Das lange Warten auf einen Nachfolger für den Prager Kardinal Duka
In der katholischen Kirche in Tschechien stehen in absehbarer Zeit Personalentscheidungen an. Im Fokus steht der seit 2010 amtierende Prager Kardinal Dominik Duka, der am 26. April 79 Jahre alt wird. Der Primas von Böhmen hat damit den Punkt, zu dem er dem Papst seinen Rücktritt aus Altersgründen angeboten hatte, schon um vier Jahre überschritten.
Den Vorsitz in der Bischofskonferenz hat Duka bereits 2020 an den Olmützer Erzbischof Jan Graubner (73) abgegeben. Medial relevante Kontroversen wie in der Slowakei um den mittlerweile rehabilitierten Erzbischof Robert Bezak (61) oder massive Missbrauchsfälle wie in westlichen Ländern gibt es in Tschechien bislang nicht. Die zuletzt noch einmal hochgeschwappte Diskussion um die Restitutionszahlungen des Staates für von den Kommunisten verstaatlichte Kirchengüter ist seit dem Amtsantritt der rechtsliberalen Regierung von Petr Fiala im Herbst wieder versickert.
Warten bis zum 80.?
Wartet Papst Franziskus noch bis zu Dukas 80. Geburtstag? In Hauptstadtdiözesen ist das nicht ungewöhnlich. An Spekulationen über die Nachfolge in Prag mangelt es jedenfalls nicht. Imrich Gazda vom slowakischen Internetportal postoj (Standpunkt) legte dieser Tage eine tiefschürfende Analyse vor. Seine Diagnose: "Es fehlen Kader und Königsmacher".
Auf den ersten Blick scheine es so, als ob die lokalen Medien einen neuen böhmischen Primas intensiver suchten als der Vatikan. In der tschechischen Presse würden wiederholt drei Namen genannt: der Pilsner Bischof Tomas Holub (54), der Königgrätzer Bischof Jan Vokal (63) und der Erzabt des Benediktinerstifts Brevnov, Prokop Siostrzonek (64).
Der frühere päpstliche Nuntius in Prag, Erzbischof Diego Causero, habe einmal verlauten lassen, es gebe in der tschechischen Kirche "einen großen Mangel an Persönlichkeiten", was er als Folge des kommunistischen Regimes betrachtete, schreibt Gazda. Und Jaroslav Sebek, Kirchenhistoriker an der Tschechischen Akademie der Wissenschaften: Es gebe "verhältnismäßig genügend Kandidaten in der jüngeren Generation, während sie in der mittleren fehlen".
Ein "Königmacher"fehlt
Sebek, als anerkannter Kirchenanalytiker das tschechische Pendant zu Gazda in der Slowakei, habe auch darauf hingewiesen, dass es in Tschechien derzeit an einem "Königmacher" mangele, der sowohl den örtlichen kirchlichen Kontext als auch den Vatikan kennt. Während diese Rolle in der Slowakei lange Zeit dem demnächst 98-jährigen früheren Kurienkardinal Jozef Tomko zugefallen sei, habe sie in Tschechien der 2017 gestorbene Kölner Kardinal Joachim Meisner wahrgenommen. Meisner habe als Weihbischof in Erfurt, als Bischof von Berlin sowie später als Erzbischof von Köln lebendige Kontakte zur tschechischen Kirche gepflegt.
In Tschechien kommt laut Gazda hinzu, dass der bisherige Nuntius, Erzbischof Charles Balvo, der dank seiner tschechischen Sprachkenntnisse und einem früheren Wirken an der Prager Botschaft über ungewöhnlich gute Einsichten verfügte, Mitte Januar unerwartet nach Australien versetzt wurde. Gerade der Nuntius händele aber die erste Phase der Auswahl neuer Bischöfe; er konsultiere den einheimischen Klerus und Laien sowie die anderen Bischöfe, um der römischen Bischofskongregation die "Terna" zu unterbreiten, also die Namen dreier möglicher Kandidaten.
Es sei fraglich, "ob im Fall des Prager Erzbischofs zumindest diese erste Phase abgeschlossen" sei, so Gazda. Dieselbe Frage stelle sich nach der Pensionierung des Nuntius in Bratislava, Erzbischof Giacomo Guido Ottonello, im Oktober 2021. In der Slowakei steht die Ernennung eines Bischofs in Spisska Kapitula an. Der damals schon schwer erkrankte Zipser Bischof Stefan Secka spendete im Juni 2020 Jan Kubos (55) die Bischofsweihe; seit Seckas Tod im Oktober amtiert der Weihbischof nun als Administrator der verwaisten Diözese.
Das Problem fehlender Kandidaten wird laut Gazda noch durch ein neues Phänomen ergänzt: Obwohl es auch im kirchlichen Bereich immer noch "Mitrose" gebe – also das Streben nach Karriere –, so hätten sich die "Ansprüche an das Bischofsamt in jüngster Zeit derart vervielfacht, dass angesprochene Priester nicht nur einmal eine Bischofsernennung ablehnen". Das sei gerade in Tschechien in den vergangenen Jahren mehrmals so gewesen. Papst Franziskus habe mit seiner Bevorzugung von "Hirten mit dem Geruch der Herde" neue Akzente gesetzt.
Viele Stühle zu besetzen
In Tschechien hat neben Duka auch der Brünner Bischof Vojtech Cikrle 2021 die Altersgrenze von 75 Jahren überschritten. 2023 werden drei weitere Ordinarien der insgesamt neun Diözesen ihren altersbedingten Amtsverzicht anbieten: Ladislav Hucko (Prager Exarch der griechisch-katholischen Kirche), Jan Graubner (Erzbischof von Olomouc/Olmütz) und Jan Baxant (Litomerice/Leitmeritz). Nach dem Tod von Frantisek Lobkowicz am 17. Februar muss der Papst zudem den Bischofsstuhl von Ostrava-Opava (Ostrau-Troppau) neu besetzen.
Während in der Slowakei bereits die zweite Bischofsgeneration nach der Wende von 1989 stehe, durchlaufe der tschechische Episkopat den Generationswechsel erst in diesen Jahren, analysiert Gazda. Umso größeres Gewicht habe die "Auswahl neuer Gesichter".