Pfarrer und Autor Kurte: Die Priesterschaft war und ist sehr bunt
Necrologien – also Totenbücher – gibt es seit Jahrhunderten. Sie wurden und werden auch für Priester angelegt. Doch im Erstbistum Paderborn klaffte lang eine Lücke: Denn das bislang erarbeitete "Necrologium Paderbornense" reichte nur bis 1930. Der Brakeler Pfarrer Andreas Kurte hat nach vielen hundert Stunden Arbeit diese Lücke mit seinem "Necrologium Paderbornense II" gefüllt. Er verzeichnet die Namen und Biogramme von 3.500 Priestern des Erzbistums Paderborn, die in den Jahren 1930 bis 2020 verstorben sind. Im Interview erzählt er von seiner Arbeit und der Bedeutung eines Necrologiums.
Frage: Herr Kurte, wie sind Sie auf die Idee zum zweiten Teil des Necrologiums gekommen?
Kurte: Während meines Studiums habe ich viele kirchengeschichtliche Vorlesungen und Seminare bei dem damaligen Paderborner Kirchenhistoriker Karl Hengst besucht. Der drückte mir irgendwann ein Buch in die Hand mit dem Hinweis, dass das für die Forschung unerlässlich wäre. Es war das Necrologium Paderbornense von Wilhelm Liese aus dem Jahr 1934. Zuerst habe ich mich gefragt, was ich damit denn machen soll. Aber irgendwann habe ich auch bei meiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit gemerkt: Wenn es um die Priester im Erzbistum Paderborn zwischen 1822 und 1930 geht, komme ich an diesem Buch nicht vorbei. Später bekam ich dann mit, dass die Arbeit von Liese nicht weitergeführt wurde. Er endet 1930. Da ich 13 Jahre lange Personalchef im Generalvikariat war und historisch interessiert bin, habe ich da eine Chance gesehen: Ich hatte Zugriff auf alle Personalakten im Archiv – und wenn ich es nicht mache, macht es niemand. Daraus ist die Idee gewachsen, mich hinzusetzen und das Necrologium Paderbornense fortzusetzen.
Frage: Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
Kurte: Natürlich, der Leserkreis für ein solches Buch ist beschränkt. Ich halte es aber dennoch für wichtig, die Erinnerung an die Verstorbenen aufrecht zu erhalten. Deswegen wird ja in jeder Messe der Verstorbenen gedacht. Necrologien haben in der Kirche eine lange Tradition, um Namen und Erinnerungen festzuhalten. So können Interessierte alte Priester ihrer Pfarrei nachschlagen, um sich an sie zu erinnern. Zudem kann es für Menschen in der Wissenschaft eine große Hilfe sein.
Frage: Was unterscheidet Ihren zweiten Band vom ersten?
Kurte: Ich habe mich am Aufbau von Liese orientiert, der nach einem bestimmten Schema jedes Biogramm aufgebaut hat. Das habe ich übernommen, um den Charakter einer Fortsetzung deutlich zu machen. Ergänzt habe ich Quellen und Literaturhinweise sowie den Hinweis, ob es von diesem Priester ein Foto gibt. Denn ich habe immer wieder erlebt, dass im Generalvikariat Leute angerufen haben, die eine Gemeindefestschrift schreiben wollten und dafür Informationen über ihre alten Pfarrer brauchten. Dieses Buch dient den historisch Interessierten als Nachschlagewerk, aber auch dem Erzbistum als Erinnerung an die verstorbenen Priester der vergangenen 90 Jahre.
Frage: Was für Informationen stehen da denn drin?
Kurte: Name, Name und Beruf der Eltern, wann und wo er geboren wurde, zur Schule gegangen, zum Priester geweiht, gestorben und begraben ist. Dann gibt es einen großen Block mit den Seelsorgestellen, wann er wo tätig war und ob er Ehrentitel oder Orden verliehen bekommen hat. Danach kommen Quellen- und Literaturangaben, also woher ich meine Informationen habe, etwa aus Personalakten oder Festschriften.
Frage: Was haben diese Geschichten Ihnen erzählt?
Kurte: Als langjähriger Personalchef ist mir aufgefallen, wie bunt der Klerus auch damals schon gewesen ist. Die unterschiedlichsten Lebensläufe haben wir heute und die hatten wir auch früher schon. Wir haben da Leute, die sich schon immer mit Gemeinden angelegt haben und wo es dann auch eine ganze Reihe Beschwerden gab. Daneben gibt es aber auch eine ganze Reihe von Priestern, die viel für die Erzdiözese geleistet haben, sei es in der Wissenschaft oder in der Seelsorge. Da gibt es immer noch Namen, die in den Gemeinden hochgeschätzt werden. Ich höre immer wieder, dass sich Leute noch an den alten Pastor erinnern, der eine gute, solide Seelsorgearbeit geleistet hat.
Zudem habe ich ja mit dem Nationalsozialismus und den Nachkriegsjahren eine spannende Zeit bearbeitet. Da ist mir bewusst geworden, wie viele Diözesanpriester auch in unserem Erzbistum Paderborn während der Nazizeit Repressalien ertragen haben, seien es Verhöre oder Verwarnungen bis hin zu Deportationen in Konzentrationslager. Zudem war es mir wichtig, die Priester aufzunehmen, die aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach 1945 in das Erzbistum gekommen sind – und das ist eine ganze Reihe. Die haben hier oft noch jahrelang als Seelsorger gewirkt.
Frage: Konnten Sie auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen? Einige der Leute in dem Buch werden Sie ja persönlich gekannt haben.
Kurte: Ich bin selbst seit 31 Jahren Priester und da stehen natürlich auch Leute drin, die mich auf meinem Weg begleitet haben oder wo sich die Wege gekreuzt haben. Das war dann für mich auch nochmal schön, mich an diese Priester zu erinnern.
Frage: Was sagen Ihnen die Lebensläufe der Priester?
Kurte: Ich habe mich der Interpretation enthalten und nur Fakten zusammengetragen. Es wäre eine neue Forschungsaufgabe, sich die Lebensläufe anzusehen und Änderungen im Zeitverlauf herauszuarbeiten.
Buchtipp
Andreas Kurte: "Necrologium Paderbornense II – Totenbuch Paderborner Priester 1930 bis 2020", Bonifatiusverlag 2021