"Gott kann nicht auf ein Geschlecht festgelegt werden"

Evangelische Ratsvorsitzende Kurschus will Gott nicht gendern

Veröffentlicht am 21.11.2021 um 13:27 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Jugendverbände hatten kürzlich Diskussionen darüber angestoßen, "Gott*" künftig mit Genderstern schreiben zu wollen. Die neue EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus lehnt das ab. Offener äußerte sie sich zum Thema Suizidbeihilfe und Corona-Pandemie.

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Die neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, sieht für sich keinen persönlichen Grund, das Wort "Gott" zu gendern. "Gott kann nicht auf ein Geschlecht festgelegt werden. Diese Offenheit wird schon in der Bibel deutlich", sagte sie im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Anrede "Gott" sei aus ihrer Sicht offen genug. Katholische Jugendverbände hatten Überlegungen veröffentlicht, das Wort "Gott" mit Gendersternchen oder Genderkreuzchen zu verwenden.

Auf die Frage, ob sie in ihren Texten gendern werde, sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen: "Ich variiere und experimentiere. In der Regel kombiniere ich weiterhin die weibliche und die männliche Ansprache. Inzwischen benutze ich auch manchmal das Sternchen, mache also eine kurze Pause beim Sprechen." Wichtig sei ihr, dass sie durch ihre Anrede niemanden ausschließe.

Suizidbeihilfe in "Grenzsituationen" denkbar

Mit Blick auf die umstrittene Suizidbeihilfe hält Kurschus diese in evangelischen Einrichtungen in "absoluten Ausnahmesituationen" und "einzelnen Grenzsituationen" für denkbar. Grundsätzlich gelte, dass der assistierte Suizid "kein reguläres Angebot in unseren Einrichtungen" sein könne. "Darauf muss sich jeder Mensch verlassen können, der sich einer kirchlichen oder diakonischen Einrichtung anvertraut."

Debatte um Suizidbeihilfe: Eine Belastung für die Ökumene?

Evangelische Theologen haben jüngst dafür plädiert, Suizidbeihilfe in Deutschland zu erlauben – auch in kirchlichen Einrichtungen. Neben innerevangelischen Debatten hat der Vorstoß scharfe Kritik aus der katholischen Kirche geerntet. Droht eine dauerhafte Belastung der Ökumene?

Es gebe aber Situationen, in denen das Leben so unerträglich werde, dass es ein Mensch beim besten Willen nicht mehr aushalten könne, so die Ratsvorsitzende weiter. In solchen Situationen halte sie es für eine christliche Pflicht, "den Menschen, der nicht mehr leben kann, auch in seinem verzweifelten Sterbewunsch nicht im Stich zu lassen." Die katholische Kirche lehnt Suizidbeihilfe in ihren Einrichtungen kategorisch ab. In der evangelischen Kirche gibt es dazu unterschiedliche Positionen.

"Das Christentum geht nicht unter, weil unsere Gesellschaft vielfältiger wird"

Die Ratsvorsitzende wandte sich in dem Interview gegen Ängste, dass die christliche Identität Europas durch die Einwanderung von Muslimen gefährdet wird. "Unser christlicher Glaube gerät nicht durch die Begegnung mit anderen Religionen in Gefahr. Wir sollten ihn klar erkennbar leben", sagte sie. "Das Christentum geht nicht unter, weil unsere Gesellschaft vielfältiger wird." Die Angst um das sogenannte christliche Abendland treffe sie darüber hinaus eher bei Menschen an, die "in den Inhalten des Christentums wenig sattelfest sind".

Kurschuss verteidigte das kirchliche Engagement bei der Seenotrettung. Zwar lasse sich nicht gänzlich ausschließen, dass davon auch Schleuser profitierten und Flüchtlinge angelockt würden. Allerdings sprächen etliche Studien gegen den Pull-Effekt. "Der befürchtete Nebeneffekt darf kein Anlass sein, mit dem Einsatz für Menschlichkeit und der konkreten Hilfe aufzuhören."

Angesichts der immer dramatischer werdenden Corona-Pandemie hält Kurschus es auch für möglich, dass Ungeimpfte von Gottesdiensten ausgeschlossen werden. Von ihrem Auftrag her sei die Kirche für alle Menschen da. "Das ist in der derzeitigen Lage der Pandemie nicht leicht durchzuhalten." Derzeit setze die Kirche auf die bewährten Hygienekonzepte und vielerorts auch auf 3G. "Sollte sich die Lage dramatisch zuspitzen, müssen wir auch über 2G nachdenken." (cbr/KNA)