Kirchenvertreter entsetzt über russischen Angriff auf die Ukraine
Der russische Angriff auf die Ukraine hat auch bei Kirchenvertretern für Entsetzen gesorgt. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck verurteilte am Donnerstagvormittag "aufs Schärfste" das militärische Vorgehen Russlands. "Meine Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine, die gerade schreckliche Ängste ausstehen und oft um ihr Leben fürchten müssen. Ihr Schicksal darf uns nicht unberührt lassen", sagte Overbeck, der auch katholischer Militärbischof für die Bundeswehr ist. Der Essener Oberhirte rief zum Gebet für die Ukrainer und alle Menschen auf, die in diesen Stunden alles Menschenmögliche versuchten, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr rief angesichts des russischen Angriffs zu Gebeten um Frieden und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine auf. "Hier in Thüringen sollten wir nicht zuletzt jenen Ukrainerinnen und Ukrainer beistehen, die bei uns leben. Sie sind zwar in Sicherheit, aber sie müssen jetzt um das Leben von Freunden und Verwandten in ihrer Heimat und um die Zukunft der Ukraine fürchten", sagte der Oberhirte, der zudem für Spenden für Caritas international aufrief.
Digitales Friedensgebet mit Pax-Christi-Präsident Kohlgraf
Das Bistum Mainz rief seine Pfarrgemeinden angesichts der Eskalation für Donnerstagmittag kurzfristig zu einem bistumsweiten Friedensläuten auf. Bischof Peter Kohlgraf lade dazu ein, anlässlich des Läutens innezuhalten und für den Frieden in Europa und eine umgehende Einstellung der Kämpfe zu beten, erklärte die Diözese. Auch in den Gottesdiensten der kommenden Tage solle immer wieder für den Frieden gebetet werden. Damit wolle das Bistum seine Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck bringen. Der Bundesvorstand der katholischen Friedensbewegung Pax Christi lud zudem für Freitag (18 Uhr) zu einem digitalen Friedensgebet mit Bischof Kohlgraf ein, der auch Präsident von Pax Christi ist.
Das Bistum Münster lud dazu ein, am Donnerstagabend und den kommenden Tagen jeweils um 18 Uhr eine Kerze zu entzünden und in die Fenster zu stellen. „Nach den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine, dem Angriff Russlands, möchten wir mit der Aktion ein deutliches Zeichen für den Frieden und für unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine setzen“, erklärte Hans-Georg Hollenhorst von der Fachstelle Weltkirche des Bistums in einer Pressemitteilung der Diözese. Bischof Felix Genn und Weihbischof Stefan Zekorn forderten schnelle Sanktionen gegen Russland. "Aufgrund unserer besonderen Verantwortung müssen wir auch zu für uns selbst schmerzlichen Einschnitten bereit sein." Über seine Partner versuche das Bistum Münster, die ihm mögliche Hilfe zu leisten.
Das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis verurteilte die Kriegshandlungen ebenfalls. Man mache sich allergrößte Sorgen, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz. Viele Projektpartner von Renovabis trügen in der Ukraine dazu bei, dass Menschen eine Perspektive hätten. "Jetzt werden auf beiden Seiten Soldaten ihr Leben verlieren und genauso müssen zivile Opfer erwartet werden", so Schwartz. Er erneuerte seine Befürchtung, dass nach dem Kriegsausbruch mit sehr vielen Flüchtenden zu rechnen sei. Der Vorsitzende des Aktionsrats von Renovabis, der Berliner Erzbischof Heiner Koch, betonte: "Wir sind in diesen schweren Stunden im Gebet und im Hoffen vereint. Gott möge die Ukraine schützen und den Menschen in Russland, die für den Frieden stehen, Kraft schenken."
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst zeigte sich schockiert, dass "nach Jahrzehnten des Friedens seit heute wieder Krieg in Europa herrscht". Das Bistum Rottenburg-Stuttgart stellte 200.000 Euro für Flüchtlingshilfe zur Verfügung. Der Freiburgs Erzbischof Stephan Burger rief dazu auf, für Frieden und die Menschen in der Ukraine zu beten. Er äußerte seine Hoffnung, dass die politisch Verantwortlichen zu Gesprächen fänden und so weiteres Leid und Blutvergießen verhinderten. Der Würzburger Bischof Franz Jung und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer riefen ebenfalls zum Gebet für den Frieden in Europa und in der Ukraine aufgerufen. Es sei dringend an der Zeit, auf militärische Gewalt zu verzichten und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, so Jung. Voderholzer erinnerte an die Worte von Papst Johannes Paul II. vom Januar 2003: "Nein zum Krieg! Er ist nie ein unabwendbares Schicksal. Er ist immer eine Niederlage für die Menschheit." Der Passauer Bischof Stefan Oster schrieb auf Facebook: "Was für eine furchtbare Nachricht und wie grausam für alle Menschen in der Ukraine, die diesen Krieg nicht wollen, aber zwangsläufig beteiligt werden. Die Zivilbevölkerung ist im Krieg immer auf der Verliererseite – mit Toten, Verletzten und grausamen Schicksalen."
