Bilanz der DBK-Herbstvollversammlung in Fulda

Synodaler Weg und Missbrauch: Die Baustellen der Bischöfe bleiben

Veröffentlicht am 24.09.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Fulda ‐ Bei ihrem Herbsttreffen beschäftigten besonders zwei Themen die deutschen Bischöfe: der Fortgang des Synodalen Wegs und einmal mehr die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. In Fulda wurde deutlich, dass in beiden Bereichen noch viel Arbeit ansteht. Doch der Druck steigt – und die Zeit drängt.

  • Teilen:

Am Fuldaer Stadtschloss, in dem die deutschen Diözesan- und Weihbischöfe bei ihrer diesjährigen Herbstvollversammlung tagten, finden aktuell eigentlich Bauarbeiten statt. Ob auch während der Sitzungen gewerkelt, gebohrt oder gehämmert wurde, ist nicht bekannt. Dennoch gibt es wohl kaum ein passenderes Symbol für die momentane Lage der Kirche in Deutschland im Allgemeinen und der Bischofskonferenz im Besonderen. Denn die Aufgaben, die es für die Kirche zu bewältigen gilt, sind riesig, die Ungeduld der Öffentlichkeit in Sachen Missbrauchsaufarbeitung sowie vieler Gläubigen in Sachen Reformen förmlich mit den Händen greifbar. Die Bischöfe stehen unter gewaltigem Druck – und auch unter ihnen selbst scheint es die ein oder andere "Baustelle" zu geben.

Als Hammerschlag empfanden viele die Worte des Vorsitzenden der Bischofskonferenz bei der Predigt im Eröffnungsgottesdienst. Die Forderungen des Limburger Bischofs Georg Bätzing an seine Amtsbrüder waren deutlich. Doch er richtete sie genauso an sich selbst. Er sprach von einer notwendigen radikalen Wende, die die Bischöfe in ihrem Wirken und ihrem Amtsverständnis vollziehen müssten. Für die jetzt anstehenden, strittigen Reformdebatten brauche es "den Geist und den Mut zur Umkehr". Ohne eine echte Umkehr würden die Bischöfe der Wucht des Missbrauchs-Skandals und der Dramatik der Entkirchlichung nicht gerecht. Bätzings eindringlicher Appell an die Bischofskollegen: "Kehrt um! Denkt neu!"

Wie den Synodalen Weg weitergehen?

Dabei dürfte Bätzing insbesondere den Synodalen Weg im Blick gehabt haben. Denn der Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland befindet sich aktuell in einer entscheidenden Phase. Doch wie wollen ihn die Bischöfe weitergehen? Mancher Oberhirte ließ durchblicken, dass man eigentlich viel mehr Zeit bräuchte, um die Themen, die auf dem Tisch liegen, zu durchdenken und neue Wege zu suchen. Doch bereits kommende Woche sollen bei der nächsten Synodalversammlung in Frankfurt ein entscheidender Schritt gegangen und die bisher von den Foren verfassten Texte im Plenum besprochen werden.

Bischof Georg Bätzing bei einem Pressestatement
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Der DBK-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, bei seinem Auftaktstatement zur Herbstvollversammlung in Fulda.

Zuletzt gab es allerdings deutliche Misstöne – gegen einzelne Texte sowie den Reformprozess allgemein. Im Zentrum der Kritik stand insbesondere der Grundtext des Forums zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche. Einige Synodale, darunter auch Bischöfe, werfen diesem mangelndes theologisches Niveau, den Versuch einer Demokratisierung der Kirche nach staatlichem Vorbild sowie eine Aushöhlung des Bischofsamtes vor.

Der Text war auch Thema bei der Herbstvollversammlung. In der Abschlusspressekonferenz gab Bischof Bätzing bekannt, dass sich die DBK-Glaubenskommission mit ihm befasst und einen entsprechenden Bericht dazu verfasst habe. Anlass sei die Sorge der Bischöfe gewesen, der Text könne "Ausgangspunkt für die Entwicklung einer der Kirche wesensfremden Sozialstruktur werden". Die notwendigen Reformen müssten das Ziel haben, die Kirche in ihrem Wesenskern zu stärken – deshalb müsse beim Umgang mit Macht nach einem Modus gesucht werden, der sowohl den an politisch-gesellschaftliche Standards gewohnten Menschen als auch der Kirche gerecht wird, so das Resümee des Berichts. Ein Votum, das sicher nicht ohne Folgen für die Gestalt des Grundtextes sein wird. Denn wenn dieser irgendwann zur Abstimmung gelangt, müssen nicht nur zwei Drittel aller Synodalen, sondern gleichzeitig auch zwei Drittel der Bischöfe für ihn stimmen, damit er auch angenommen wird.

