Diakoninnen aus Gnade: Zwei Handlungstexte des Synodalen Wegs
Als das Wasser seinen Kopf berührt, ist das kleine Mädchen sehr überrascht, aber es hält durch. Zwei der anderen Babys und Kleinkinder haben in diesem Moment geweint. Nach der Taufe nehmen die Eltern ihr Kind in den Arm und lächeln glücklich der Diakonin zu. Sie segnet die Kinder mit Chrisamöl und nimmt sie so in die Gemeinschaft der Kirche auf.
Für die katholische Kirche ist dieses Szenario wahlweise Zukunftsmusik oder Illusion – je nach kirchenpolitischer und dogmatischer Ausrichtung. Denn Diakoninnen gibt es bei den Katholiken – anders etwa als bei Protestanten, Altkatholiken oder Anglikanern – nicht. Neue Handlungstexte des Reformprozesses Synodaler Weg machen nun aber den Aufschlag, dass sich das ändern könnte: Sie wollen ein Indult des Vatikan von dem Passus im Kirchenrecht (ca. 1024 CIC), der nur Männer zur Weihe zulässt. Aus Gnade sollen deutsche Bischöfe ausnahmsweise auch Frauen zu Diakoninnen weihen dürfen.
Zur Begründung wirft das Papier einen Blick auf die diakonische Arbeit der Kirche. Die ist vielerorts durch das Engagement von Frauen geprägt. Hier knüpft der Handlungstext "Diakonat der Frau" des Synodalforums III "Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche" für die dritte Synodalversammlung Anfang Februar an. Das Diakonat werde im Rahmen des Heilsdienstes der Kirche als "besondere Repräsentanz des diakonischen Christus verstanden", heißt es. Woraufhin das entscheidende Spannungsfeld beschrieben wird: Angesichts vieler Frauen im diakonischen Bereich, deren fortschreitender Professionalisierung "und der Gefahr eines Auseinanderklaffens von caritativen Diensten auf der einen Seite und Diensten in der Gemeinde auf der anderen Seite stellt sich in den letzten Jahren auf neue Weise die Frage nach einem diakonischen Leitungsamt von Frauen, über das das diakonische Profil der Gemeinde verstärkt werden kann."
Diakonie als Faktor für Glaubwürdigkeit
Eine diakonische Kirche werde glaubwürdig, heißt es weiter – und ein diakonisches Leitungsamt für Frauen würde zu dieser Glaubwürdigkeit beitragen. "Männer und Frauen sind in gleicher Weise zum diakonischen Dienst berufen, hier kann es keine Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts geben." Durch Diakoninnen sei die Kirche einerseits näher bei den Armen, andererseits könne die Amtstheologie im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) weiterentwickelt werden.
Die Diskussion um Diakoninnen beschäftigt die katholische Kirche seit vielen Jahrzehnten. Das liegt auch daran, dass die Geschichte des Diakonats Wurzeln bis in die frühe Kirche hat. Denn in den ersten Gemeinden gab es Diakoninnen – das ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. Sie assistieren bei Taufen, bringen Kranken die Eucharistie und kümmern sich um die Seelsorge von Frauen, während ihre männlichen Pendants sich eher den Männern widmen. Die Existenz des Diakoninnenamts ist also unstrittig. Umstritten ist allerdings dessen Ausformung und ob die jeweiligen Frauen geweiht oder gesegnet wurden – also ob dieses Amt dem heutigen sakramentalen Amt des Diakonats entspricht.
Diese Frage sorgt auch in der Wissenschaft immer wieder für Auseinandersetzungen, nicht zuletzt in zwei Forschungskommissionen, die sich in den vergangenen Jahren im Auftrag des Papstes mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Denn die Geschichte der Diakoninnen ist zwar alt – aber sie bricht ab. Denn ab dem 2. Jahrhundert verändert sich die Kirche. Anfangs noch eine kleine Gruppe, die die Wiederkunft Jesu in naher Zukunft erwartet, richtet sie sich immer mehr in der Gegenwart ein. Frauen werden nach und nach aus kirchlichen Aufgaben gedrängt. Im Konzil von Chalcedon (451) wird in einem Canon noch explizit ein Weiheritus für Diakoninnen mit Handauflegung und Gebet aufgeführt – also eine Weihe ähnlich wie für Männer. Noch um 770 gibt es in der Westkirche im Ordo Romanus ein Weiheformular für Diakoninnen. Erst im 11. Jahrhundert verschwinden Diakoninnen sowohl in der West- als auch in der Ostkirche. Die genauen Gründe sind bis heute unklar.
1919 segnete Michael Faulhaber Diakoninnen
Doch das Thema lässt die Kirche nicht los: Der spätere Münchner Kardinal Michael Faulhaber segnet 1919 sieben Frauen zu Diakoninnen, die die "Vereinigung katholischer Diakoninnen" gründeten. Auch in der Liturgischen Bewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sind sie Thema, sogar die heilige Edith Stein schreibt über sie.
Die Situation ändert sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65). Dort wird neben dem Diakonat als erster Weihestufe vor der Priester- und Bischofsweihe der "Ständige Diakonat" eingerichtet. Ständige Diakone streben keine Priesterweihe an; neben zölibatären dürfen auch verheiratete Männer dieses Amt antreten.
Die Würzburger Synode votiert 1974 dafür, die Diakoninnenweihe einzuführen. Wörtlich heißt es zur Begründung: "Viele Frauen üben in vielen Kirchenprovinzen, nicht nur in Missionsgebieten, eine Fülle von Tätigkeiten aus, die an sich dem Diakonenamt zukommen. Der Ausschluss dieser Frauen von der Weihe bedeutet eine theologische und pastoral nicht zu rechtfertigende Trennung von Funktion und sakramental vermittelter Heilsvollmacht."
