Barocke Perle mit internationaler Familiengeschichte

"Welsche Nonnen"! – Eine der originellsten Kirchen im Bistum Trier

Veröffentlicht am 10.12.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Trier/Luxemburg ‐ Die Trierer Welschnonnenkirche ist speziell – und das nicht nur wegen des Namens "Welschnonnen". Das barocke Kleinod hat nämlich eine "Zwillingsschwester" im benachbarten Luxemburg. Die gemeinsame DNA führt allerdings nach Lothringen.

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Es ist das Ende des 16. Jahrhunderts: Im lothringischen Mattaincourt wird die Congrégation Notre-Dame gegründet. Sie soll ein pädagogisches Instrument der Gegenreformation sein. Impulsgeber war Pierre Fourier (1565-1640), dessen Fest die katholische Kirche traditionell am 9. Dezember feiert. Im Bistum Trier begeht man den Gedenktag des Geistlichen, der 1589 in der Porta Nigra der ältesten Stadt Deutschlands zum Priester geweiht wurde, traditionell einen Tag später.

Nach dem jesuitischen Vorbild entwirft der spätere europäische Heilige Pierre Fourier das wohl erste europäische Bildungsnetzwerk für die weibliche Jugend. Dass sich der Schwerpunkt der Congregatio Beatae Mariae Virginis aus dem geopolitisch schwierigen Kontext Lothringens Richtung Luxemburg verlagern wird, ist nicht zuletzt der Verdienst von zwei adligen Frauen aus der südlichsten Provinz der spanischen Niederlande: Marguerite de Wiltheim-Busbach und Anne-Marie de Mansfeld nehmen Kontakt mit dem Ordensgründer aus Mattaincourt auf, um der weiblichen Jugend Luxemburgs eine kostenfreie Schulausbildung zu gewähren. Pierre Fourier mahnt die Schwestern, die er 1627 nach Luxemburg schickt, diese müßten sich einstellen "ohne Brot, ohne Zucker, ohne Konfitüre, ohne Hühner und ohne Schafe" auszukommen.

Dennoch bringt die erste Niederlassung ausserhalb Lothringens reiche Frucht: Von Luxemburg aus "exportieren" die Welschnonnen, wie die Congrégation Notre-Dame wegen der "welschen" Herkunft der Schwestern in deutschen Landen genannt wird, das Fourier-Modell nach Trier.

Bild: ©Adobe-Stock/oha

Neue Ideen für das altehrwürdige Bistum: Die "Welschen Nonnen" ziehen nach Trier.

Erste Oberin und erste Novizin des Trierer Welschnonnenklosters stammen aus Luxemburg. Wenn immer wieder Schwestern aus dem Herzogtum Luxemburg in Trier als Novizinnen aufgenommen werden - noch im Jahr 1857 tritt eine Schwester aus Luxemburg ein -, so zeugt dies von einem natürlich fließenden religiös-kulturellen Grenzverkehr. Viele Abteien aus Kurtrier hatten ihre größten Ländereien im Luxemburgischen und die Trierer Weihbischöfe zeichneten im deutschsprachigen Teil des Herzogtums Luxemburg für Weihehandlungen verantwortlich.

"Teutsch- und französische sprach" im Gepäck der Schwestern

In Sachen Unterricht hat man in der Trierer Welschnonnenschule auch die französische Sprache eingeführt, weil "in diesem Land die französische Sprache allen Familien, hochgestellten und einfachen, wegen der angrenzenden französischen, luxemburgischen und lothringischen Lande sehr nötig ist". Bereits der Trierer Kurfürst Kaspar von der Leyden würdigt 1672 die "underweissung der Jugendt Weiblichen geschlechts in Teutsch- und französischer sprach" im Welschnonnenkloster. Diese duale Ausbildung im Trierer Konvent muss wohl auch Napoleon beeindruckt haben, dass er im Gegensatz zu anderen geistlichen Institutionen das Welschnonnenkloster nicht aufheben lässt.

Die Proximität zu Luxemburg und der rege Austausch mit dem Mutterhaus in Luxemburg spiegelt sich auch beim Bau der Kongregationskirche wider. Unter den Stiftern fungiert der Echternacher Abt Benedikt Zender, der im Jahre 1701 sogar vom Luxemburger Provinzialrat zum ersten Bischof von Luxemburg vorgeschlagen wird. Das Zendersche Wappen ziert bis heute ein Fenster der Trierer Welschnonnenkirche, die eine "Zwillingsschwester" in Luxemburg hat.

Welschnonnenkirche 2.0

Die zwischen 1714 und 1717 errichtete Welschnonnenkirche in der Trierer Flanderstraße sowie die zwischen 1739 und 1742 errichtete Kongregationskirche in Luxemburg weisen klare architektonische Parallelen auf und zeugen vom reichen künslerischen Austausch zwischen Kurtrier und dem damaligen Herzogtum Luxemburg. Die heutige protestantische Kirche in Luxemburg ist dabei eines der gültigsten Zeugnisse, wie sich die sakrale Architektur einer Trierer Kirche quasi identisch in Luxemburg widerspiegelt. Die Welschnonnenkirche Maria Himmelfahrt und die ehemalige Dreifaltigkeitskirche der Fourier-Schwestern sind herausragende spätbarocke Denkmäler, deren Bausubstanz erhaltenswürdig ist und ein Stück gemeinsames Kulturgut innehat. Die architektonische Handschrift des Trierer Augustinerbruders Joseph Walther ist deutlich spürbar.

