Wer kann Christus repräsentieren?
Wer kann Christus in der Feier der Eucharistie repräsentieren? Das ist eine Frage, die im Zuge der Diskussionen um die Zulassung von Frauen zum sakramentalen Ordo immer wieder auftaucht. Relativ neu in der Theologiegeschichte ist dabei das Argument, welches auf die Repräsentanz Christi abhebt: Dass nämlich nur ein Mann die natürliche Ähnlichkeit mit Christus besitze, wodurch die Metapher von Christus, dem Bräutigam, und der Kirche als seiner Braut in rechter Weise zum Ausdruck komme. Diese Argumentation macht vor allem Inter insigniores stark, jenes Dokument der Glaubenskongregation, das 1976 die Nichtzulassung von Frauen zum sakramentalen Ordo nachdrücklich betont hat. Zuletzt hat im Jahr 2018 der derzeitige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria, diese Lehre bekräftigt, wenn er in einem Artikel im Osservatore Romano schreibt: "Der Priester handelt in der Person Christi, des Bräutigams der Kirche, und sein Mann-Sein ist ein unentbehrlicher Aspekt dieser sakramentalen Repräsentanz." Mit anderen Worten: Weil Christus ein Mann war, muss auch derjenige, der ihn in der Feier der Sakramente repräsentiert, männlichen Geschlechts sein. Damit jedenfalls sind Frauen aufgrund ihres Geschlechts vom Empfang des sakramentalen Ordo ausgeschlossen – so die Argumentation in aller Kürze.
Ein Argument, das nicht alle überzeugt
Doch inwiefern trägt das Argument der natürlichen Ähnlichkeit wirklich? Oder anders gefragt: Können wirklich nur Männer Christus in angemessener Weise repräsentieren? Eine neue "Quaestio disputata" widmet sich ebendiesen Fragen. Sie versammelt die Beiträge von unterschiedlichen Autorinnen und Autoren, die sich mit dem Repräsentationsbegriff und der Logik von Inter insigniores und Ordinatio sacerdotalis auseinandersetzen. Entstanden ist dabei ein reich gefüllter Sammelband, der sich aus verschiedenen Perspektiven einem Thema annähert, das gerade in den letzten Jahren verstärkt als Argument herangezogen wurde, um damit den Ausschluss von Frauen vom Weiheamt zu begründen.
Der Frankfurter Dogmatiker Dirk Ansorge geht dabei der Frage nach, was das "natürliche Ähnlichkeit" überhaupt bedeutet. Und er fasst den Problemkreis folgendermaßen zusammen: "Es geht also in den aktuellen Debatten allein um jenes Handeln, durch das Christus gegenüber seiner Kirche sakramental repräsentiert wird. Und von diesem Handeln wird lehramtlich gesagt und ist kirchenrechtlich festgeschrieben, dass es ausschließlich durch Männer vollzogen werden kann." Das heißt, dass auch Frauen grundsätzlich in Persona Christi handeln können. Allerdings können Frauen, folgt man der Argumentation des Lehramts, Christus gegenüber seiner Kirche nicht sakramental repräsentieren; sie sind von einem Handeln in Persona Christi Capitis bzw. in Persona Christi Servi (was im Blick auf den Diakonat gilt), ausgeschlossen. Dabei rekurriert die lehramtliche Argumentation auf eine Geschlechter-Typologie: "Weil sich der ewige Logos in Raum und Zeit als (jüdischer) Mann inkarniert hat (…), könne er nach seiner Himmelfahrt im Gegenüber zur Kirche ausschließlich durch Männer repräsentiert werden", so Ansorge. "Demnach trägt der Ausschluss der Frauen vom sakramentalen Amt nicht der Schöpfungsordnung, sondern der heilsgeschichtlichen Faktizität Rechnung." Mit anderen Worten: Nicht, weil eine Unterordnung der Frau unter den Mann in die Schöpfungsordnung eingeschrieben ist, gilt der Ausschluss der Frau von der Christusrepräsentation. Sondern weil sich der Logos in einem Menschen männlichen Geschlechts inkarniert hat, können Frauen nicht in Persona Christi Capitis handeln. Dabei macht Dirk Ansorge auf eine grundsätzliche Frage aufmerksam: Nämlich darum, zu bestimmen, was Repräsentanz zu bedeutet und wie diese in der Beziehung zwischen Schöpfungsordnung und heilsgeschichtlicher Ordnung erfolgen kann. Ansorge bemerkt dabei als Fazit: "In einer zu vertiefenden heilsgeschichtlichen Perspektive wäre deshalb die Kategorie der 'natürlichen Ähnlichkeit' freiheittheoretisch zu reformulieren: als sich von der Kirche in Dienst nehmen lassende Christusnachfolge, welche die geschichtliche Ausprägung des eigenen Körpers nicht verdrängt, sondern in das Zeugnis gelebten Glaubens existentiell integriert."