Laut dem Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke sind die westlichen Regierungen nun aufgefordert, entschieden zu handeln. Man stehe den Menschen in der Ukraine im Gebet zur Seite und wolle mit 10.000 Euro aus dem diözesanen Katastrophen-Fonds der dortigen Caritas helfen, erste Hilfsmaßnahmen zu ergreifen. Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer appellierte, mit diplomatischen Mitteln weiteres Blutvergießen zu verhindern. "Mein Mitgefühl gilt allen Menschen, die infolge dieses Konflikts um ihr Leben, ihre Familien, ihre Existenz bangen. Möge Gott sie beschützen." Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann und die evangelische pfälzische Kirchenpräsidentin forderten das sofortige Ende der Angriffe. Sie luden die pfälzischen Kirchengemeinden ein, täglich um 12 Uhr für die Menschen und den Frieden in Osteuropa zu beten. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige rief zu Spenden für die Ukraine auf und bat darum, im gesamten Bistum ökumenische Friedensgebete und Gesprächsrunden anzuregen. Am Freitag ist um 18 Uhr ein ökumenisches Friedensgebet im Magdeburger Dom geplant.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sprach sich für robuste Sanktionen gegen Russland aus. Es gehe darum, "russische Machtgelüste" in die Schranken zu weisen. "Erst dann kann der Weg der Diplomatie wieder aufgenommen werden." Es müsse alles dafür getan werden, dass die Auseinandersetzung durch Verhandlungen gelöst werde, forderte Schick. Der Aachener Bischof Helmut Dieser rief zur Besinnung auf die unaufgebbaren europäischen Werte" auf. "Es muss unser politisches Ziel sein und bleiben, diese Werte zu verteidigen und sie auch allen anderen Ländern zuzugestehen, die sich in freier Selbstbestimmung dafür entscheiden." Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers erklärte, er sei in besonderer Weise verbunden mit der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde in Dresden, und rief zum Gebet um Frieden auf. Im Gebet des einzelnen werde ein gemeinschaftliches Anliegen vor Gott getragen, sagte der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker. "Es gilt nicht allein nach politischen Lösungen des Konflikts im Osten Europas Ausschau zu halten, vielmehr auch die gemeinsame Sorge um den Frieden vor Gott zu tragen."
"Unser geliebtes Land ist wieder in Gefahr"
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin forderte weiterhin Einsatz für den Frieden in der Ukraine. Es sei noch Zeit für guten Willen, Raum für Verhandlungen und Vernunft, die die Welt vor dem Wahnsinn und Schrecken des Krieges bewahrten. "Wir Gläubigen verlieren nicht die Hoffnung auf einen Schimmer von Gewissen seitens derer, die die Geschicke der Welt in ihren Händen halten", so Parolin weiter. Papst Franziskus habe am Mittwoch in seiner Generalaudienz alle Beteiligten aufgefordert "alles zu unterlassen, was noch mehr Leid über die Bevölkerung bringt", "das friedliche Zusammenleben destabilisiert" und "das Völkerrecht diskreditiert". Zudem bat Parolin erneut um Gebete für Frieden in der Ukraine und der ganzen Welt.
Caritas international rief zu Solidarität mit den Menschen in der Ukraine auf. "Wir müssen alles tun, um eine drohende humanitäre Katastrophe in der Ukraine verhindern", sagte der Leiter der Hilfsorganisation, Oliver Müller, am Donnerstag. Es sei mit vielen Kriegsflüchtlingen zu rechnen. Zur Finanzierung weiterer Hilfen stellte das katholische Hilfswerk 150.000 Euro bereit. Ukraine-Referent Gernot Krauß betonte, alle 37 regionalen Caritas-Strukturen in der Ukraine hätten sich auf die Versorgung und Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet. "In sehr großer Sorge sind wir um die Menschen in den Regionen Donezk und Luhansk. In den bisherigen Pufferzonen zwischen Ukraine und Separatistengebieten sind vor allem Alte und Kranke zurückgeblieben. Ihnen jetzt weiter zu helfen, wird extrem schwierig." Zu befürchten sei, dass jetzt Hunderttausende von Strom und Wasser abgeschnitten seien.
Der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk rief nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zur Verteidigung des Landes auf. "Unsere Ukraine ruft uns heute auf, für sie einzutreten – ihre Würde vor Gott und der Menschheit, ihr Existenzrecht und das Recht zu verteidigen, die eigene Zukunft zu wählen", hieß es in einem am Donnerstag auf der Website der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine veröffentlichten Schreiben. Gemeinsam müsse man "für einen freien, geeinten und unabhängigen ukrainischen Staat" eintreten. "Unser geliebtes Land ist wieder in Gefahr", so der Großerzbischof. Russland, "der verräterische Feind", habe trotz seiner Zusicherungen, "unter Verletzung der grundlegenden Normen des Völkerrechts, als ungerechter Aggressor ukrainischen Boden betreten und Tod und Zerstörung mit sich gebracht". Es sei das Recht und die Pflicht der Ukraine, "unser Land und unser Volk, unseren Staat und all das zu verteidigen, was uns am Herzen liegt: Familie, Sprache und Kultur, Geschichte und die spirituelle Welt!"
