Vor 400 Jahren regelte Papst Gregor XV. das Konklave neu

"Aeterni Patris Filius": Eine grundlegende Reform der Papstwahl

Veröffentlicht am 15.11.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Der Einfluss von Staaten auf Papstwahlen war über Jahrhunderte ein großes Problem für die Kirche. Woher sollte sie ihre Autorität beziehen, wenn das obere Leitungsamt politisch ausgekungelt war? 1621 wurde deshalb das Konklave neu geregelt.

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Die längste Papstwahl der Geschichte dauerte fast drei Jahre, näherhin 1.005 Tage. Erst im September 1271, also vor 750 Jahren, konnten sich die Kardinäle unter wachsendem Zwang von außen mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit auf einen Nachfolger für den 1268 gestorbenen Klemens IV. einigen. Die Bürger von Viterbo, der Kostgänger längst überdrüssig, hatten damit begonnen, die Wähler einzuschließen, ihnen die Rationen zu kürzen und am Ende sogar das Dach des Versammlungsortes abzudecken.

Der Eklat von Viterbo hatte neben der Bequemlichkeit der Wählenden auch ein anderes, noch grundsätzlicheres Problem der Papstwahl offenkundig gemacht: das der politischen Einflussnahme der verschiedenen europäischen Mächte. Nicht nur, dass der stadtrömische Adel bzw. später regelrechte Kardinalsfamilien vielfach die Wahl unter sich auskungelten. Die Monarchie, die politisch jeweils am längeren Hebel saß, konnte zumindest zeitweise die Richtung ansagen; siehe die Episode des Papsttums im südfranzösischen Avignon (1309-1376/78).

Druck zur Neuerungen durch Reformation

Immer wieder gab es unter dem Reformdruck der Reformationszeit Ansätze, das Prozedere der Papstwahl zu erneuern und resistenter gegen staatliche Vereinnahmungen zu machen. Doch erst Papst Gregor XV. gelang in seiner kurzen Amtszeit (1621-1623) der Befreiungsschlag, zu jener Zeit vor allem gegen die Einmischung Spaniens. Vor 400 Jahren reformierte er mit seiner Bulle "Aeterni Patris Filius" (Der Sohn des Ewigen Vaters) vom 15. November 1621 und dem zugehörigen Zeremoniale "Decet Romanum pontificem" vom 12. März 1622 die Papstwahl mit jahrhundertelanger Wirkung. Erst seit dem 20. Jahrhundert hat dann fast jeder Amtsinhaber der Konklaveordnung neue Elemente hinzugefügt.

Das Schreiben verpflichtet die Papstwähler einzig auf ihr eigenes Gewissen; politische und familiäre Bindungen und Loyalitäten sollten keine Rolle mehr spielen. Förderlich dafür war, dass die Stimmen der Kardinäle nicht mehr öffentlich abgefragt wurden, sondern schriftlich und geheim abgegeben wurden. Qua Faltung und Siegelwachs war der Name des Wählers nicht für die Allgemeinheit sichtbar. Auch galt fortan die Regel: ein Kardinal, eine Stimme; Rangfolgen nach Bedeutung oder sozialer Stellung wurden eingeebnet.

Bild: ©picture alliance/AP Photo

Die Sixtinische Kapelle im Vatikan ist seit 400 Jahren der Ort des Konklaves.

Als Ort der Papstwahl wurde die Sixtinische Kapelle festgeschrieben. Unter dem Jüngsten Gericht Michelangelos musste jedem Wähler die Bedeutung seiner Gewissensentscheidung klar werden. Das Erreichen der Zweidrittelmehrheit beendete die Wahlgänge. Ein grundsätzlicher Unterschied zum heutigen Verfahren: Gelang der Kompromiss zur Findung nicht, konnten die Kardinäle ihr Stimmrecht auf eine kleine Gruppe von Wählern übertragen. Diese konnten entweder im Auftrag einen Kandidaten küren - oder aber ihn finden und zu einer neuerlichen Abstimmung im Plenum präsentieren.

Der Jesuit und Kardinal Robert Bellarmin (1542-1621), 1930 heiliggesprochen, hatte 1620 einen frommen, geradezu gegenreformatorischen Vorschlag unterbreitet - der freilich nicht zum Zuge kam. Ihm schwebte vor, das Konklave zu einer Form von festlichem Gottesdienst zu machen. Die Wahl des Stellvertreters Christi auf Erden sollte in dessen "Realpräsenz" stattfinden, also mit der geweihten Hostie in einer Monstranz auf dem Altar der Sixtina. Noch krasser war die Idee, die Wahl in Gegenwart der Leiche des Vorgängers stattfinden zu lassen - mit allen olfaktorischen Begleiterscheinungen.

Päpste steuern gegen Überhöhung des Petrusamtes

Beides hätte, wie der Kirchenhistoriker Hubert Wolf betont, eine Art grundlegende Wesensveränderung des Kandidaten, theologisch "Transsubstantiation" genannt, zumindest angedeutet: Aus dem wählbaren Kardinal wird der Stellvertreter Christi. Eine Sakralisierung des Amtes, wie sie vor der umstrittenen Erklärung der päpstlichen Unfehlbarkeit beim Ersten Vatikanischen Konzil 1870 der Genfer Weihbischof Gaspard Mermillod (1824-1890) schwärmerisch als dreifache Inkarnation Christi beschrieb: im Kind von Bethlehem, im Heiligen Brot der Eucharistie und schließlich im greisen Papst in Rom.

Dass zuletzt mit Benedikt XVI. 2013 erstmals seit Jahrhunderten ein Papst zurücktrat und mit Franziskus ein weiterer verstärkt auf Synodalität setzt, um die Machtverhältnisse zwischen Papst, Bischöfen, Priestern und Laien in der Kirche neu auszutarieren, mag man als Pendelschläge dafür werten, dass die Stellvertreter des 21. Jahrhunderts zumindest versuchen, der Überhöhung des Papsttums seit Pius IX. (1846-1878) entgegenzusteuern. Wenn auch zum Preis der eigenen Autorität.

Von Alexander Brüggemann (KNA)