Lichter in der Dunkelheit: Von Hoffnungsmomenten in der Seelsorge
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"Jetzt fahre ich den Bus"
Vor einiger Zeit habe ich eine junge Frau begleitet, die sich über die Online-Seelsorge im Bistum Münster an mich gewandt hatte. Es fiel ihr zunächst schwer, ihr Anliegen in Worte zu fassen. Sie fühlte sich nicht geliebt, war einsam, suchte Trost für eine Trauer, die sie nicht an ein bestimmtes Ereignis festmachen konnte, als Gefühl aber übermächtig war und sie häufig zum Weinen brachte.
Wir schrieben einige Male hin und her und langsam entwickelte sich bei mir das Bild einer Frau, die schon viele Herausforderungen in ihrem Leben gemeistert hat: Familiäre Probleme, Krankheiten, Todesfälle, Jobverlust– fast schien es, als bestimme nicht sie ihr Leben, sondern das Leben dränge sich ihr in Form von Schicksalsschlägen regelrecht auf. Sie selbst beschrieb es so: "Ich sitze ganz allein im Bus und kann dem Busfahrer nicht sagen, dass er einen anderen Weg nehmen soll."
Das Bild vom Bus prägte unsere nächsten Gespräche. In ihren Mails füllte die junge Frau den Bus mit Menschen, die sie gerne an ihrer Seite hätte, Tote wie Lebende, und es war zu spüren, wie gut es ihr tat, dass es durchaus Menschen gibt, die ihr nahestehen, auch wenn sie dies in ihrem stressigen Alltag zuletzt übersehen und Kontakte vernachlässigt hatte.
Hatte die Frau noch zu Beginn innerhalb weniger Tage geantwortet, so wurden die Abstände ihrer Nachrichten allmählich länger – bis sie sich schließlich verabschiedete. Ihr letzter Satz lautete: "Jetzt fahre ich den Bus."
Der Kontakt mit der Frau hat mich sehr berührt. Wer möchte nicht am Steuer seines Lebens sitzen und frei entscheiden, welche Wege das Leben nehmen soll, gemeinsam mit Menschen, die einen begleiten und unterstützen? Zu erleben, wie die junge Frau sich wieder selbst wirksam und als Gestalterin ihres Lebens erlebte, hat mir Hoffnung geschenkt – und mich ganz persönlich daran erinnert, dass ich mein Leben in der Hand habe, im Vertrauen darauf, dass Gott alle meine Wege kennt und mit mir geht (vgl. Psalm 139,3).
Von Stefanie Uphues
Mitgeschleppte Bilder von Gott
Meine Hoffnungszeichen in der Internetseelsorge sind, wenn Menschen, die bei mir anfragen, plötzlich merken, wie viel Kraft in ihnen selbst steckt. Wenn ich mit ihnen gemeinsam auf die Suche gehe und sie bestärken kann, dass sie gute Seiten an sich entdecken. Das können ganz einfache Sachen sein, die einfach durch die Belastung aus dem Blick geraten sind, wie der Blick in die Natur, auch die Bewegung beim Laufen draußen oder das neue Entdecken der eigenen Grenzen.
Und wirkliche Sternstunden sind für mich, wenn wir in einen Austausch kommen über unterschiedliche Bilder, die sie und ich von Gott haben. Das ist nicht immer leicht, weil sich solche Bilder von Gott aus der Kindheit eingeprägt haben, die in der Erziehung verwendet wurden. Gerade ältere Menschen schleppen diese Bilder mit sich herum von einem strafenden Gott, der alle und alles im Blick hat. Manchmal tun sich dann Fenster auf, die vorher noch gar nicht im Blick waren und ich kann biblische Gottesbilder dazu legen, die einen mitgehenden, einen zuwendenden Gott beschreiben. Das wird dann als richtig befreiend erlebt – für mich mit der Gewissheit, dass nicht ich dafür etwas tue, sondern dass Gott schon längst mit diesen Menschen unterwegs ist.
