Heiliger Geist, Stille, Glaube: Umriss einer Theologie der Synodalität
Mit der Ankündigung eines synodalen Prozesses für die gesamte Kirche ist es Papst Franziskus wieder einmal gelungen, die Christenheit zu überraschen. Zugleich setzt er auf diese Weise konsequent fort, was bereits sein gesamtes Pontifikat prägte. Gleich einem geistlichen Meister, der zuhört, wahrnimmt und das entscheidende Wort spricht – so blickt der Papst auf die Kirche und benennt die Aufgabe: Synodalität! Das Thema mag nicht wenigen wie ein aufgelegter Elfmeter erscheinen, doch empfiehlt es sich beim Verständnis der Intention des Papstes André Gides Wort zu beherzigen: "Verstehen Sie mich, bitte, nicht so rasch."
Die Ankündigung einer weiteren Bischofsynode im Jahr 2023 war kaum bekannt, da machte bereits das "Narrativ" vom Fragebogen die Runde. Wie schon bei den vorangegangenen Bischofssynoden solle das Volk zur Situation der Kirche befragt werden. Mit dieser ersten Einschätzung, die sich zuweilen hartnäckig festzusetzen scheint, sind allerdings die Intention des Papstes und das, was Synodalität bedeutet, nicht wirklich getroffen. Es geht um etwas Anderes, Tieferes.
Folgen wir dem Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos, so sind Kirche und Synodalität überhaupt Synonyme. Es geht um das ureigene Wesen von Kirche-Sein und darum, wie wir unsere Sendung als Getaufte heute leben und bezeugen sollen. Seiner eigenen Diözese hat der Papst als Bischof von Rom den bevorstehenden Prozess so dargelegt: "Dieser Weg ist als eine Dynamik des gegenseitigen Zuhörens konzipiert, ich möchte das unterstreichen: eine Dynamik des gegenseitigen Zuhörens, die auf allen Ebenen der Kirche stattfindet und das ganze Volk Gottes einbezieht."
Drei Aspekte dieser Dynamik möchte ich näher beleuchten.
Heiliger Geist
Im Zentrum des synodalen Geschehens steht der Heilige Geist. Papst Franziskus wird nicht müde, das zu betonen: "Der Protagonist der Synode ist der Heilige Geist." Darin findet sich zugleich das wesentliche Unterscheidungskriterium, "dass die Synode kein Parlament ist, dass die Synode keine Meinungsumfrage ist", sondern ein geistlicher Prozess des Zuhörens und der Unterscheidung, der ohne Furcht alles in den Blick nimmt, was sich zeigen möchte.
In unserem kirchlichen Leben, welches zuweilen einem Sitzungsmarathon gleicht, scheinen wir jedoch allzu oft den Heiligen Geist und sein Wirken als eine selbstverständliche Größe in all unserem Tun und Wirken zu betrachten. Doch damit wird der Protagonist gleichsam marginalisiert. Das Synodengebet ist daher kein spirituelles Accessoire, sondern ein Weckruf: "Wir stehen vor dir, Heiliger Geist, in deinem Namen sind wir versammelt." Darin liegt der eigentliche Anfang, wenn sich Einzelne, Gruppen, Familien, Pfarren und Diözesen auf der ganzen Welt fragen lassen: "Welche Schritte lädt der Heilige Geist uns ein, zu gehen, um in unserem 'gemeinsamen Gehen' zu wachsen?"
Auf dem Weg zu einer Kirche, die sich ihres synodalen Wesens bewusst ist, sind alle Ebenen und jede und jeder Einzelne herausgefordert, sich auf die passive Aktivität des Heiligen Geistes einzulassen, sich zugleich führen und antreiben zu lassen.
Die Heilige Schrift überliefert vom Apostelkonzil einen beeindruckenden Satz, der uns Hemmnis und Lockruf zugleich sein sollte: "Der Heilige Geist und wir haben beschlossen" (Apg 15,28). In meiner Erfahrung als Franziskaner, Priester und Bischof hat sich bei allem, auch von Gebet begleitetem Mühen diese Formulierung nicht aufgedrängt. Ganz bewusst gilt es, den Heiligen Geist in allen unseren Bemühungen aufrichtig zu suchen, um im Idealfall sagen zu können: "Der Heilige Geist und wir."
Stille
Um den Heiligen Geist vernehmen zu können, bedarf es der Stille. "Da schwieg die ganze Versammlung" berichtet wiederum die Apostelgeschichte (15,12). Klaus Berger schreibt in seinem letzten Buch mit dem Titel "Schweigen. Eine Theologie der Stille", welches posthum erschienen ist: "Der Heilige Geist ist radikal anders, er ist Schweigen dort, wo man vorher geredet hat."
