Mainzer Bischof sieht ein Wirken ohne "große Schlagzeilen"

"Ungerecht" – Kohlgraf verteidigt Einsatz der Kirche in Corona-Krise

Veröffentlicht am 28.12.2021 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Hat sich die Kirche in der Corona-Pandemie zu sehr zurückgezogen? Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sieht das nicht so – und spricht im Interview auch über die Missbrauchsaufarbeitung und einen Gott mit Genderstern.

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Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat das Engagement der Kirche während der Corona-Pandemie verteidigt. Die Frage, wo die Kirche in der Pandemie sei, sei "ein wenig ungerecht", sagte der der Bischof am Montag im Interview des TV-Magazins "17:30 Live" auf Sat1. Denn die Kirche sei mehr als der Bischof, der jetzt gerade einmal im Fernsehen sitze. Die Seelsorge vor Ort, die persönlichen Begegnungen, die Krankenbesuche oder die Arbeit in den Kitas, Schulen und sozialen Einrichtungen gingen auch in der Pandemie weiter, produzierten aber keine großen Schlagzeilen. "Das ist Kirche, da sind Menschen sehr präsent – und zwar Haupt- und Ehrenamtliche."

Gleichzeitig räumte Kohlgraf ein, dass die Kirche in der Corona-Pandemie bei Fragen rund um die Liturgie und die Gottesdienste stärker gewesen sei als bei den sozialen Themen. Auch die Ausübung seines eigenen Amtes in dieser Zeit bezeichnete der Bischof als "schwierig". Zwar habe man in Sachen Digitalisierung einiges dazugelernt. Dennoch lebten die Kirche und sein Amt von Begegnungen. In der Vergangenheit hatte es mehrfach Kritik am Wirken der Kirche in der Pandemie und eine Diskussion um ihre "Systemrelevanz" gegeben. Unter anderem hatte der Journalist Heribert Prantl behauptet, die Kirche sei zu "kleinmütig und angepasst" gewesen.

Bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sieht der Bischof die katholische Kirche noch immer vor großen Herausforderungen. Denn es sei kein Thema der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart. "Noch immer geschehen Missbrauchstaten. Und wir haben noch immer mit Menschen zu tun, die betroffen sind." Jedem und jeder Einzelnen gerecht zu werden, sei die schwierige und herausfordernde Aufgabe. Man versuche das, so Kohlgraf. Man müsse aber auch sagen, dass es keine vergleichbare Großinstitution gebe, an der sich die Kirche orientieren könne. Auch der Staat oder andere externe Stellen, nach denen häufig gerufen werde, hätten wenig Erfahrung damit. "Wir versuchen aber, einen guten Weg gemeinsam mit Betroffenen, einer externen Aufarbeitungskommission, Staatsanwaltschaften und staatlichen Stellen zu gehen."

Gott mit dem Genderstern nicht zu fassen

Mit Blick auf die Diskussionen, das Wort Gott mit Genderstern zu schreiben, gibt sich der Bischof im Interview zurückhaltend. Auf der einen Seite finde er es gut, dass sich junge Menschen mit Gottesbildern und -vorstellungen auseinandersetzen. "Ich glaube, dass wir über Gott und was wir uns darunter vorstellen, viel zu selten reden", so Kohlgraf. Auf der anderen Seite könne man Gott aber nicht fassen. "Ich sehe ein wenig die Gefahr, dass man mit dem Genderstern meint: 'Wir haben ihn jetzt. Gott ist mehr als alle Geschlechter.'" Zwar sei Gott tatsächlich mehr als alle Geschlechterrollen. "Aber mit dem Genderstern bekomme ich ihn auch nicht gepackt. Daher lasse ich ihn weg." Die Katholische Studierende Jugend (KSJ) hatte die Diskussion im vergangenen Jahr mit der Ankündigung angestoßen, mit dem Genderstern "weg von dem strafenden, alten, weißen Mann mit Bart hin zu einer Gottes*vielfalt" kommen zu wollen.

In der Gesellschaft wie in der Kirche nimmt der Bischof insgesamt wahr, "dass die Nerven blank liegen, der Ton schärfer wird und sich Blasen einer bestimmten Wirklichkeitswahrnehmung bilden". Und jeder halte seine Wirklichkeit für die einzig richtige. Mit Blick auf die Corona-Diskussion wie auch die innerkirchlichen Debatten bete er daher für ein besseres Miteinander der Menschen und dafür, Gegensätze auch einmal auszuhalten. (bod)