Vom Rhein an die Spree: Das ZdK zieht nach Berlin
In der Kirche brauchen manche Dinge bekanntermaßen etwas länger. Während viele Verbände nach dem Hauptstadtbeschluss vor 30 Jahren zügig Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin folgten, behielt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken seinen Sitz in der alten Hauptstadt. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass in Bonn auch das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz ansässig ist. Zeitweilig experimentierte das höchste repräsentative Gremium der katholischen Laien mit einem Berliner Büro – um irgendwann feststellen zu müssen, dass sich die Bonn-Berlin-Frage so nicht lösen ließ.
Auf der Frühjahrsvollversammlung 2019 sorgten die anwesenden ZdK-Mitglieder schließlich für klare Verhältnisse. Für den Umzug nach Berlin votierten 123 Teilnehmer, 23 stimmten dagegen und 3 enthielten sich. Es gelte, die politische, mediale und gesellschaftliche "Präsenz" des ZdK zu verbessern, sagte Präsident Thomas Sternberg damals: "Die Musik spielt in Berlin." Gut dreieinhalb Jahre später, im Januar 2022 soll es tatsächlich vom Rhein an die Spree gehen – wenn auch der Aufschlag in der Hauptstadt etwas bescheidener ausfällt als ursprünglich geplant.
Geschichtsträchtiger Bau
Eigentlich wollte sich das ZdK in einem neu zu errichtenden katholischen Verbändehaus nahe der Friedrichstraße niederlassen. Doch das Projekt wurde dem Vernehmen nach durch Probleme mit dem Bauträger ausgebremst. Stattdessen bezieht das Katholikenkomitee nun drei Etagen eines geschichtsträchtigen Baus in der katholischen Kirchengemeinde Herz Jesu, ebenfalls im Herzen Berlins. Das dürfte die ursprünglich kalkulierten Mietkosten von jährlich 172.800 Euro senken, passt aber vor allem zum Selbstverständnis des Katholikenkomitees als einer politisch engagierten Institution mit langer Geschichte, wie ZdK-Generalsekretär Marc Frings sagt.
Der Altbau auf dem Gemeindegelände beherbergte früher eine katholische Mädchenschule, Vorläuferin der heute im Bezirk Pankow ansässigen Theresienschule, eines Gymnasiums in Trägerschaft des Erzbistums Berlin. 1894 als reine Mädchenschule gegründet, bot das Lyzeum unter den Nationalsozialisten jüdischen Schülerinnen Zuflucht, die von staatlichen Schulen vertrieben worden waren. Ab 1936 wurde die Einrichtung schrittweise geschlossen. Nach 1945 nahm sie ihren Betrieb wieder auf und war bis zur Wende 1990 die einzige offiziell anerkannte katholische Oberschule in der DDR.
Die meisten der knapp 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ab Januar im Prenzlauer Berg ihre Tätigkeit aufnehmen, kamen erst in den vergangenen drei Jahren zum ZdK. Sie verbindet kaum etwas mit dem alten Standort im Bonner Ortsteil Friesdorf, wo das Gremium seit seiner Nachkriegs-Wiedergründung 1952 seinen Sitz hatte. Hier werden laut Frings übergangsweise noch fünf Mitarbeiter verbleiben, die für die Organisation des Katholikentags 2022 in Stuttgart zuständig sind – sowie ein ZdK-Vertreter, der als Verbindungsperson für den Synodalen Weg fungiert, den von den deutschen Bischöfen und dem ZdK angestoßenen Reformdialog in der Kirche.
Das über 35.000 Quadratmeter große Gelände, auf dem mehrere Häuser stehen und zu dem ein großer Waldanteil zählt, will das Katholikenkomitee bis auf weiteres behalten und mit den Erträgen aus Erbpacht die Miet- und Unterhaltskosten des neuen Standortes in Berlin gegenfinanzieren. Bei der vor bald 175 Jahren aus der Taufe gehobenen ältesten nationalen Einrichtung des deutschen Katholizismus stehen die Zeichen auf Veränderung. Das bezieht sich nicht nur auf den Ortswechsel vom immer noch katholisch geprägten Rheinland in den kirchenfernen Osten der Republik.
Versuchslabor einer "wertegeleiteten Lobbyarbeit"
Im Herbst wird ZdK-Präsident Sternberg aus dem Amt scheiden. Hinter den Kulissen machen sich die Mitglieder des Gremiums schon seit längerer Zeit Gedanken darüber, wie sich christliche Anliegen in einer Gesellschaft transportieren lassen, in der die beiden großen Kirchen stetig an Mitgliedern verlieren. Berlin, so deutet es Marc Frings an, könne deswegen auch zu einem Versuchslabor einer "wertegeleiteten Lobbyarbeit" werden – bei der das ZdK auch stärker als bisher den Schulterschluss mit nicht-kirchlichen Organisationen suchen will.
Bleibt vorläufig noch eine Frage: Mit einem Zentralkomitee haben die Menschen speziell in Ost-Berlin nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht. Ob angesichts der DDR- und SED-Vergangenheit eine Namensänderung nicht angesagt wäre? Das sei nicht der oberste Punkt auf der Agenda, sagt Marc Frings. Jetzt gelte es erst einmal, wieder stärker politische Debatten zu prägen und zu begleiten. Dies sei auch – neben dem Engagement beim Synodalen Weg – Auftrag des ZdK. Aber im Zuge der Neuaufstellung beim Katholikenkomitee gebe es grundsätzlich keine Tabus – auch nicht beim Namen: "Alles kommt auf den Tisch."