Oft ist es auch in dieser schriftlichen Kommunikation einfach nur ein gemeinsames Aushalten, dass das Leben so ist, wie es ist, egal ob das jetzt die trauernde Witwe ist, die in der Corona-Zeit diese Einsamkeit verkraften muss oder jemand, der in seiner Not und seiner (psychischen) Erkrankung keinen Ausweg mehr sieht. In diesen Situationen dabei zu bleiben und da zu sein, sehe ich als Aufgabe und Hoffnungszeichen der Seelsorge und für mich mit einer Ahnung, dass Gott gerade da mit dabei ist.
Von Walter Lang
"Ich lasse mich von dem Schmerz berühren und fühle wieder"
"Sternenkinder", so nennt man Kinder, die tot auf die Welt kommen, oder nach der Geburt sterben. Es gibt Schwangerschaften, da hört das Leben im Mutterleib auf. Im frühen Stadium spricht man von einer Fehlgeburt. Der Begriff "Fehlgeburt" weist aber nicht auf einen Fehler hin, sondern bezieht sich auf das Fehlen des lebenden Kindes. In einer fortgeschrittenen Schwangerschaft werden diese Kinder in einer sogenannten "stillen Geburt" von der Mutter auf die Welt gebracht. Für Mütter ist es ein traumatisches Erlebnis, wenn das eigene Kind stirbt, egal wie lange es gelebt hat.
Eine 27-jährige Frau – nennen wir sie Klara – schrieb in ihrer ersten Mail an mich: "Ich bin verzweifelt, mein Kind ist tot und ich bin schuld." Klara gab sich die Schuld, weil sie glaubte, ihr Körper wäre nicht stark genug gewesen, das Kind auszutragen. Aus diesem Grund wollte sie auch nicht an der Verabschiedungsfeier für Sternenkinder teilnehmen. Sie glaubte, kein Recht dazu zu haben. In vielen Mailkontakten haben wir Rituale entwickelt, wie Klara ihre Schuldgefühle ablegen kann. Diese Rituale halfen ihr auch, an der Verabschiedungsfeier für ihr Kind teilzunehmen. In einer Mail schrieb sie: "Ich mache mich mit meinem Kind vertraut. Ich lasse mich von dem Schmerz berühren und fühle wieder." Klara hat etwas Entscheidendes für sich erkannt: Nur wenn sie den Schmerz zulässt, kann sich ihre Trauer wandeln.
"Hoffnung schenken", zu Beginn war ich diejenige, die für Klara eine Fürsprecherin der Hoffnung war. Ich begleitete sie durch eine Zeit, die sehr hoffnungslos erschien. Ich "war mit ihr", nicht mehr und nicht weniger. Klara hat sich ihrer Trauer gestellt. Mit ihrer ersten Mail an die Internetseelsorge ist sie aktiv geworden. Durch diese Aktivität ist sie wieder ins Tun und Fühlen gekommen. Die Trauer um den Verlust ihres Kindes wird bleiben, aber sie hat neue Hoffnung für ein Leben mit ihrem Sternenkind bekommen. Klara – eine dieser bewundernswerten Frauen, die mich dankbar und demütig werden lassen.
Von Elke Schnyder
Aktion #jetzthoffnungschenken
Die Zahlen sind erschreckend: Jede vierte Person in Deutschland fühlt sich einsam. Und es sind nicht nur ältere Menschen betroffen. Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft. Dabei reichen oft nur kleine Gesten wie ein Lächeln, ein freundliches Wort, ein offenes Ohr oder etwas Zeit, um seinem Gegenüber Hoffnung zu schenken. Mit der Aktion #jetzthoffnungschenken will das Katholische Medienhaus in Bonn gemeinsam mit zahlreichen katholischen Bistümern, Hilfswerken, Verbänden und Orden im Advent 2021 einen Beitrag gegen Einsamkeit leisten. Erfahren Sie mehr auf jetzthoffnungschenken.de.