Abtreibungen vermeiden
Der Katholikentag hatte mit seinem Motto "Mit Christus Brücken bauen" einen Anspruch formuliert. Nun galt es bei einem ausgesprochen heißen Eisen zu beweisen, ob der Brückenschlag gelingt. Um im Bild zu bleiben, unternahmen bei diesem Podium Kontrahenten, die bisher auf getrennten Uferseiten für ihre Überzeugungen kämpften, erste Gehversuche aufeinander zu - auf mitunter schwankenden Brettern.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und das Gastgeber-Bistum Regensburg hatten im Vorfeld lange um die Veranstaltung gerungen. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer erklärte sich schließlich bereit, "Donum Vitae" auf dem Katholikentag zu dulden und mahnte eine sachliche Auseinandersetzung an. Diese gelang über weite Strecken, was nach 15 Jahren Funkstille schon als Fortschritt gelten kann.
Teilnehmer auf konstruktive Haltung eingeschworen
ARD-Journalistin Claudia Nothelle als Moderatorin und die Katholikentagsleitung hatten die Podiumsteilnehmer auf eine konstruktive Haltung eingeschworen. So konnte die stellvertretende Vorsitzende der Christdemokraten für das Leben, Sophia Kuby, konstatieren: "Wir alle wollen dem ungeborenen Leben helfen, niemand hier hält Abtreibung für eine Banalität." Damit war ein Grundkonsens benannt, den Kuby sogar noch mit einer Gewichtung versah: "Wir sind uns zu 90 Prozent einig."
Außer solchen Respektsbekundungen sondierten die Kritiker von "Donum Vitae", ob sich der Verein nicht zu gemeinsamen Aktion durchringen könnte - etwa bei Demonstrationen oder der Forderung an den Gesetzgeber, die Pflichtberatung nach fast 20 Jahren endlich einmal zu überprüfen, wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt. Zwei Vorstöße, denen sich die andere Seite zumindest nicht von vornherein verweigerte.
Keine Einigkeit gab es erwartungsgemäß bei der Bewertung der Beratungspflicht. Mehr als 5,5 Millionen statistisch erfasste Abtreibungen seit 1995 stünden nicht für eine Erfolgsgeschichte, argumentierte der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker. Die "Donum Vitae"-Bundesvorsitzende Rita Waschbüsch konterte mit dem Befund, dass Deutschland die geringsten Abbruchzahlen in der Europäischen Union habe. Der Frankfurter Moraltheologe Josef Schuster sagte, er vermisse in der Debatte Alternativvorschläge zu einer rechtlichen Regelung. Das Strafrecht habe sich als "stumpfe Waffe" erwiesen.
Gemessen am Applaus waren die Sympathien unter den rund 600 Zuhörern nahezu gleich verteilt. Die Anwesenheit der drei ehemaligen ZdK-Präsidenten Hans Maier, Hans-Joachim Meyer und Rita Waschbüsch zeigte, wie sehr das Thema gerade altgediente katholische Laien bis heute elektrisiert. Bischof Gebhard Fürst, Geistlicher Assistent des Katholikenkomitees, verfolgte den Disput aus der ersten Reihe.
CSU-Politikerin Stamm setzt auf Vermittlung durch Kardinal Marx
Die CSU-Politikerin Barbara Stamm markierte für das "Donum Vitae"-Lager die Wunde, die dort am meisten schmerzt. "Ich will nicht mehr haben, dass meine Kirche Mitarbeiter von 'Donum Vitae' ausschließt", sagte sie und erntete dafür den lautesten Beifall der Veranstaltung. Und sie gab zu erkennen, dass sie dabei auf den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz setzt, den Münchner Kardinal Reinhard Marx.
Dieser hatte vor dem ZdK unmittelbar vor Beginn des Katholikentags gesagt, es gebe zwar kaum Spielraum für eine kirchliche Anerkennung von "Donum Vitae". Die dort engagierten Katholiken dürften aber nicht ausgegrenzt werden. Das Thema werde Bischöfe und ZdK weiter beschäftigen. Und auch der Katholikentag will die geknüpften Fäden nicht abreißen lassen. Das Gespräch soll 2016 in Leipzig fortgesetzt werden.