„Was repraesentatio Christi heute heißen kann, wird gestärkt, wenn Frauen nicht exkludiert, sondern inkludiert werden.“
Der Neutestamentler Thomas Söding widmet sich dem Problem, was überhaupt Repräsentation im Neuen Testament bedeutet und er konzentriert sich dabei vor allem auf die paulinischen Schriften. Als entscheidend markiert Söding dabei die Apostolatstheologie, die Paulus in seinen Briefen entwickelt. "Wo Paulus in diesem Rahmen dem Wort und der Sache nach von Repräsentation spricht, steht nicht nur die Sendung durch Jesus Christus, sondern auch die Stellvertretung Jesu Christi vor Augen und nicht nur die Übermittlung seiner Botschaft, sondern auch die Vergegenwärtigung seiner Person." Für Paulus heißt das: Die Repräsentation Christi ist eng mit dem Apostolat verbunden und zur Ausübung dieses Apostolats sind alle in der Gemeinde berufen. Wenn Paulus in 2 Kor 5,20 schreibt: "Wir sind Gesandte an Christi statt", dann bedeutet das zugleich, dass durch Paulus Christus selbst bittet. Durch das Leben und Wirken des Paulus wird Christus in dieser Welt gegenwärtig, das Leben des Paulus wird auf Christus hin transparent. So merkt Thomas Söding auch an: "Es geht nie darum, den Status derer zu erhöhen, die Jesus Christus repräsentieren, sondern im Kern immer darum, dass Menschen, die nicht mit Jesus selbst in Kontakt kommen, gleichwohl die Möglichkeit erhalten, das gesamte Evangelium zu hören, die volle Vergebung zu erlangen und die ganze Gemeinschaft mit Jesus zu erfahren, die ihnen Heilung und Heil vermittelt." Dahingehend kann das Motiv der Repraesentatio Christi nie einen Ausschluss begründen, sondern es entfaltet vielmehr eine integrierende Wirkung in die Kirche, welche der Leib Christi ist. Daher konstatiert Söding auch: "Was repraesentatio Christi heute heißen kann, wird gestärkt, wenn Frauen nicht exkludiert, sondern inkludiert werden."
Schließlich versucht sich der Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer an einer "pastoraltheologischen Dekonstruktion einer klerikalen Denkfigur". Für Bauer offenbart sich in der Repräsentation Christi durch den Priester in der Feier der Eucharistie eine mögliche "Selbstsakralisierung", die vor allem dort ihr gefährliches Potential zeigt, wo sie in einem Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch steht. Diese klerikalistische Denkfigur gilt es zu entschärfen, indem einerseits die Differenz zwischen Zeichen und Bezeichnetem wahrgenommen wird: "Semiotisch betrachtet, ist die priesterliche Christusrepräsentanz kein Ikon mit Verkörperungsanspruch, eher schon ein Index mit Verweischarakter – sicher aber ein Symbol mit Differenzgehalt." Weiters gilt es eine Pluralität von Formen der Christusrepräsentanz zu fördern und auf einer "negativen Repräsentationstheologie" aufzubauen.
Der von Magrit Eckholt und Johanna Rahner verantwortete Band bietet viel Diskussionspotential. Dabei eröffnen die einzelnen Beiträge eine breite Perspektive, die es ermöglicht, neu und anders über den Gedanken der Christusrepräsentanz nachzudenken. Es gilt, die Fragen, welche die Beiträge aufwerfen, aufzunehmen und zu diskutieren.