Standpunkt

Bitte kein "Weiter so" im Erzbistum Köln!

Veröffentlicht am 29.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Bonn ‐ Der erste öffentliche Auftritt von Weihbischof Rolf Steinhäuser als Administrator war von vielen mit Spannung erwartet worden, kommentiert Thomas Winkel. Derzeit sehe einiges nach einem "Weiter so" aus – was großen Schaden verursachen könnte.

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Bald neigt sich eine Woche zu Ende, die für noch nicht frustrierte Katholiken im Erzbistum Köln mit großen Erwartungen begonnen hatte. Und einem letzten, vielleicht vorletzten Funken Hoffnung: Der Übergangsleiter des größten deutschen Bistums tritt endlich erstmals öffentlich auf. Wird er ein Zeichen setzen? Wird er für einen "Ruck" sorgen oder es zumindest versuchen? Nein, Weihbischof Rolf Steinhäuser streift in seinen mit Spannung erwarteten Reden in Altenberg das Desaster nur am Rande. Vieles lässt sich so deuten, dass die Kirchenoberen nach der Auszeit von Kardinal Woelki im Wesentlichen ein "Weiter so" anstreben. Das wäre eine verpasste Chance – und der Schaden enorm.

Das neue Muster geht ungefähr so: Ein paar allgemeine Sätze mit Verständnis für den Unmut ("Vertrauenskrise, die viele Gläubige verstört"). Wohlfeile Worte auch für kritische Stimmen ("Eine synodale Kirche ist keine Kirche der Reinen"). Und ganz wichtig: alles immer "unter der klaren römischen Prämisse, dass der Kardinal wiederkommt". Das zu erwähnen, vergisst Steinhäuser bisher bei keiner Gelegenheit. Ob der Erzbischof in seiner langen Auszeit nicht auch zu einem anderen Ergebnis kommen könnte? Doch auch Woelki selbst hat schon zuvor angekündigt, sein Amt wieder aufnehmen zu wollen – getreu der vatikanischen Vorgabe "bis zu seiner Rückkehr ..."

Eine weitere Beobachtung am Rande: Papst Franziskus hat dem Kardinal schwarz auf weiß bescheinigt, "auch große Fehler" gemacht zu haben. Woelki selbst aber spricht immer nur von Fehlern – ohne den erschwerenden Zusatz ("Natürlich habe ich Fehler gemacht bei der Aufarbeitung. Ich habe Fehler gemacht mit Blick auf die Kommunikation."). Zufall? Oder kommt hier vielleicht eine Haltung zum Ausdruck, die Unangenehmes einfach herunterspielt? Denn Fehler machen wir ja alle…

Der neue Interims-Leiter Steinhäuser bemüht sich sehr, er tritt zurückhaltend und freundlich auf, wird nun erstmals einen seit Längerem geforderten Bußgottesdienst zu Missbrauchsfällen im Dom halten. Vor allem auf Gespräche will Steinhäuser setzen und viel zuhören. Das klingt erfreulich und wäre in Köln womöglich sogar ein neuer Stil. Aber mal ehrlich: Ist nicht längst alles bekannt und mehrfach gesagt? Die Leute treten in Scharen aus, der Frust hat sogar die Engagierten in der Mitte der Gemeinden und im Zentrum der Bistumsverwaltung erreicht. Sollen die Proteste immer noch nicht bei den Oberen angekommen sein? Vor allem zuhören und mehr nicht? Wer Ohren hat, der hört seit anderthalb Jahren, wo in Köln die Glocken hängen!

Und auch wenn der Administrator strukturell nichts Wesentliches ändern darf, soll er doch für einen "Prozess der Versöhnung und Erneuerung" sorgen. Das ist etwas anderes als ein "Weiter so", wie es auch mit der erneuten Beauftragung des bisherigen Generalvikars zum Ausdruck kommt. Er behält damit dieselben Rechte und Pflichten, wie er sie bereits als Vertrauter Woelkis hatte.

Der Kardinal präsentiert sich gern als Fan des 1. FC Köln. Unmittelbar vor Steinhäusers Auftritt in Altenberg hatte das Geißbock-Team einen 0:2-Rückstand mit viel Herzblut wettgemacht – und ging als gefühlter Sieger vom Platz. Und die Kirchenleitung? Sie läuft Gefahr, sogar die Chance auf einen Anschlusstreffer zu vertun, durch ein Spiel auf Zeit und mutloses Hin- und Hergeschiebe. Viel Nachspielzeit bleibt nicht… 

Von Thomas Winkel

Der Autor

Thomas Winkel ist Chef vom Dienst der Katholischen Nachrichten-Agentur in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.