Kirchliches Arbeitsrecht: Abschied von der Zwei-Klassen-Gesellschaft?
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Auf einmal geht alles ganz schnell. Vor wenigen Wochen hat die Vollversammlung des Synodalen Wegs in erster Lesung für eine Reform der Grundordnung im kirchlichen Dienst gestimmt. Und ein Bischof geht gleich voran. Der Würzburger Bischof Franz Jung hat aus diesem Votum in Windeseile eine verbindliche Selbstverpflichtung gemacht. Priester und andere kirchliche Mitarbeitende im Bistum Würzburg müssen keine Konsequenzen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Partnerwahl fürchten. Konkret: Wenn eine Erzieherin zum zweiten Mal heiratet, ist das kein Kündigungsgrund mehr. Wenn ein Gemeindereferent eine Homo-Ehe eingeht, auch nicht. Das mag in der "normalen" Arbeitswelt befremdlich klingen. Für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem in verkündigungsnahen Tätigkeiten ist das ein Riesenschritt.
Die Bischöfe von Trier und Aachen folgten dem Würzburger Beispiel. Das ist der Vorteil, wenn Legislative und Exekutive in einer Hand liegen. Dann kann es ganz schnell gehen. Allerdings entscheidet jeder Bischof in Deutschland für sein Bistum. Es droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft für kirchliche Mitarbeiter. Aber die deutschen Bischöfe haben ja die Chance das zu verhindern, etwa bei ihrer nächsten Konferenz, in zwei Wochen in Vierzehnheiligen im Erzbistum Bamberg.
Dann sollten sie sich noch ein anderes Spezifikum des kirchlichen Arbeitsrechts vornehmen: den sogenannten "dritten Weg". Bei Caritas und Diakonie gibt es keine Tarifverhandlungen, hier werden Löhne in einer paritätisch besetzten Kommission ausgehandelt. Streikrecht haben Mitarbeitende nicht. Das vertrage sich nicht mit dem Ideal einer christlichen "Dienstgemeinschaft", finden beide Kirchen. Doch nachdem die arbeitsrechtliche Kommission der Caritas vor gut einem Jahr einem allgemeinverbindlichen Branchentarif in der Pflege nicht zugestimmt hatte, gab es auch in der Kirche Kritik an dieser Entscheidung und darüber hinaus am "dritten Weg". Wie kann ein kirchliches Unternehmen einem Tarif-Vertrag nicht zustimmen, der die Arbeitsbedingungen aller Pflegekräfte spürbar verbessert hätte? Die Kirche macht sich unglaubwürdig, wenn sie sich als Arbeitgeberin nicht an die Prinzipien hält, die sie selbst propagiert.
Der Autor
Tilmann Kleinjung ist Leiter der Redaktion Religion und Orientierung im Bayerischen Rundfunk (BR).Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.