Kommissionswahlen als Stimmungstest

Als Stimmungstest, wie es ganz grundsätzlich um die Reformbereitschaft unter den deutschen Bischöfen bestellt ist, galten im Vorfeld des Treffens in Fulda die Wahlen zu den Kommissionen der Bischofskonferenz. Diese kümmern sich um die inhaltliche Arbeit zwischen den Treffen. Tatsächlich wurden "Schlüsselpositionen" erneut mit Bischöfen besetzt, die in der Vergangenheit mehrfach deutlich ihren Willen zu Änderungen bekundet haben: Neuer Vorsitzender der Glaubenskommission ist der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, neuer Vorsitzender der Pastoralkommission ist der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, und neuer Sozialbischof der Hildesheimer Oberhirte Heiner Wilmer. Wilmer forderte am Rande eines Pressegesprächs während der Vollversammlung mit Nachdruck eine Reform der katholischen Sexuallehre: Es dürfe nicht sein, dass die Kirche sich weiter auf eine Sexualmoral stütze, die auf den heiligen Augustinus im 5. Jahrhundert zurückgehe und Erotik und Sexualität außerhalb der Ehe ausschließlich als Sünde verstehe.

Die Debatten und die Entscheidungen in Fulda waren ohnehin schon spannend genug – doch ein Dauerthema schwebte gewissermaßen über der Versammlung: die Causa Köln mit all ihren Facetten. Bätzing zeigte erneut Verständnis dafür, dass viele die Entscheidung des Papstes, das Rücktrittsangebot des Hamburger Erzbischofs und früheren Kölner Personalchefs Stefan Heße im Zuge des Gercke-Reports nicht anzunehmen, nicht verstehen können. Gleichzeitig verteidigte er allerdings die Entscheidung, die der Vatikan nach gründlicher Prüfung und kirchlichem Recht getroffen hatte, und hieß Heße demonstrativ im Kreis der Bischöfe willkommen. In Sachen Zukunft des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki und seiner Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp gab es indessen kein Signal aus Rom – auch wenn im Umfeld der Vollversammlung fleißig darüber spekuliert wurde.

Linktipp: Das sind die neuen Vorsitzenden der Bischöflichen Kommissionen

Es ist der größte Personalwechsel in der Deutschen Bischofskonferenz seit etlichen Jahren: Ganze sieben Bischöfliche Kommissionen haben einen neuen Vorsitzenden – darunter auch die drei Schlüsselressorts Glauben, Pastoral und Gesellschaft. Katholisch.de stellt "die Neuen" vor.

Ein weiteres Thema, dass die Bischöfe intensiv beschäftigte, waren die Anerkennungsleistungen für Betroffene sexualisierter Gewalt. Zuletzt hatte der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz in einem Offenen Brief an die Bischöfe das aktuelle Verfahren der zum Jahresbeginn eingerichteten Unabhängigen Kommission und dabei insbesondere die lange Bearbeitungsdauer einzelner Fälle kritisiert. Von Seiten der Bischöfe heißt es, man wolle generell an dem Verfahren festhalten, mit dem Betroffenenbeirat aber weitere Verbesserungsmaßnahmen ausloten.

Wer soll aufarbeiten?

Immer wieder werden Forderungen laut, der Staat solle die Aufarbeitung des Missbrauchs in der katholischen Kirche doch am besten ganz übernehmen, weil diese es selbst nicht schafft. Glaubt man einigen der Bischöfe, dann ist die Bereitschaft dazu aber weder bei Bund noch bei Ländern besonders ausgeprägt. Warum das so ist, dafür dürfte es gleich zwei gute Gründe geben: auf der einen Seite der hohe Zeit- und Kostenaufwand. Auf der anderen Seite würde der Druck auf diese neue staatliche Behörde wachsen, sich auch anderen Institutionen wie Schulen oder Sportvereinen zu widmen, bei denen die Aufarbeitung von Missbrauch bisher kaum eine Rolle spielt. Ein Abgrund, um den der Staat vermutlich vorerst lieber einen Bogen macht.

Ob Reformen, Synodaler Weg oder Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt: Die "Baustellen", an denen die Bischöfe zu arbeiten haben, bleiben. Dennoch war die Rede von konstruktiven Sitzungen und einer konzentrierten, nachdenklichen Arbeitsatmosphäre in Fulda. Wie nachhaltig diese Eindrücke sind, wird sich schon kommenden Donnerstag in Frankfurt zeigen. Dann treffen sich die Oberhirten zum Start der Vollversammlung des Synodalen Wegs erneut.

Von Matthias Altmann