Kardinal Hollerich: Christentum könnte in Europa nahezu verschwinden
Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich hält es für möglich, dass das Christentum in Europa mittelfristig nahezu verschwindet. "Der Schrumpfungsprozess ist erschreckend", so Hollerich in dem am Montag vom Verlag Herder veröffentlichten Buch "Was auf dem Spiel steht". Auch nehme Religion heute nur wenig Platz in Europas Identität ein. "Viele katholische Vertreter glauben immer noch, Europa sei christlich. Das ist ein großer Fehler", so der Erzbischof, der auch Präsident der EU-Bischofskommission COMECE ist.
Hollerich spricht sich für Dialog aus. Es sei wichtig, nicht nur mit denen zu sprechen, die die eigene Meinung teilen. "Wir müssen schlicht dorthin gehen, wo die Leute sind. Das ist seit 2.000 Jahren immer das Gleiche. Doch im Moment sitzen wir in der Kirche und warten, dass die Leute kommen. Wenn sie nicht kommen, schimpfen wir auf sie. Das ist bequem – und falsch." Das Christentum habe Europa viel zu bieten, so der Kardinal: "Erneuerung und Freude, denn Europa ist nicht fröhlich. Europa fehlt es an wahrer Freude, an wahrem Glück. Die Menschen sind nicht glücklich."
"Möglicherweise entscheidende Schlüsselrolle" bei Weltsynode
In dem Buch spricht Hollerich mit dem Journalisten Volker Resing und dem Theologen Alberto Ambrosio über Leben, Glauben und Kirche. Im Vorwort heißt es, Hollerich werde für die "Zukunft der Kirche" eine wichtige Rolle spielen; ihm komme bei der Weltsynode die "möglicherweise entscheidende Schlüsselrolle" zu. Papst Franziskus ernannte den Kardinal für die für 2023 geplante weltweite Bischofssynode in Rom zum Generalrelator, also Koordinator und Berichterstatter. Zur Vorbereitung der Synode hat der Papst im Oktober einen weltweiten synodalen Prozess in Gang gesetzt. In mehreren Stufen von den Diözesen über die Kontinente bis zur Bischofssynode selbst sollen die Gläubigen und ihre Bischöfe über die Zukunft der Kirche beraten.
Hollerich spricht in dem neuen Buch in fünf Kapiteln über Erlebnisse, Brüche und Wendungen seines Lebens. Er geht auf seine katholische Prägung in der "luxemburgischen Provinz" ein, seine Entscheidung für die Jesuiten und beschreibt, wie die Zeit in Japan ihn veränderte. Inhaltliche Schwerpunkte sind Europa, Migration, Jugendarbeit und die Zukunft des Christentums. Das Buch versteht sich als Reise "zu ganz unterschiedlichen Wirklichkeiten und Lebensweisen des Katholischen in dieser Welt". (tmg/KNA)