Kurschus: Jede Unterstützung "ist grundsätzlich zu begrüßen"

EKD-Ratsvorsitzende offen für staatliche Missbrauchskommission

Veröffentlicht am 12.02.2022 um 17:41 Uhr – Lesedauer: 

Augsburg ‐ Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus ist der Einrichtung einer staatlichen Kommission zur Missbrauchsaufarbeitung in den Kirchen gegenüber aufgeschlossen. Zurückhaltend äußerte sie sich zu Forderungen nach höheren Zahlungen an Missbrauchsopfer.

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Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, ist offen für die Einrichtung einer staatlichen Kommission zur Missbrauchsaufarbeitung in Kirchen. "Jede Unterstützung, sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft offen zu thematisieren und lückenlos aufzuarbeiten, ist grundsätzlich zu begrüßen", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). Dies könne aber nicht die Aufarbeitung innerhalb der Kirche ersetzen.

"Es steht uns allen gut an, eigene Versäumnisse zu erkennen und zu benennen. Auch in der evangelischen Kirche gab und gibt es sexualisierte Gewalt", so Kurschus. Dagegen sei in den vergangenen Jahren viel getan worden – etwa durch verbindliche Schutzbestimmungen, die in jeder Gemeinde gültig seien.

Wissenschaftliche Studie zur Missbrauchsaufklärung

Die EKD-Ratsvorsitzende verwies zudem auf eine "aufwendige und flächendeckende wissenschaftliche Untersuchung", die 2020 bei unabhängigen Forschern in Auftrag gegeben worden sei. Damit wolle man die Missbrauchsaufklärung weiter vorantreiben. "Dass es ein Dunkelfeld gibt, ist uns bewusst", räumte Kurschus ein. Die Faktoren, die sexualisierte Gewalt begünstigten, seien jedoch andere als in der katholischen Kirche. Auch damit werde sich die Studie intensiv befassen.

Zurückhaltend kommentierte Kurschus Forderungen nach höheren Zahlungen an Missbrauchsopfer. "Das Unrecht, das Menschen angetan wurde, lässt sich mit keiner noch so hohen Summe ausgleichen oder gar wiedergutmachen", betonte sie. "Wenn man die Beträge einfach nur symbolhaft erhöht, entsteht der Eindruck, man wolle damit das verübte Unrecht angemessener ausgleichen." Das halte sie für schwierig. Die Frage werde aber in der Diskussion bleiben. Die evangelische Kirche halte an ihrem System der "individuellen Leistungen" fest.

Kurschus für Impfpflicht

Darüber hinaus begrüßte Kurschus die Initiativen zur Einführung einer Impfpflicht in der Corona-Pandemie. Da Aufklärung und Appelle zur Erhöhung der Impfquote offensichtlich nicht ausreichten, sei sie weiterhin für eine Verpflichtung zum Impfen. "Wie sich das im Einzelnen praktisch gestalten und rechtlich umsetzen lässt, ist Sache von Juristinnen und Politikern", betonte die Ratsvorsitzende. Sie habe Verständnis dafür, dass die Politik für diese Debatte Zeit brauche.

Eine Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt würde gegen Omikron indes nicht mehr helfen, sagte Kurschus. Es gehe darum, weiteren Corona-Wellen vorzubeugen. Die Theologin fügte hinzu: "Ich spüre deutlich, dass die Menschen pandemiemüde sind - und dass der Umgang miteinander immer emotionaler wird." Zwei Jahre Pandemie hätten Kraft gekostet. Zugleich beobachte sie aber auch, dass Menschen einfühlsames Verständnis entwickelten und füreinander sorgten. "Es entsteht eine Art von Schicksalsgemeinschaft nach dem Motto: Lasst uns sehen, wie wir gemeinsam gut durch diese belastende Situation kommen."

Mit Blick auf gewaltbereite Corona-"Spaziergänger" sagte Kurschus, solches "Spazierengehen" sei alles andere als hilfreich, um aus der gegenwärtigen Situation herauszukommen. "Diese 'Spaziergänger' pochen auf ihr Recht auf Freiheit - mit Freiheit hat ihre Fundamentalkritik allerdings nichts zu tun", erklärte sie. "Wir brauchen jetzt Menschen, die um Vertrauen werben und Verantwortung übernehmen."

Gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine

Außerdem sprach sich die EKD-Ratsvorsitzende gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine aus. "Waffen sind darauf ausgerichtet, Gewalt zu üben", sagte Kurschus. Dadurch nehme die Gefahr eines Krieges zu, warnte sie mit Blick auf den Konflikt mit Russland.

"Unsere Kirche unterstützt die Regierung darin, keine Waffen in die Ukraine zu liefern", betonte die Theologin. Waffen könnten niemals ein Weg sein, um Frieden zu schaffen. "Im Gegenteil, sie fördern die Eskalation von Gewalt - auf welcher Seite auch immer." Umso wichtiger sei es, in der gegenwärtig Krise deeskalierend zu wirken. (mpl/KNA/epd)