Katholische Kritik am Zapfenstreich ist unangebracht
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An uralte Rituale aus vordemokratischer, patriarchaler Zeit seien Katholiken gewöhnt, sollte man meinen. Auch an Männeraufzüge in ungewöhnlicher Kleidung zu feierlicher Musik, möglichst diszipliniert durchchoreographiert, gerne im Kerzenschein, mit Bannerträgern. An Gebete und starke Worte zur Macht der Liebe sowieso.
Solcherart katholisch imprägniert, fand ich keinen Harm am Zapfenstreich zum Ende des Afghanistan-Einsatzes. Im Gegenteil. Unser Militärbischof im Ornat fehlte ja auch nicht. Ein Staat, der in diesem archaischen, dichtesten Raum seiner Souveränität – er kann hier sogar den Einsatz des Lebens fordern – die Religionsgemeinschaften seelsorglich und gewissensbildend frei wirken lässt, hat eher nichts Böses zu verstecken. Und sonst käme es sicher heraus.
Dass katholische Stimmen sich hergebrachter linker Zapfenstreichs-Reizbarkeit anschlossen, scheint mir auch deshalb nicht weise, weil der Einsatz, um den es ging, nachvollziehbar gute Motive hatte und einer ganzen Generation von Afghanen, vor allem Mädchen und Frauen, ein Leben in relativer Freiheit und Sicherheit ermöglichte, dank militärischer Macht.
Auch die Form der Feier kann ich als Christ nicht beanstanden. Zur "richtigen Autonomie der irdischen Wirklichkeiten" gemäß dem Konzil (Gaudium et spes, 36) gehört die Eigenart des Militärischen: Uniform, Waffen, Gleichschritt im Aufmarsch. Da schlendert man nicht fröhlich ungeordnet in legerer Kleidung und winkend herein wie Sportler zur Olympia-Schlussfeier. Wer den Helm abnimmt zum Gebet, der bekundet Demut statt Hybris, Ernst statt Leichtfertigkeit. Wer der Toten und Verwundeten gedenkt – und in selbstkritischen Politikerreden der (noch) zurückgebliebenen afghanischen Helfer –, der handelt würdig und recht.
Militarismus-Allergien am falschen Objekt unserer demokratischen Bundeswehr brauchen keinen katholischen Segen. Eine Kirche, die der "erbsündigen" Disposition menschlichen Lebens realistisch ins Auge schaut, darf es sich in sozialethischen Fragen nicht zu leicht machen mit hybriden Ansprüchen wie dem, Weltfrieden könne man durch rein zivile Friedfertigkeit erzwingen. Christen sollen zwar immer den "Frieden suchen", ja "ihm nachjagen" (Ps 34,15) – aber sich auch hüten, Illusionen zu nähren, durch die Menschen den skrupellosesten Mitgliedern der Staatengemeinschaft ausgeliefert würden.
Es gilt also Paradoxien auszuhalten – "Si vis pacem, para bellum" – und nicht oberflächlich und reflexhaft auf Bilder zu reagieren, die scheinbar Ähnliches zeigen, hinter dem aber substanziell anderes steht. Soldaten im Fackelschein vor dem Reichstag sind heute keine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Lebensversicherung. Vor einfältigen Déjà-vus warnte schon der Widerstandskämpfer Julius Leber: "Die Deutschen sind wie Pferde! Sie scheuen immer an der Stelle, an der sie einmal von einer Gefahr überfallen worden sind. Sie denken nicht daran, dass die Gefahr das nächste Mal an ganz anderer Stelle lauern kann."
Der Autor
Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.