Wenig Spielraum bei "Donum Vitae"
Marx, der zum ersten Mal als DBK-Vorsitzender auf der Vollversammlung des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) sprach, nannte drei Themen, bei denen Christen besonders gefragt seien: neue Formen des globalen Wirtschaftens, der Schutz von Ehe und Familie sowie die Zukunft Europas. "Wir müssen über den Kapitalismus hinausdenken", forderte der Münchner Kardinal. Bezogen auf Rechtsprechung und Politik in Deutschland und Europa prangerte er eine "strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien" an. Diese Frage werde in den kommenden Jahren ein großes Thema bleiben.
Wenig Spielraum bei "Donum Vitae"
Marx äußerte sich auch zur Debatte über die kirchlich nicht anerkannte Schwangerenkonfliktberatung "Donum Vitae", in der er allerdings wenig Spielraum sieht. Aus seiner Sicht gebe es keine Möglichkeit zu einer "Übernahme in das kirchliche Programm". Zugleich betonte er, Mitarbeiter von "Donum Vitae" dürften nicht aus der Kirche ausgegrenzt werden. Auch helfe es wenig weiter, die Diskussion für andere Zwecke zu instrumentalisieren. Er wolle das Gespräch innerhalb der gemeinsamen Konferenz der Bischöfe und dem ZdK fortführen.
Am Dienstag hatte die "Donum Vitae"-Vorsitzende Rita Waschbüsch die Bischöfe aufgefordert, ihre Haltung zu ihrer Organisation zu überprüfen. "Der Katholikentag ist ein besonderer Anlass, noch einmal darüber nachzudenken, ob der kirchliche Abgrenzungsbeschluss der Bischofskonferenz von 2006 wirklich zukunftsfähig ist", sagte Waschbüsch.
Mit Blick auf Europa und das Erstarken populistischer Strömungen in den EU-Mitgliedstaaten sagte Marx: "Ich habe da Angst, dass wir dieses Projekt zerfleddern." Gesprächsbedarf sieht der Erzbischof derzeit vor allem bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Dies wolle er nutzen, um verstärkt die europäische und US-amerikanische Bischofskonferenz miteinander in Verbindung zu bringen.
Marx bremst hohe Reform-Erwartungen
Zugleich bremste Marx zu hohe Erwartungen an kirchliche Reformen. Papst Franziskus habe zweifellos für eine neue Gesprächsatmosphäre gesorgt und rege die Fantasie an. Diese schieße manchmal allerdings über das Ziel hinaus. In der modernen Welt bewege sich die Kirche in einem Spannungsfeld der "Ungleichzeitigkeit der Kulturen". Was in westlichen Staaten selbstverständlich sei, nähmen andere Länder anders wahr. Dies werde auch die im Herbst anstehende Bischofssynode zu Ehe und Familie zeigen. Im Vordergrund müsse dabei stehen, "zu einem einmütigen Zeugnis zu kommen".
Trotz dieser Herausforderungen dürften sich Christen nicht aus der Welt zurückziehen oder gar die moderne Gesellschaft als Gegner begreifen. Patentrezepte gebe es keine. Es gelte stattdessen, die Spannungen auszuhalten und die Welt als Gestaltungsaufgabe zu begreifen. Auch innerkirchlich ermunterte Marx zu einem offenen Gespräch über die Zukunft der Kirche ohne Angst vor Hierarchien: "Niemand ist der verlängerte Arm von irgendjemand." (bod/KNA)