Der einfache Baukörper mit seinem Giebel, der Satteldach und der zierliche Dachreiter weisen einen höchst interessanten architektonischen Parallelismus auf. Der oktogonale Dachreiter mit seinen zwei Galerien ist im Stadtbild beider Städte unverkennbar. Während die barocke "welsche" Haube der Welschnonnenkirche mit einer Windfahne bestückt ist, die ein Mädchen mit ausgebreiteten Armen darstellt, so ist ein vergoldeter Petrus-Hahn in Luxemburg zu sehen.

Identisch ist bei den "Zwillingskirchen" ein Kuriosum: die Gruft der Nonnen. Die unter dem Eingangsbereich befindliche Nekropole der Schwestern ist in Trier "leider bei der letzten großen Restaurierung mit einer Betondecke verschlossen worden" und somit nicht zugänglich. An gleicher Stelle wie in dem Trierer Kirchenbau befindet sich in der heutigen protestantischen Kirche die Gruft der Schulschwestern, die 1939 bei Bauarbeiten wiederentdeckt und restauriert wurde.

In Trier sind die Namen der 141 Schwestern, die zwischen 1717 und 1875 in der Gruft begraben sind ebenfalls – nach Luxemburger Vorbild - auf einer Gedenkplatte im Eingangsbereich festgehalten. Die Freilegung der Nonnengruft sowie deren wissenschaftliche Aufarbeitung stehen in Trier allerdings noch aus.

Bild: ©KNA / Michael Merten

Der heilige Pierre Fourier mit der Ordensregel in der Hand.

Wie in Luxemburg so dominiert auch in Trier die große Nonnenempore einen Großteil des Kirchenraumes. Ungeahnte Kostbarkeiten, die uns Auskunft darüber geben, wie der Psallierchor der Welschnonnen ursprünglich auch in Luxemburg angeordnet gewesen sein könnte, sind noch in Trier im Originalzustand anzutreffen: das großzügige Chorgestühl mit seinen Stallien, das Gitter und der sogenannte "Wallburga-Altar". "Der Einbau solcher hoch liegender Chöre in Nonnenkirchen hat eine lange Tradition und ist auch im alten Erzbistum Trier verbreitet" (Prof. Dr. Franz Ronig). Während in Trier eine Orgel aus den Jahren 1754-1757 der Gebrüder J.P. und J.H. Stumm die Empore ziert, so ist in Luxemburg ebenfalls ein Instrument aus der Manufaktur derselben Orgelbaufamilie aus dem Hunsrück – allerdings jüngeren Datums (1877) – anzutreffen. Beide Kirche sind bekannt für ihre ausgezeichnete Akustik.

In der ehemaligen Kongregationskirche in Luxemburg stand ein Hochaltar, der etliche Parallelen mit dem Hochaltar der Trierer Welschnonnenkirche aufzuweisen hat: zwei holzgeschnitzte – in Trier farbig gefasste –  Figuren des heiligen Augustinus mit einem brennenden Herzen und des heiligen Pierre Fourier mit der Ordensregel in der Hand. Zufall ist dabei eher die Tatsache, daß die Aufnahme Mariens in den Himmel in den beiden Altären dargestellt ist.

"Rettet die Welschnonnenkirche!"

Seit nunmehr einem halben Jahrhundert ist die Welschnonnenkirche in Privatbesitz und dient der 1610 gegründeten Marianischen Bürgersodalität Trier als Kongregationskirche. "Rettet die Welschnonnenkirche!", so lautete vor geraumer Zeit der Schlachtruf von Anton V. Wyrobisch, Präfekt der Marianischen Bürgersodalität Trier 1610 e.V., im Hinblick auf den tristen Zustand der stark renovierungsbedürftigen Kirche. Nicht weniger als 5.000 Patenschaften für die Aussensanierung und die Restaurierung des Satteldaches konnten inzwischen mobilisiert werden. "Für die Innensanierung fehlen uns allerdings noch Mittel, damit unsere altehrwürdige Welschnonnenkirche wieder in vollem Glanz erstrahlen kann", so Wyrobisch, der sich seit fast 10 Jahren für die denkmalgerechte Sanierung des Kleinods einsetzt.

Bild: ©Marc Jeck

Für die Rettung der Welschnonnenkirche mobilisierte Anton V. Wyrobisch nicht weniger als 5.000 Patenschaften – und ist noch lange nicht am Ziel. Sein unermüdlicher Einsatz wurde von höchster Stelle ausgezeichnet.

Dabei wurde dem ehemaligen Religionslehrer die historische Dimension der Kirche der Welschnonnen erst bewusst, als anlässlich des 400. Jubiläums der Gründung des Ordens der Congrégation Notre-Dame im Jahre 1997 Schwestern aus unterschiedlichen Ländern, wo der Orden heute noch seinem Bildungsauftrag nachgeht, in Trier zusammenkamen. "Als ich die vielen Nonnen vor der Kirche sah, bin ich in die Historie dieses Ortes förmlich eingetaucht", erzählt Anton V. Wyrobisch und sagt ergänzend: "Alles fing mit einem Schulprojekt im Rahmen des Austauschsprogramms 'denkmal aktiv' der Deutschen Stiftung Denkmalschutz an." Für seinen unermüdlichen Einsatz für die "Bettelbaustelle" Welschnonnen wurde dem Präfekten das Bundesverdienstkreuz verliehen sowie jüngst den Verdienstorden des Nachbarlandes Luxemburg. Als für die Verleihung des luxemburgischen "Ordre de mérite" Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) Anton V. Wyrobisch seinen Dienstwagen samt Chauffeur für die Fahrt nach Luxemburg angeboten haben soll, lehnte der bescheidene Präfekt der Marianischen Bürgersodalität dankend ab und hielt es stattdesen lieber mit dem heiligen Pierre Fourier: "Obesse nemini, omnibus prodesse" (Niemandem schaden, allen nützlich sein)!

Von Marc Jeck