Weihbischof: Mehrheit im Sexualmoral-Forum will Aufweichung der Lehre
Nach Ansicht des Bamberger Weihbischofs Herwig Gössl will die Mehrheit im Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" eine Aufweichung der kirchlichen Lehre. "Wenn man davon ausgeht, dass die kirchliche Sexualmoral neu geschrieben werden muss auf der Grundlage dessen, was die Humanwissenschaften heute über Sexualität sagen, wird in meinen Augen eine ganz wichtige theologische Basis verlassen: der Blick auf Schrift und Tradition", sagte Gössl der Bistumszeitung "Heinrichsblatt" in einem Interview, das am Montag auf der Internetseite des Erzbistums veröffentlicht wurde.
Die Frage sei, was die kirchliche Sexualmoral in der Vergangenheit schützen wollte, so Gössl. "Ich glaube, dass sie dabei manchmal überzogen hat und in gewisse Sackgassen geraten ist." Dies müsse man korrigieren, auch in Hinblick auf die "Missbrauchsproblematik". "Aber grundsätzlich zu sagen, dass die Sexualmoral der Kirche für die Missbrauchsverbrechen verantwortlich sei, ist falsch", sagte der Weihbischof.
Alternativtext verstehe kirchliche Sexualmoral als etwas Hilfreiches
Gössl gehört dem Sexualmoral-Forum an und hat den bereits im Mai entstandenen Beitrag "Der Mensch in seiner Liebesfähigkeit und der Glaube der Kirche" mitunterzeichnet, der auf der synodenkritischen Plattform des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer veröffentlicht wurde. Der Text verstehe die kirchliche Sexualmoral als etwas Hilfreiches – "sie hilft den Menschen, die positive Lebens- und Schöpfungskraft, die ihnen gegeben ist, in guter Weise zu nutzen", so Gössl.
Auch beim Zweiten Vatikanischen Konzil habe man nie einstimmig entschieden, aber man habe an den Texten gefeilt und auch Minderheitenvoten berücksichtigt. "Im Moment erlebe ich das beim Synodalen Weg eher so, dass man versucht, Ziele durchzupeitschen. Da wird von allen Seiten nicht sehr zimperlich umgegangen." Die Gesprächsatmosphäre im Synodalforum empfand Gössl dagegen als durchweg "sehr positiv". "Da wurde nicht einfach eine Minderheitenmeinung unterdrückt, sondern schon versucht, diese wertschätzend aufzugreifen." Diese sei bei der weiteren Diskussion aber "zerpflückt und zerstückelt" worden. "Irgendwo ist ein Punkt erreicht, an dem ich sage: Das ist nicht meine Überzeugung, dem kann ich nicht zustimmen."
Beim Synodalen Weg hätten "sicher alle dazugelernt", so Gössl. Für ihn sei der Prozess daher schon ein Fortschritt. "Vielleicht gibt es ja Einsichten, die mir jetzt noch verborgen sind. Ich bin dagegen nicht verschlossen." Sein Eindruck sei grundsätzlich aber, dass nicht viele Menschen den Synodalen Weg verfolgen oder gar die Texte lesen würden. (cbr)