Weihbischof Schepers zu "#OutInChurch": Kulturwandel ist nötig
Der Essener Weihbischof Ludger Schepers ist Mitglied der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und beauftragt für das Arbeitsfeld der queeren Pastoral. Im Interview schildert er, was aus seiner Sicht passieren muss, damit queere Menschen in der Kirche angstfrei leben und arbeiten können und was er seinen Mitbrüdern wünschen würde.
Frage: Herr Weihbischof Schepers, was hat das persönlich mit Ihnen gemacht, bei der Aktion "#OutInChurch" zu sehen, wie sich 125 queere Menschen outen, die für die Kirche arbeiten?
Schepers: Ich habe am Samstag bereits erfahren, dass dieser Film laufen wird und ihn deshalb mit Spannung erwartet. Eine Reihe der Menschen, die dort gesprochen haben, sind mir auch durch persönliche Begegnungen bekannt. Alle Zeugnisse haben mich sehr betroffen, aber auch zornig gemacht, wie lieblos in der Kirche mit ihnen umgegangen worden ist. Besonders das des Jesuitenpaters Ralf Klein, der mit bewegter Stimme seine Erfahrung geschildert hat, und der eine ganz wichtige Aussage gemacht hat: Wenn jemand – egal ob heterosexuell oder homosexuell – den Zölibat verspricht, dann ist es keine Frage, wie damit umzugehen ist, wenn er den Zölibat auch hält. Oder das Paar, die Ordensschwester und die Lehrerin, die auch im hohen Alter noch davor zittern, dass ihnen die Pension gestrichen werden könnte, weil sie bei der Kirche gearbeitet haben. Das war nochmal in besonderer Weise erschreckend und zeigt mir, wie wichtig diese Aktion ist.
Frage: Die Beteiligten fordern unter anderem, dass queere Menschen in der Kirche ohne Angst offen leben und arbeiten können. Wie beurteilen Sie diese Forderung?
Schepers: Dieser Forderung stimme ich vollkommen zu. Dem, was der Hamburger Erzbischof Stefan Heße gesagt hat, kann ich mich absolut anschließen: "Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein."
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Frage: Was löst es bei Ihnen aus, wenn Sie hören, dass es Menschen gibt, die Angst haben, ihre sexuelle Identität offen zu zeigen, weil sie befürchten, dass sie ihren Job verlieren?
Schepers: In der Kirche dürfte niemand Angst haben, denn sie ist gerade dazu da, dass unsere Angst aufhört. Das, was Jesus getan hat, war ja gerade, die Menschen von ihren Ängsten und "Dämonen" zu befreien, die sie unterdrückt und bedrückt haben und daher nicht das erfahren konnten, was Jesus versprochen hat: ein Leben in Fülle.
Frage: Sie sind Mitglied der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz und beauftragt für das Arbeitsfeld der queeren Pastoral. Bekommen Sie im Zuge dieser Aufgabe häufiger mit, dass sich Mitarbeitende der Kirche mit ihren Ängsten und Sorgen an Sie wenden?
Schepers: Zum Teil aus persönlichen Gesprächen, vor allem aber auch durch die Arbeitsgemeinschaft LSBTIQ*-Pastoral in den deutschen Diözesen und die Arbeitsstellen für Männer- und Frauenseelsorge, die diese Arbeitsgemeinschaft koordiniert. Dort erfahre ich auch, welche Angebote es in den einzelnen Diözesen gibt und wie die Angebote angenommen werden. Es bedarf aus meiner Sicht noch mancher Arbeit, das bewusster zu machen und zu fördern. In diesem Bereich der queeren Pastoral ist noch eine Menge Luft nach oben.
Frage: Was muss denn aus Ihrer Sicht passieren, damit das Leid der queeren Menschen in der Kirche aufhört?
Schepers: Es ist ein Kulturwandel nötig – in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft. Dass das nicht nur auf die Kirche beschränkt ist, zeigen auch manche Äußerungen von Kindern und Jugendlichen auf Schulhöfen, wo das Wort "schwul" noch immer als Beleidigung fällt – auch wenn im Unterricht schon eine Menge getan wird. Aber all das muss uns doch dazu bewegen, dass kein Mensch aus welchem Grund auch immer diskriminiert werden darf. Das ist mein Bemühen und Bestreben.
Frage: Wie kann so ein Kulturwandel denn konkret aussehen? Was muss dafür getan werden?
Schepers: Man muss offen reden können – sowohl im Kreis der Mitbrüder und Kollegen als auch im Kreis eines Bistums. Die Frage der sexuellen Identität und Orientierung darf in Gesprächen nicht mehr aus Angst vor Konsequenzen verheimlicht werden. Das muss auch in die Gemeinden vor Ort getragen werden. Dort herrscht – so haben wir es ja auch bei der Aktion mit den Segensfeiern für homosexuelle Paare erlebt – eine große Offenheit bei vielen, bei manchen aber auch großer Widerstand. Auch da muss sich eine wertschätzende Gesprächskultur entwickeln.
„Das wünschte ich den anderen Mitbrüdern auch, dass durch die persönliche Begegnung mit Menschen, die keine heterosexuelle Identität haben, Ängste abgebaut werden und Vorurteile weggeräumt werden können.“
Frage: Was bedeutet das konkret auch in Hinblick auf das kirchliche Arbeitsrecht?
Schepers: Ich weiß, dass es einen Arbeitskreis gibt, in dem am kirchlichen Arbeitsrecht gearbeitet wird und dass es da zu Veränderungen kommen soll, dass die Diskriminierungen ausgeschlossen werden sollen, damit Ängste nicht mehr nötig sind.
Frage: Und in Hinblick auf die kirchliche Lehre?
Schepers: Die kirchliche Lehre muss sich für die Erfahrungen und Erkenntnisse öffnen, die die Wissenschaft in den letzten 20, 30 Jahren gewonnen hat. Ich sehe da ganz positive Ansätze bei einer christlichen Anthropologie.
Frage: Wie kann eine solche Öffnung vonstattengehen?
Schepers: Bei den meisten Mitbrüdern, die sich positiv geäußert haben, ist deutlich geworden, dass die Erfahrungen aus dem persönlichen Gespräch eine Wandlung bewirkt haben. Das wünschte ich den anderen Mitbrüdern auch, dass durch die persönliche Begegnung mit Menschen, die keine heterosexuelle Identität haben, Ängste abgebaut werden und Vorurteile weggeräumt werden können.
Frage: Was würden Sie sich für die queeren Menschen wünschen, die für die Kirche arbeiten?
Schepers: Das, was ich anfangs bereits gesagt habe: Dass sie angstfrei leben können, ohne um ihre Existenz fürchten zu müssen.
Frage: Was ist aus Ihrer Sicht dafür wichtig?
Schepers: Wichtig ist es, die diözesanen und überdiözesanen Arbeitsstellen, die in der queeren Pastoral arbeiten, mehr zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, nicht nur quasi geheim oder inoffiziell arbeiten zu können, sondern mit amtlicher kirchlicher Unterstützung.
Frage: Bedeutet das auch, dass aus Ihrer Sicht die öffentliche Segnung homosexueller Paare möglich sein sollte?
Schepers: Ja.