Die Stille ermöglicht, dass der Heilige Geist Raum greifen kann. Dazu ist es notwendig, unseren oft wohlgemeinten oder auch aufgezwungenen Aktionismus bewusst zu unterbrechen und das, was uns begegnet oder aufgetragen ist, nicht nach dem Schema "wissen wir eh schon" abzuarbeiten. So empfiehlt Papst Franziskus: "eine Pause von unseren Abläufen einzulegen, unsere pastoralen Ängste abzustellen, um beim Zuhören zu verweilen: in der Anbetung und im Gebet auf den Geist zu hören". In der Stille erneuert sich die Sehnsucht nach Gott.
Glaube
Es ist der Glaube, der erinnert und in die ganze Wahrheit einführt, weil er innewerden lässt, was Gott immer schon getan und gewirkt hat. Die Kirche als Gemeinschaft aller Glaubenden ist leuchtendes Zeichen, ein Sakrament, eine Erinnerung, wie sehr Gott die Welt geliebt hat, "dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat" (Joh 3,16).
Der synodale Prozess ist eine Einladung, die Lebendigkeit dieser Erinnerung neu zu Bewusstsein zu bringen. "Gott ist da. Er hat sich nicht von der Welt zurückgezogen ... er ist doch da und kommt auf vielerlei Weise zu uns", so brachte es einmal Papst Benedikt XVI. ins Wort. Die Heilige Schrift und das Leben der vielen christlichen Generationen vor uns, bezeugen diese bleibende Anwesenheit Gottes in der Welt. "Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist" (Apg 5,32). Das gilt auch für unsere Generation. Insofern kann der synodale Prozess als eine Art Rechenschaftslegung verstanden werden: Was lässt sich gegenwärtig zur Lage des Glaubens in unserer Kirche sagen?
Um dieser Frage nachgehen zu können, sollen wir hinhören auf den sensus fidei in credendo, das bedeutet auf den Glaubenssinn im je besonderen Glaubensakt zu hören. In den letzten Wochen habe ich daher immer wieder Menschen gebeten, mir etwas vom Glauben zu erzählen. Wie in der Liebe, so gibt es auch im Glauben keine Experten. Auch dem anfänglichen Glauben gilt das Wort Jesu "dein Glaube hat dich gerettet" (Lk 17,19). So lassen sich auch heute beeindruckende Glaubenszeugnisse vernehmen.
Glaubenssinn im Glaubensakt
Ein junger Mann, der Konkurs anmelden musste, wusste, als der Masseverwalter ankam, aus dem Glauben: "Der übernächste Schritt wird gut sein." Eine Mutter, als sie zum zweiten Mal am Grabeshügel eines ihrer Kinder stand, und ihr gesagt wurde: "Jetzt wird dir das Glauben wohl schwerfallen", antwortete: "Ich habe nichts Anderes!" Ein anderer Gläubiger sagte mir: "Glauben heißt dagegenhalten." Des Öfteren höre ich aber von gläubigen Menschen auch solche Sätze: "Ich kann das nicht mehr glauben." Oder: "Ich habe meinen Glauben." Auch wenn ich bei solchen Aussagen immer stocke – alles sollen, ja müssen wir hören, zumindest in einem Teilbereich zu verstehen suchen, aber auch stützend im Glauben dagegenhalten.
Auf diese Weise in den Dialog über den Glauben einzutreten, ist die Aufgabe, die uns jetzt gestellt ist. Welchen theologischen Fußabdruck wollen wir hinterlassen? Wir müssen diese Herausforderung annehmen, wie ein guter Bauer: Auch die, die nach uns kommen, um auf dem Ackerfeld Gottes weiterzuarbeiten, sollen etwas ernten können und nicht bei null anfangen oder gar zuerst einen Schuldenberg abtragen müssen.
Die Corona-Pandemie hat uns einmal mehr deutlich vor Augen gestellt: Niemand kann für sich allein das Leben meistern. Wir allein sind nicht genug. Das bedeutet Synodalität. Zum Glauben braucht es Gemeinschaft, deshalb genügt sich jede und jeder Einzelne nicht selbst. Auch eine Pfarre ist nicht genug. Selbst die ganze irdische Kirche bedarf des Bewusstseins um die himmlische Kirche. Dieses Wissen um eine je andere und umfassendere Dimension lädt dazu ein, auf dem gemeinsamen Weg ein prophetisches Wort von Papst Franziskus umzusetzen: "Redet offen und hört in Demut zu!" Darauf dürfen wir uns getrost einlassen. Wenn wir es aufrichtig und ehrlich tun, werden der Heilige Geist und wir den Weg in die Zukunft finden.