Das Amt des Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit solle deshalb über die aktuelle Legislaturperiode hinaus verstetigt werden.

Verbesserungsbedarf sieht Strasser bei dem Bericht des Beauftragten. Es sei ein Manko des im vergangenen Herbst vorgelegten Berichts gewesen, dass er nicht auch die Religionsfreiheit auf nationaler und europäischer Ebene in den Fokus gerückt habe. Die Situation in Deutschland und Europa dürfe der Arbeit des Beauftragten jedoch nicht vorenthalten bleiben.

Welche Rolle spielt die Religionsfreiheit in den kommenden Jahren?

Der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der Unionsfraktion, Hermann Gröhe (CDU), betont ähnlich wie von Notz, Religionsfreiheit könne nicht getrennt von anderen Menschenrechten diskutiert werden. Ziel der Union sei es, nach der Wahl auch das Amt des Religionsfreiheitsbeauftragten auf Ebene der Europäischen Union zu stärken. "Blicken wir nach Afghanistan, aber auch auf die besorgniserregenden Zustände im Iran, in Pakistan oder in China, sehen wir deutlich, da steht uns allen eine Daueraufgabe bevor", mahnt Gröhe.

Es wird interessant sein zu beobachten, welche Rolle die teilweise doch eher allgemeinen Bekenntnisse von Union, SPD, Grünen und FDP zur weltweiten Religionsfreiheit bei den Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl spielen werden und wie das Thema in der kommenden Legislaturperiode tatsächlich bearbeitet wird. Einen Hinweis, in welche Richtung sich das Engagement der Bundesregierung in Sachen Religionsfreiheit künftig entwickeln könnte, könnte ein Beschluss des Bundestags vom April geben. Damals forderte das Parlament mit den Stimmen von Union und SPD die Regierung dazu auf, sich insbesondere in der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik sowie in der Außenwirtschafts- und Handelspolitik weiter für die Umsetzung und Einhaltung des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit einzusetzen. Auch solle die Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften verstärkt werden, "um ihre friedensstiftenden Potenziale zu fördern und gemeinsam zu nutzen".

Von Steffen Zimmermann