Betroffene erwarten kaum neue Erkenntnisse durch die Untersuchung

Vor Münchner Gutachten: Protest gegen Vertuschung von Missbrauch

Veröffentlicht am 19.01.2022 um 18:55 Uhr – Lesedauer: 
Vor Münchner Gutachten: Protest gegen Vertuschung von Missbrauch
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Bonn/München ‐ Einen Tag vor der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens haben Reformgruppen in München gegen die Vertuschung von Missbrauch demonstriert. Außerdem meldete sich auch der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz zu Wort.

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Kirchliche Reformgruppen haben am Mittwochabend gemeinsam mit der Giordano-Bruno-Stiftung auf dem Münchner Marienplatz gegen die Vertuschung von kirchlichem Missbrauch protestiert. Mit dabei hatten sie die Großplastik "Der Hängemattenbischof" und die Zeichnung "Aufklärung auf Katholisch", die den emeritierten Papst Benedikt XVI. sowie die Kardinäle Reinhard Marx (München) und Rainer Maria Woelki (Köln) in der Haltung der berühmten drei Affen zeigt.

Die Kundgebung fand vor der Veröffentlichung des Gutachtens zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising statt. Die von der Erzdiözese beauftragte Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wird ihre Untersuchung an diesem Donnerstag präsentieren. Brisant daran ist, dass im Untersuchungszeitraum 1945 bis 2019 prominente Kirchenmänner an der Spitze des Erzbistums standen, allen voran der inzwischen emeritierte Papst Benedikt XVI., damals noch als Joseph Ratzinger, außerdem die Kardinäle Friedrich Wetter und Reinhard Marx, zudem Michael Faulhaber, Joseph Wendel sowie Julius Döpfner.

"Maria 2.0": Veröffentlichung von Gutachten "ganz wichtiger Tag"

Renate Spannig von der Münchner Ortsgruppe der Reformbewegung "Maria 2.0" sprach in diesem Zusammenhang von einem "ganz wichtigen Tag". Es könne nicht sein, dass selbst im Jahr 2022 noch immer so viel Leid im Namen der katholischen Kirche passiere und Dinge vertuscht würden. Nicht nur kirchliche Würdenträger müssten endlich aufwachen, sondern alle Katholikinnen und Katholiken müssten erkennen, dass dies nicht die Botschaft Jesu sei.

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Zudem müssten Frauen in der Kirche endlich als gleichberechtigt anerkannt werden, forderte Spannig. Im Rahmen des Synodalen Wegs, der Reformdebatte der katholischen Kirche in Deutschland, entwickle ihre Gruppe Modelle, wie Frauen besser eingebunden werden könnten auf allen Ebenen. Sie plädierte dafür, auch Pastoralreferentinnen predigen, taufen und beerdigen zu lassen. Bei einem Treffen mit Kardinal Marx habe dieser zwar Verständnis für ihre Anliegen gezeigt, aber es sei danach wenig passiert: "Da könnte er schon mutiger sein."

Christian Weisner von der Initiative "Wir sind Kirche" rief bei der Kundgebung dazu auf, im Zusammenhang mit dem Gutachten nicht nur auf den prominenten Missbrauchstäter H. und die Rolle von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. zu schauen. Vielmehr müssten alle Betroffenen von sexuellem Missbrauch noch viel stärker in den Blick genommen werden. Es gelte auf sie zu hören und sie zu begleiten.
Den Synodalen Weg, an dem die deutschen Bischöfe mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und vielen kompetenten Theologien teilnähmen, würden viele Menschen als letzte Chance für eine Änderung sehen. Vielleicht erhielten dann die Bischöfe, die Kirchenleitung und auch Rom die "verspielte Glaubwürdigkeit" zurück.

Betroffene erwarten "keine neuen systemischen Erkenntnisse"

Unterdessen erklärte Mitglieder des Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch, dass sie kaum neue Erkenntnisse durch die Veröffentlichung des Münchner Gutachtens erwarten. Die Untersuchung werde "keine neuen systemischen Erkenntnisse" bringen, hieß es in einer Pressemitteilung des Betroffenenbeirats.

Die besondere Brisanz und öffentliche Wahrnehmung möge vielleicht darin bestehen, dass die Leitungsverantwortlichen nicht nur Ortsbischöfe waren, sondern auch Kardinäle und der Papst selbst sind, vermuten die Mitglieder des Betroffenenbeirates. Für Opfer von sexuellem Missbrauch und der anschließenden Vertuschung sei es aber letztlich unerheblich, wer vertuscht habe: "Ob der vor Ort wohnende Weihbischof, der am Bischofssitz residierende Kardinal oder ein nach Rom Berufener – entscheidend ist doch, dass auf jeder Hierarchiestufe Täterschutz vor Opferschutz stand und damit Opfer unfassbaren Schaden haben erleiden müssen", hieß es in der Mitteilung. (stz/epd/KNA)