Wie eine "typische Innenstadtpfarrei" die Tradition hochhält
Der Kirchturm von St. Peter prägt das Stadtbild in München: kaum eine Luftaufnahme, auf der nicht der eckige und markante "Alte Peter" neben den beiden Türmen der Frauenkirche und dem Münchner Rathaus in den Himmel ragt. Drinnen zieren prächtige Fresken die Decke, große Statuen der Zwölf Apostel säumen das Mittelschiff hin zum Hochaltar. Auf diesen strebt der ganze Bau hin, dort ist der Bischofsstuhl des heiligen Petrus dargestellt. St. Peter ist eine Kirche mit Tradition: Die dortige Pfarrei gilt als älteste in ganz München, ihr frühester Bau enstand vermutlich im 12. Jahrhundert. Und die Tradition hat sich die Pfarrei bis heute bewahrt. In der Gemeinde legt man Wert auf gewachsene Ausdrucksformen katholischen Glaubens. So feiert die Gemeinde etwa jeden Sonntag das Pfarramt in lateinischer Sprache, der Priester zelebriert am Hochaltar, die Musik ist klassisch, der gregorianische Choral wird gepflegt. Am Ende der Messe spendet der Priester den eucharistischen Segen.
Nur in sehr wenigen Gemeinden hierzulande wird so Gottesdienst gefeiert. In den allermeisten Pfarreien wurde Latein nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzil als Gottesdienstsprache durch Deutsch ersetzt. Ein Anliegen des Konzils war es, die Messe durch das Verwenden der Muttersprache für die Gläubigen verständlicher zu machen. Viele weitere Traditionen haben in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls abgenommen oder sind ganz verschwunden – etwa die Kommunion an den sogenannten "Kommunionbänken", die das Kirchenschiff vom Altarbereich trennen, oder der sonntägliche Weihwasserritus am Beginn der Messfeier.
Traditionelle Elemente
In St. Peter haben sich traditionelle Elemente gehalten. Warum, kann sich auch Pfarrer Daniel Lerch nicht genau erklären. Möglicherweise spielt die Architektur der Kirche eine Rolle, überlegt der Priester: Vielleicht würde in diesen Kirchenraum ein Volksaltar nicht ganz so gut passen wie anderswo. Die ursprünglich gotische Kirche wurde im Spätbarock umgestaltet, im Zweiten Weltkrieg aber beinahe völlig zerstört. Der Abriss war bereits geplant, nur Turm und Chor sollten als Denkmal bestehen bleiben. Das aber konnte schließlich doch verhindert werden – und in kurzer Zeit wurde die Kirche wieder aufgebaut. Dass sie das geschafft haben, machte die Münchner stolz. Pfarrer Lerch vermutet, auch das könnte die Motivation gedämpft haben, nur wenige Jahre später wieder zu Baumaßnahmen zu greifen, um den Altarraum umzugestalten und einen Volksaltar zu errichten. Letztlich dürfte es aber nicht nur an der Architektur liegen, dass sich in St. Peter eine traditionelle Liturgie gehalten hat.
"Bei uns in St. Peter erlebt man die Messe des Zweiten Vatikanischen Konzils, man erlebt die Messe, die die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium beschrieben hat", sagt Daniel Lerch. So sieht das Konzilsdokument zwar vor, dass die einzelnen Landessprachen Einzug in die liturgischen Feiern halten sollen – Latein sei aber nicht abgeschafft worden, betont der Priester. Er schätzt gerade das verbindende Element des Lateinischen: "Es ist ein großer Vorteil, dass wir eine weltumfassende Kirche sind – und es ist ein Vorteil, dass wir eine gemeinsame Liturgiesprache haben."
Doch die Pfarrei feiert nicht nur auf Latein. Neben der Hauptkirche gehören einige Nebenkirchen zur Pfarrei – darunter etwa die berühmte Asam-Kirche in der Sendlinger Straße. Die vielen Nebenkirchen haben ein ganz eigenes Profil. In den meisten von ihnen wird Gottesdienst gefeiert, wie man es auch aus vielen anderen Gemeinden kennt. Und auch in St. Peter selbst werden viele Messen auf Deutsch zelebriert. Pfarrer Lerch ist diese Ausgewogenheit wichtig: "Wir haben ein breites liturgisches Angebot."
