Bischof Bode: Der kleinste gemeinsame Nenner ist keine Bereicherung
Zu Beginn der dritten Synodalversammlung hat das Präsidium des kirchlichen Reformdialogs einen "Leitfaden für gute Kommunikation und Konfliktgestaltung" beim Synodalen Weg vorgestellt. Darin legen die Autoren den Synodalen einen wertschätzenden Umgang miteinander an Herz und thematisieren den angemessenen Grad von Nähe und Distanz. Im Interview erklärt der Osnabrücker Bischof und Präsidiumsmitglied Franz-Josef Bode, warum dieser Leitfaden nötig wurde und welche Inhalte ihm besonders wichtig sind.
Frage: Herr Bischof Bode, im Leitfaden geht es um Nähe und Distanz. Warum muss man das ansprechen, ist die Synodalversammlung ein gefährlicher Ort?
Bode: Ich denke, dass es einige Veranlassungen zu diesem Leitfaden gab. Dazu gehört das Fernbleiben einiger Bischöfe vom gemeinsamen Gottesdienst, ohne dass sie das erklärt hatten. Zudem gibt es manchmal verbale Übergriffe, wenn man zum Beispiel nicht genau hingehört hat und Wortmeldungen verletzend aufgreift. Das Problem ist, die persönliche Leidenschaft für eine Sache mit der Maxime zu verbinden, andere in ihren Ansichten nicht zu verletzen. Über Erfahrungen kann man nicht diskutieren, da müssen manche Dinge auch einfach mal stehen bleiben. Es gab außerdem diesen konkreten Vorfall zwischen dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Synodalen Viola Kohlberger. Es stand der Vorwurf von Machtmissbrauch im Raum. Darüber wurde sehr emotional diskutiert. Kardinal Woelki hat sich dann auch entschuldigt. Solche Vorkommnisse waren der Anlass, für eine gute Kommunikation und eine Kultur des Dialogs die rechte Weise von Distanz und Nähe verbal wie räumlich festzuhalten. Ich denke, dass es für eine so große Versammlung mit so unterschiedlichen Menschen gut ist, auch von unserer christlichen Kultur her einen solchen Leitfaden zu haben. Das sollte für jede Person in einem Dialog selbstverständlich sein. Dennoch ist es manchmal gut, sich das bewusst zu machen.
Frage: Der Vorfall zwischen Woelki und Kohlberger war ja nicht der einzige Grund für den Leitfaden.
Bode: Das stimmt. Es wurden bei einer Synodalversammlung auch rote und grüne Karten hochgehalten. Das lehnen wir grundsätzlich nicht ab. Aber wenn diese Karten schon gezeigt werden, wenn jemand gerade erst anfängt zu sprechen, ist das schwierig. Man kann diese Reaktionen als Applaus empfinden, aber auch als sprichwörtliche "rote Karte". Letzteres ist nicht in unserem Sinne. Deshalb sollten diese Karten sensibel genutzt werden, um den synodalen Prozess voranzubringen.
Frage: Was ist Ihnen an diesem Leitfaden inhaltlich besonders wichtig?
Bode: Man sollte so hinhören, dass man die Aussage des anderen in ihrer Intention versteht, dass man sie nachzuvollziehen sucht. Das hat natürlich Grenzen. Nicht alles findet bei jedem Anschluss, man kann nicht immer auf Harmonie machen. Dann muss aber auch der Dissens ausgesprochen werden. Diese Kultur einer eigenen Meinung, die vertreten wird, ohne andere zu verletzen, ist mir wichtig.
Frage: Dabei hat die Kirche beim Blick auf Synoden und Konzile eigentlich eine reiche Konfliktkultur.
Bode: Genau, das haben wir gerade in Synoden eingeübt. Ich war selbst bei Bischofssynoden. Dort gibt es eine Redezeitbegrenzung, man muss sehr moderiert und kontrolliert miteinander sprechen – und das tun wir hier beim Synodalen Weg ja auch. Mit einer solchen Ansprache kommt man auch beim Streiten weiter. Dissense sollten ausgesprochen und dann im Konsens festgestellt werden. Das hat eine Wirkung. Auch Minderheitenvoten werden so sichtbar.
Themenseite: Der Synodale Weg der Kirche in Deutschland
Wie geht es nach dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Deutschland weiter? Bei der Frühjahrs-Vollversammlung 2019 in Lingen beschlossen die deutschen Bischöfe einen Synodalen Weg. Gemeinsam mit allen Gläubigen wollen sie Reformen anstoßen. Die Themen: Machtmissbrauch, Sexualmoral, Zölibat und die Rolle der Frau.
Frage: Wird so ein Leitfaden nun wichtiger, weil es beim Synodalen Weg ans "Eingemachte" geht?
Bode: Ja, wir sind an einem Punkt, an dem nicht mehr nur Richtungsentscheidungen im Raum stehen, sondern es geht um Details. Wir machen hier mit mehr als 200 Leuten Textarbeit. Das ist schon technisch nicht ganz leicht. Wenn es nun um Mehrheiten und gezählte Stimmen geht, muss man diese Weise der Kommunikation und der Konfliktgestaltung weiter intensivieren und darum wissen.
Frage: Wie nehmen Sie aktuell die Diskussionen wahr?
Bode: Es ging durchaus zur Sache, möchte ich sagen. Doch haben alle ihre Haltungen konstruktiv eingebracht. Es ist manches missverstanden worden, wurde dann aber richtiggestellt. Ich glaube, dass wir uns gut in die Diskussion hineingearbeitet haben. Man muss sich ja auch ein bisschen warmlaufen.
Frage: Es ist viel Emotionalität im Spiel. Sollte da nicht verbal abgerüstet werden?
Bode: Das ist sehr wichtig. Doch bei solchen Themen eine Versachlichung zu fordern, klingt schnell nach Rechtfertigung oder Minimalisierung von Emotionen und erlittenem Leid. Das ist ein Problem. Ich bin persönlich für eine Versachlichung der Diskussion, das wird sicherlich noch geschehen. Etwa durch die Redezeitbegrenzung und Rednerliste ist das ganze Gefüge etwas entschleunigt, man kann nicht sofort loslegen mit Kommentaren. Das konzentriert die Sache auf die Dauer.
Frage: Glauben Sie denn, dass die Gruppen mit teils sehr unterschiedlichen Ansichten zueinander finden?
Bode: Wir werden nicht überall einen Konsens finden. Der Konsens kann zur Minimalität führen, also zum kleinsten gemeinsamen Nenner – das ist dann aber keine Bereicherung mehr. In einem solchen Fall sollten dann lieber verschiedene Meinungen beieinander stehengelassen und auch so nach Rom kommuniziert werden. Der Papst hatte bei der Amazonassynode angemerkt, dass, wenn Meinungen gegeneinanderstehen, ein Drittes gesucht werden muss, das nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner ist.
Frage: Sehen Sie dieses Bemühen?
Bode: Wie ich die Bischöfe erlebe, wollen sie doch einen gemeinsamen Weg gehen. Leider finden die breiteren Gespräche der Bischöfe erst bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im März statt. Aber es zeigt sich jetzt schon die Verantwortung, Dinge nicht einfach gegeneinander zu setzen. Bei der Vollversammlung haben wir Gelegenheit, alle diese Themen nochmal unter uns anzusprechen – das ist wichtig für unsere Zweidrittelmehrheit. Wir sprechen ja nicht nur als einzelne Bischöfe, sondern es gibt da ja auch eine Kollegialität. Das ist nicht nur eine Absprache untereinander, sondern es muss bedacht werden, was wir auch als Episkopat denken.