Frauen schon seit Jahren diakonisch tätig
Diese Argumentation vertreten auch die Mitglieder des Synodalforums: Frauen verrichten eigentümlich diakonische Arbeiten schon seit Jahren, werden aber liturgisch nicht sichtbar. Das Problem: Das Votum der Würzburger Synode wird vom Vatikan nur mit Schweigen beantwortet. Erst 2009 tut sich aus Sicht des Forums eine Tür auf, als der damalige Papst Benedikt XVI. angibt, die Weihe von Bischöfen und Priestern sei von anderer Qualität als die von Diakonen. Diakone erhielten die Sendung und Befähigung nicht "in Person Christi, des Hauptes", sondern die Vollmacht, dem Volk Gottes in der Diakonie, der Liturgie des Wortes und der Liebe zu dienen. Weiterhin verweisen die Autorinnen und Autoren auf die Ökumene: Die orthodoxen Patriarchate von Alexandrien und von Jerusalem haben 2017 die Diakoninnenweihe eingeführt – beides gemessen an ihren Gläubigenzahlen jedoch sehr kleine Kirchen.
Strukturen für das Diakonat der Frau gibt es auch in der katholischen Kirche: 1997 entsteht das "Netzwerk Diakonat der Frau", in dem sich Einzelpersönlichkeiten und Organisationen zu dem Thema vernetzen und bereits Kurse für Frauen anbieten, die auf eine Diakoninnenweihe vorbereiten. Weiterhin gibt es seitdem jedes Jahr am 29. April den "Tag der Diakonin". Diese Kurse sollen mit denen der Diakone teilweise zusammengeführt werden, fordert das Forum. "Gemeinsame Ausbildungsmodule sind in den Blick zu nehmen, um das diakonische Profil einer geschlechtergerechten und geschwisterlichen Kirche zu schärfen." Zudem sollen die deutschen Bischöfe die Impulse zum Frauendiakonat in Deutschland in den weltkirchlichen Diskurs einbringen, zum Beispiel in den weltweiten synodalen Prozess.
Zurückdrängung von Frauen
An einer anderen Stelle setzt das Papier "Frauen im Sakramentalen Amt" des gleichen Forums an – nämlich bei der Zurückdrängung von Frauen aus der kirchlichen Öffentlichkeit im 2. Jahrhundert. Damit habe eine Geschichte der Ignoranz gegenüber Charismen und Berufungen von Frauen sowie eine "Verletzungsgeschichte" begonnen, "die für berufene Frauen der vergangenen Jahrhunderte bis heute zu Erfahrungen von Diskriminierung, misogyner Polemik und mangelnder Anerkennung führte", argumentieren die Synodalen.
Diese Geschichte soll hinterfragt werden. Das Forum fordert deshalb eine Kommission, "die sich ausschließlich mit der Thematik des sakramentalen Amtes von Menschen jeden Geschlechts befasst".
Diese Arbeitsgruppe soll eine Lücke füllen, zwischen Wissenschaft und Lehramt. Das Papier verweist auf die Diskrepanz zwischen lehramtlichen Aussagen, die Frauen von Ämtern ausschließen, und wissenschaftlichen Erkenntnissen, die aus den Quellen auch andere Schlüsse ziehen. "Nur ein intersubjektiver Austausch der Erkenntnisse unter Einübung aller Methoden kann angesichts der Komplexität der Thematik heute noch überzeugen", heißt es dazu.
"Sensus fidei" kann nicht irren
Viele Gläubige hätten kein Verständnis dafür, wenn Frauen von Weiheämtern ausgeschlossen werden, unter anderem mit dem Argument, Jesus sei ein Mann gewesen. Dieser Glaubenssinn der Gläubigen "kann nach Lehre des 2. Vatikanischen Konzils nicht irren". Zuletzt verweist der Text auch auf die Bibel: "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus", heißt es bei Paulus (Gal 3,28).
Das Synodenforum rührt mit seinen beiden Handlungstexten an zwei Diskussionen, die in der Kirche schon seit Jahrzehnten brodeln. Über allem steht der Zugang von Frauen zu sakramentalen Ämtern an sich. Das entscheidende Argument des Mannseins Jesu nimmt schon der Theologe Karl Rahner Ende der 1970er Jahre auseinander: Damals wären weibliche Gemeindeleiter nicht durchsetzbar gewesen. Das sei aber keine Aussage für alle Zeiten, argumentiert er.
Seitdem haben sich die Fronten verhärtet: Die einen verlangen die Weihe von Frauen, um auch deren Charismen und Berufungen ernst zu nehmen. Andere sagen mit Papst Johannes Paul II., die Kirche habe "keinerlei Vollmacht", "Frauen die Priesterweihe zu spenden". Aber wie ist es mit Diakoninnen? Das hängt davon ab, ob man die Diakonenweihe ausschließlich als Vorstufe zum Priesteramt betrachtet (und es gibt keine Anzeichen für die Existenz von Priesterinnen im Katholizismus) oder als mittlerweile eingerichtetes eigenes Amt.
Es sind also dicke Bretter, die das Synodalforum bohren möchte. Deshalb ist das Indult für die Diakoninnenweihe ein zwar kirchenrechtlich mögliches, jedoch kirchenpolitisch ein großer Schritt. Und dann steht eine Antwort oder Nicht-Antwort des Vatikan immer noch in den Sternen. Bis also eine katholische Diakonin Wasser über den Kopf eines Babys gießen und es damit taufen wird, ist es noch ein weiter Weg.