Liturgiepräfekt: Künftig keine liturgischen Ausnahmeregeln mehr
Das Ziel des Motu Proprio Traditionis Custodes (TC), mit dem Papst Franziskus die Feier der Messen nach den liturgischen Büchern von 1962 deutlich eingeschränkt hatte, ist die Abschaffung aller zuvor gewährter Ausnahmegenehmigungen, von der Liturgiereform von Papst Paul VI. abzuweichen. Das geht aus einem Schriftverkehr zwischen dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz von England und Wales, Kardinal Vincent Nichols, und dem Präfekten der Liturgiekongregation, Erzbischof Arthur Roche, hervor, der von verschiedenen Medien am Wochenende veröffentlicht wurde. Erzbischof Roche antwortet in einem auf den 4. August datierten Brief auf mehrere Fragen des britischen Kardinals zur Umsetzung von TC.
In seinem Schreiben betont Roche, dass Paul VI. mit seiner Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil alle älteren Formen abgeschafft habe. Mit seinem Motu Proprio habe Papst Franziskus alle von seinen beiden Vorgängern gewährten Ausnahmen und Zugeständnisse abgeschafft. "Pastorale Klugheit" könne nur für eine "sehr begrenzte Zeit" bis zur vollständigen Umsetzung angewandt werden und mit dem klaren Ziel, die Abschaffung aller vorherigen Ausnahmeregeln umzusetzen, so das Schreiben. "Alles, was im neuen Gesetz steht, ist darauf ausgerichtet, zur vom Zweiten Vatikanum vorgesehenen Liturgie zurückzukehren und sie zu stabilisieren", betont Roche. Die Entscheidungen vorheriger Päpste seien oft falsch interpretiert worden und hätten zu einer Ausweitung der eigentlich abgeschafften Liturgieform geführt, die von den Päpsten "weder vorhergesehen noch genehmigt" worden sei. Fehlinterpretationen päpstlicher Festlegungen hätten zu einer "Ekklesiologie geführt, die nicht Teil des Lehrarmts der Kirche ist".
Roche erläutert auf die Nachfrage, wie der in TC verwendete Begriff der "Gruppen […], die nach dem Missale vor der Reform von 1970 zelebrieren" (Art. 3 TC) auszulegen sei. Nichols hatte um die Klärung gebeten, ob damit lediglich formal errichtete Gruppen erfasst seien. Laut Roche bezieht sich der Begriff "Gruppen" auf "Personalpfarreien, die zuvor als Zugeständnis errichtet wurden, um die vorherige Liturgie zu feiern, und auf Versammlungen von Menschen, die sich bisher regelmäßig getroffen haben, um die Eucharistie nach dem Missale Romanum von 1962 zu feiern".
Im Vatikan kein Indult für Requien bekannt
Ein von Kardinal Nichols angesprochenes Indult von 1971, das Requiem in der alten Form zu feiern, sei in der Liturgiekongregation nicht bekannt. Es gebe lediglich Korrespondenz mit Kardinal John Heenan, dem damaligen Erzbischof von Westminster, über die reformierte Form des Begräbnisses. Wenn es ein entsprechendes Indult gegeben hätte, wäre er von der Abrogierung durch TC allerdings erfasst. Unklar ist, ob Nichols mit seinem Verweis auf ein Indult das sogenannte "Agatha-Christie-Indult" von 1971 meint, mit dem Papst Paul VI. nach Protesten von britischen Kulturschaffenden die Feier der Heiligen Messe nach dem Missale Romanum von 1965 in England und Wales unter Bedingungen ermöglicht hatte. Dort werden Requien und Begräbnisse nicht eigens erwähnt.
Roche betont mit Blick auf eine kirchenrechtliche Interpretation von TC der britischen "Latin Mass Society" (LMS), dass die Deutungshoheit über die Auslegung der Vorgaben allein bei den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Papst liege, die die "Moderatoren der Liturgie" seien. Die Auslegung der LMS, die Nichols der Liturgiekongregation zur Verfügung gestellt hatte, sei ein gutes Beispiel für eine "mangelhafte Interpretation und die Propagierung dieser Liturgien unter dem Vorwand zulässiger Rechtsauslegung".
Mit dem Motu Proprio TC hatte Papst Franziskus im Juli weite Teile des von seinem Vorgänger Papst Benedikt XVI. 2007 erlassenen Motu Proprio "Summorum Pontificum" zurückgenommen, die Feier der "Alten Messe" erschwert und Diözesanbischöfen mehr Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet, die Feier in der alten Form in ihren Bistümern zu regulieren. Ziel der Reform von Papst Franziskus war es, eine größere Einheit in der Kirche zu schaffen. In einem Begleitschreiben beklagte er einen oft festzustellenden "enge[n] Zusammenhang zwischen der Wahl der Zelebrationen nach den liturgischen Büchern vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Ablehnung der Kirche und ihrer Institutionen im Namen dessen, was man die 'wahre Kirche' nennt". Die neuen Regeln hatten weltweit zu Diskussionen und Protesten in traditionalistischen Kreisen geführt. Übergangsbestimmungen gibt es in Deutschland bisher lediglich im Erzbistum Freiburg. (fxn)