Servicewüste Seelsorge? Pastoral ist für die Kirche überlebenswichtig
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Die Seelsorge ist das Kerngeschäft der Kirche: Menschen im Alltag oder bei einschneidenden Ereignissen ihres Lebens wie Geburt, Hochzeit und Tod zu begleiten, gehört seit knapp 2.000 Jahren zu ihren Hauptaufgaben – und ist heute für nicht wenige Menschen einer der Gründe, überhaupt noch katholisch zu bleiben. Umso dramatischer, ärgerlicher und unverständlicher ist es, wenn selbst grundlegende pastorale Angebote nicht funktionieren. Das passiert allerdings immer wieder, wie ich in meinem Umfeld mitbekomme.
Da ist zum Beispiel der Priester, der gerufen wird, um die Sterbesakramente bei der Mutter einer Freundin zu spenden. Doch nachdem die über 90 Jahre alte Frau kurz darauf stirbt, kommentiert der Geistliche ihren Tod mit einem denkbar unpassenden und flapsigen Spruch. Oder aber die Pfarrei, in der die Seelsorger nicht erreichbar sind, weil das Pfarrbüro Mittagspause hat und es keine Weiterleitung zu einem Notfalltelefon gibt. Von patzigen Antworten der Mitarbeiter bei Nachfragen ganz zu schweigen.
Natürlich läuft es nicht überall so – aber solche Fauxpas sind viel zu häufig. In vielen Kirchengemeinden ist der Begriff Servicementalität ein Fremdwort und das oft beschworene Verständnis des kirchlichen Amtes als aufopfernden Dienst sucht man hier vergebens. Vielmehr fühlen sich Gläubige dort wie Bittsteller. Die Gründe für diese pastoralen Fehler sind sehr unterschiedlich: Im ersten Fall fehlt dem Seelsorger Einfühlsamkeit, im zweiten sind es nicht funktionierende Strukturen. Doch in beiden Fällen scheint nicht erkannt worden zu sein, welche hohe Bedeutung der Pastoral zukommt.
Wohl auch deshalb haben sich die deutschen Bischöfe bei ihrer gestern zu Ende gegangenen Vollversammlung intensiv mit dem Thema Seelsorge auseinandergesetzt. Das wurde auch Zeit, denn so wie sich die Gesellschaft rasant verändert, wandeln sich auch die Anforderungen an die Pastoral und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. In dem Dokument der Bischöfe, das in wenigen Monaten veröffentlicht werden soll, geht es vor allem um das Verständnis von Seelsorge und eine theologische Grundlegung des Themas. Hoffentlich wurde bei aller notwendigen Theorie nicht vergessen, auf die entscheidenden Qualitäten einzugehen, ohne die Seelsorge in der Praxis nicht möglich ist: Menschenfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und Bereitschaft zum Dienst. Die Kirche muss sich an der Qualität ihrer Seelsorge messen lassen – und nicht zuletzt hängt davon ihr Überleben ab.
Der Autor
Roland Müller ist Redakteur bei katholisch.deHinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.