"Wir sind eine typische Innenstadtpfarrei"
Lerch ist seit rund einem Jahr für die Münchner Innenstadtpfarrei zuständig, zuvor war er elf Jahre lang Jugendpfarrer und Präses des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum München und Freising. Gerade der Jugendverband BDKJ steht nicht gerade für konservative Liturgie und traditionelle Gottesdienste. Doch Lerch trägt die traditionellere Messfeier mit und steht mit Überzeugung hinter ihr. Dabei geht es natürlich auch in seiner Gemeinde nicht nur um Liturgie. "Seit einem Jahr sind wir als Pfarrei Teil der Innenstadtpastoral. In unserem Team ist eine neue City- und Tourismusseelsorgerin angestellt." Die Pfarrei fragt sich, welche Aufgabe sie mitten in einer pulsierenden Innenstadt hat. Das betrifft auch karitative Fragen wie etwa die Arbeit mit obdachlosen Menschen. "Wir sind also eine typische Innenstadtpfarrei", so der Geistliche.
Dennoch: Viele Gläubige gehen gerade wegen der konservativen Liturgie nach St. Peter. Obwohl die Kirche in direkter Nähe zur Fußgängerzone liegt und nur gut 2.000 Katholiken offiziell zur Gemeinde gehören, kann sich Pfarrer Lerch laut eigenen Angaben nicht über schlechten Kirchenbesuch beschweren – ganz im Gegenteil. Trotzdem möchte der Priester eben nicht nur die konservativen Gläubigen erreichen. Er meint: Konservativ und liberal seien Schlagwörter geworden, die immer mehr auch zu Ausgrenzungen innerhalb der Kirche führen. Das müsse aber nicht so sein. Seine Pfarrei will zeigen, dass es auch anders geht, indem verschiedene Ausdruckformen des einen katholischen Glaubens einen Raum haben dürfen: "Ich glaube, wir leisten hier einen Dienst an der Einheit. Die gegenseitige Bereicherung und Vielfalt ist ein großer Schatz für unsere Kirche."
Eine weitere Besonderheit unterstreicht das traditionelle Profil von St. Peter: In einer der Nebenkirchen, der Damenstiftskirche St. Anna, feiert die Petrusbruderschaft täglich die Messe im alten Ritus, also nach dem Messbuch, das vor den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils verbindlich galt. Zwei der Brüder sind der Pfarrei als Priester zugewiesen, dadurch wird die Feier der "Alten Messe" in das Gemeindeleben eingebunden. Wichtig ist dem Pfarrer auch hier, dass eine Einheit gelebt wird. Die Gläubigen, die in die "Alte Messe" gehen, seien auch dem neuen Ritus verbunden: "Fast alle Gläubigen, die regelmäßig in die Damenstiftskirche gehen, besuchen auch den neuen Ritus in St. Peter."
Erst jüngst waren die Debatten um den vorkonziliaren Ritus wieder aufgeflammt. Mit seinem Motu proprio "Traditionis custodes" hatte Papst Franziskus unterstrichen, dass die einzige Ausdrucksform des "lex orandi" der Kirche der Ritus ist, der sich aus den durch das Zweite Vatikanische Konzil reformierten Messbüchern ergibt. Jeder Diözesanbischof kann die Feier der Alten Messe zwar erlauben, muss dies aber nicht. Für die Feier der Alten Messe in München führte dies aber nicht zu Problemen: Die Petrusbrüder dürfen dort weiter nach dem Messbuch von 1962 zelebrieren.
Standortfaktor Innenstadt
Profil und Angebot von St. Peter dürften gerade wegen der Lage mitten in der Großstadt funktionieren. Hierher kommen Menschen aus ganz München und der Region. Neben den vielen Herausforderungen, die das für die Seelsorge bedeutet, sieht die Gemeinde vor allem eine Chance: Menschen in feierlicher und traditioneller Liturgie eine Heimat zu geben. Was in einer kleineren Pfarrei womöglich nicht funktionieren würde, kann in der Großstadt angeboten werden: Durch die vielen Nebenkirchen, aber auch durch zahlreiche weitere Pfarreien in unmittelbarer Nähe können die Gläubigen wählen, welchen Gottesdienst und welche Liturgie sie bevorzugen.
Pfarrer Lerch fällt vor allem der Altersschnitt in den Gottesdiensten auf. Gerade die Alte Messe ist besonders bei jungen Katholikinnen und Katholiken aus der Stadt beliebt. "Das jüngste Gottesdienstpublikum in ganz München finden Sie in der Alten Messe." Das könnte daran liegen, vermutet der Priester, dass vor allem junge Menschen nach einer gewissen Klarheit suchen – auch in der Ausdrucksform. Und schließlich findet auch Lerch selbst, die Alte Messe habe etwas Meditatives. Immer wieder sei Stille, weil der Priester nur ganz leise bete. Das, so Lerch, eröffne auch den Raum für das eigene Gebet während der Messe.