Papst in Assisi: Den Armen "ihre Stimme wiedergeben"
Papst Franziskus hat am Freitag im italienischen Wallfahrtsort Assisi zu mehr Engagement für Arme und Bedürftige aufgerufen. Es sei an der Zeit, ihnen "ihre Stimme wiederzugeben", sagte er bei einem Gebetstreffen in der Basilika Santa Maria degli Angeli. Bei dem "privaten Besuch" tauschte sich der Papst mit 500 armen Menschen aus verschiedenen Teilen Europas aus. Anlass ist der fünfte Welttag der Armen, den die katholische Kirche am 14. November begeht.
Die Anwesenheit der Armen werde oft als "Ärgernis" empfunden, kritisierte der Papst in seiner Ansprache. Bisweilen werde den Betroffenen vorgeworfen, sie seien selbst schuld an ihrer Not. Dies zeuge von "Verlogenheit". Nicht wenige Profiteure wollten sich auf Kosten der Schwächsten bereichern und versuchten so, einer ernsthaften Prüfung des eigenen Gewissens aus dem Weg zu gehen.
Den "Teufelskreis der Gleichgültigkeit" durchbrechen
Ungerechte Gesetze und Wirtschaftsmechanismen führten zu noch mehr Armut. "Es ist an der Zeit, die Augen zu öffnen und diesen Zustand der Ungleichheit zu sehen, in dem viele Familie leben", so Franziskus. Ihre Würde müsse wiederhergestellt werden – etwa indem man ihnen menschenwürdige Arbeit gebe. Besonders gegen die "skandalöse" Kinderarmut müsse etwas unternommen werden. Der "Teufelskreis der Gleichgültigkeit" dürfe sich nicht weiter fortsetzen, unterstrich der 84-Jährige. Begegnung und Dialog seien ein wichtiger Schritt, um dies zu erreichen.
Das Treffen in Assisi hatte mit deutlicher Verspätung begonnen. Grund war ein Spontan-Besuch des Papstes in einem benachbarten Klarissenkloster. Kurz vor 10 Uhr wurde er auf dem Vorplatz der Basilika von Hunderten Menschen empfangen. Nach einem stillen Gebet in der Portiunkula-Kapelle, die als Ursprungsort der franziskanischen Bewegung gilt, ließ er die Anwesenden von ihren Erfahrungen berichten.
Ein Spanier brach bei seinem Vortrag in Tränen aus. Als ambitionierter Kampfsportler habe er in jungen Jahren das schnelle Geld machen wollen und sei in den Drogenhandel abgerutscht. Im Gefängnis sei ihm mithilfe des Rosenkranzgebets die Umkehr gelungen, berichtete der Mann.
Mehrere Geflüchtete aus Afghanistan berichteten über die schwierige Situation in ihrem Heimatland, das mittlerweile von den radikal-islamistischen Taliban beherrscht wird. Wegen der dortigen Gefahr wollten sie in Italien ein neues Leben beginnen. Für diese Chance seien sie dankbar, versicherten die Afghanen.
Welttag der Armen von Papst Franziskus 2016 ins Leben gerufen
Unter den Teilnehmern der Zeremonie war auch der französische Kardinal Philippe Barbarin. Er hatte 2020 nach langwierigen staatlichen Prozessen wegen Missbrauchsvertuschung trotz eines Freispruchs sein Amt als Erzbischof von Lyon aufgegeben. Um zur Ruhe zu kommen, zog er sich in ein bretonisches Dorf zurück. Franziskus dankte Barbarin für sein Zeugnis. Dieser habe die Erfahrung des Aufgegebenseins "mit Würde" geteilt. Dass er nun an der Seite der Armen stehe, sei ein wertvolles Zeichen.
Am Ende des Treffens sprach der Papst allen Gästen Mut zu. Er habe "ein großes Gefühl der Hoffnung" gespürt. Und dafür gebe es allen Grund: "Schwäche kann, gemeinsam erlebt, zu Stärke werden", betonte Franziskus. Armut könne in Reichtum verwandelt werden. Zum Abschied erhielten die Armen ein "Geschenk des Heiligen Vaters" – Rucksäcke gefüllt mit Kleidung und Corona-Schutzmasken. Im Anschluss flog Franziskus per Helikopter in den Vatikan zurück. Dort leitet er am Sonntag zum Welttag der Armen eine Messe im Petersdom mit 2.000 Betroffenen.
Den katholischen Welttag der Armen hatte Franziskus 2016 ins Leben gerufen. Er wird jährlich im November, jeweils am zweiten Sonntag vor dem Advent, begangen. Der Tag soll das Thema Armut als "Herzensanliegen des Evangeliums" in den Blick rücken und zu einer Glaubenserneuerung in den Kirchengemeinden beitragen.