Frankreichs Innenminister gegen Beichtgeheimnis bei Straftaten
Der französische Innenminister Gerald Darmanin hat sich gegen ein wirksames Beichtgeheimnis von Priestern bei Straftaten ausgesprochen. Priester, die über die Beichte Kenntnisse über Sexualdelikte gegenüber Minderjährigen erhalten haben, seien verpflichtet, diese "vor Gericht zu bringen", erklärte der Minister am Dienstag vor der Nationalversammlung in Paris.
Zuvor hatte Darmanin den Vorsitzenden der französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, zu einem Treffen eingeladen. Es ging demnach um die "Bedeutung des Beichtsakraments für Katholiken und die theologischen, geistlichen und kirchenrechtlichen Grundlagen des Beichtgeheimnisses".
Kein Gesetz über dem Staat
Der Minister reagierte damit auf jüngste Interview-Äußerungen des Erzbischofs. Auf die Frage, ob das Beichtgeheimnis Vorrang vor französischen Gesetzen habe, hatte de Moulins-Beaufort dem Sender "France Info" vergangene Woche gesagt, das Beichtgeheimnis sei für alle Priester verpflichtend und damit "stärker als die Gesetze der Republik". In Frankreich steht die Nichtverfolgung und Nichtanzeige von Straftaten unter Strafe.
Der Innenminister, der auch für religiöse Angelegenheiten zuständig ist, betonte im Gespräch mit dem Erzbischof nach eigenen Angaben, dass es in Frankreich "kein Gesetz gibt, das über den Gesetzen von Nationalversammlung und Senat liegt". Die Republik respektiere alle Konfessionen, sofern diese auch die Gesetze respektierten.
Linktipp: Missbrauchsstudie: 330.000 Opfer, 3.200 Täter in Frankreichs Kirche
Der rund 2.500 Seiten lange Abschlussbericht über Missbrauch in der französischen Kirche seit 1950 ist veröffentlicht – und offenbart ein erschreckendes Ausmaß: Geschätzt 330.000 Minderjährige erlebten sexuelle Übergriffe durch bis zu 3.200 Priester, Ordensleute und andere Kirchenmitarbeiter.
Zwar erkenne auch das französische Gesetz das Beichtgeheimnis, ähnlich wie die ärztliche Schweigepflicht, generell an. Allerdings gelte das nicht bei Straftaten, die gegen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren begangen würden, betonte Darmanin.
Unterdessen bat de Moulins-Beaufort um Verzeihung für seine Wortwahl in dem TV-Interview. Er entschuldige sich bei den Opfern und all jenen, die durch die Debatte, die seine Worte ausgelöst hätten, verletzt oder schockiert worden seien, sagte der Erzbischof am Dienstag. "Für uns Christen appelliert der Glaube an das Gewissen jedes Einzelnen, er fordert eine unermüdliche Suche nach dem Guten, was nicht ohne die Achtung der Gesetze des Landes geschehen kann."
Hintergrund der Diskussion ist der am vergangenen Dienstag vorgelegte Abschlussbericht einer Untersuchungskommission zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Zu dessen Forderungen gehörte unter anderem, das priesterliche Beichtgeheimnis in diesem Zusammenhang auf den Prüfstand zu stellen. Angesichts der Missbrauchsskandale weltweit und entsprechender Anzeigepflichten in mehreren Ländern hat der Vatikan das Beichtgeheimnis stets nachdrücklich verteidigt.
"Zwingende Verpflichtung" zur Anzeige
Die Verteidigung des Beichtgeheimnisses durch den Erzbischof hatte schon zuvor für Diskussionen gesorgt. So bekräftigte auch Justizminister Eric Dupond-Moretti, dass jeder Priester die "zwingende Verpflichtung" habe, derartige Straftaten anzuzeigen. Ansonsten sei auch eine Anzeige wegen Strafvereitlung gegen den Geistlichen denkbar.
Das Beichtgeheimnis genießt im Kirchenrecht einen hohen Stellenwert und kann nicht einfach abgeschafft werden. Seine Unverletzlichkeit komme "direkt aus dem göttlichen Offenbarungsrecht und ist im Wesen des Sakraments verwurzelt", so dass es im kirchlichen Bereich keine Ausnahme zulasse, betonte 2019 die Apostolische Pönitentiare in einer Note. Wenn ein Priester es bricht, droht ihm dafür die Exkommunikation. In Deutschland wie in vielen anderen Ländern wird das Beichtgeheimnis auch vom staatlichen Recht geachtet. (mal/KNA)
13.10., 11:15 Uhr: Ergänzt um Entschuldigung de Moulins-Beauforts.