Auch die eigenständige orthodoxe Kirche der Ukraine verurteilte die russische Militärintervention scharf. Ihr Oberhaupt Metropolit Epiphanius sprach am Donnerstag von einem "zynischen Angriff Russlands und Belarus' auf die Ukraine". Er rief die internationale Gemeinschaft und die religiösen Führer der Welt auf, die Ukraine zu unterstützen und Russland und Belarus zu zwingen, die Aggression sofort zu beenden. Die Ukrainer seien ein friedliches Volk, aber stark im Geist und im Glauben. "Wir glauben, dass die Gewalt und die Waffen, die heute rechtswidrig gegen uns gerichtet werden, sich in Gottes Zorn und Schwert gegen den Angreifer verwandeln werden", so Epiphanius. Der Metropolit betonte: "Die Wahrheit ist auf unserer Seite." Deshalb werde der Feind mit Gottes Hilfe und mit der Unterstützung der gesamten zivilisierten Welt besiegt werden.
Der katholische Bischof von Odessa-Simferopol, Stanislaw Szyrokoradiuk, berichtete in einem Telefonat mit der Presseagentur Kathpress, dass viele Menschen in der Ukraine derzeit aus Angst vor weiteren russischen Angriffen die Städte verließen. Spannung und Ungewissheit seien groß. "Niemand weiß, wann der nächste Angriff folgt", so der Bischof. Die Befürchtungen einer Ausweitung des Krieges bestätigten sich nun; derzeit seien 20 Städte zugleich unter Beschuss. Auch in Odessa habe es in den frühen Morgenstunden Angriffe auf das nahe der Stadt befindliche Militärlager gegeben, sagte der Bischof. Das Stadtzentrum sei bislang nicht betroffen. In Kiew und Charkiw sei die Situation allerdings schlimmer. Er selbst habe dennoch die Morgenmesse gefeiert, zu der viele Gläubige gekommen seien. Die Kirche sehe es als ihre Aufgabe, vor Ort bei den Menschen zu sein. "Alle Priester sind geblieben", so der Bischof. Seelsorge sei wichtig angesichts der Bedrohung. Szyrokoradiuk wörtlich: "Uns bleibt nur noch das Gebet um Frieden, und wir bitten auch die Menschen auf der ganzen Welt darum."
Der russisch-orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. äußerte sich bekümmert über den Krieg Russlands in der Ukraine. Er nehme das durch dieses Ereignis verursachte Leid "mit tiefem Schmerz wahr", sagte er am Donnerstag in einer Ansprache, die auf der Website des Patriarchats dokumentiert ist. Er forderte die Konfliktparteien auf, "alles zu tun, um Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden". Alle Geistlichen und Laien sollten den Betroffenen, "einschließlich Flüchtlingen, Obdachlosen und Menschen ohne Lebensunterhalt, jede erdenkliche Hilfe zukommen lassen". Der Moskauer Patriarch erinnerte daran, dass das russische und das ukrainische Volk "eine jahrhundertealte Geschichte verbindet, die auf die Taufe Russlands durch den heiligen Fürsten Wladimir" von Kiew zurückgehe. Er hoffe, dass diese "von Gott geschenkte Gemeinschaft" dazu beitragen werde, jene "Spaltungen und Widersprüche zu überwinden, die zu dem gegenwärtigen Konflikt geführt" hätten. Die russisch-orthodoxe Kirchenführung hatte bislang weitgehend zur Eskalation der Lage an der ukrainisch-russischen Grenze geschwiegen.
Vertreter der Church of England beklagen "Akt großen Übels"
Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, und der Erzbischof von York, Stephen Cottrell, nannten den russischen Angriff in einer gemeinsamen Erklärung der Church of England einen "Akt großen Übels". Und weiter: "Im Vertrauen auf Jesus Christus, den Urheber des Friedens, beten wir für einen dringenden Waffenstillstand, einen Rückzug der russischen Streitkräfte, eine entschlossene und öffentliche Entscheidung, niemals Gewalt anzuwenden und eine internationale Konferenz, um langfristige Vereinbarungen für einen stabilen Frieden zu finden." Außerdem schlossen sich Welby und Cottrell dem von Papst Franziskus für Aschermittwoch angekündigten Fastentag für den Frieden an.
Der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Jean-Claude Hollerich, appellierte an die EU-Staats- und Regierungschefs, deeskalierende und vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen. Sie sollten jegliche Schritte vermeiden, die zu einer Verschärfung des Konflikts führen könnten. Weiter rief er die europäischen Staaten und Regierungen zur Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge auf. Der Erzbischof von Vilnius und Vorsitzende des Rates der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE), Erzbischof Gintaras Grusas, rief dazu auf, alles zu tun, um unschuldige Frauen, Männer und Kinder zu schützen.Die internationale Gemeinschaft und insbesondere die EU dürften nichts unversucht lassen, um den Konflikt zu beenden.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Militäroperation in der Nacht zum Donnerstag befohlen. Seit den frühen Morgenstunden wurden zahlreiche ukrainische Städte von Russland, Belarus und der von Russland annektierten Krim aus angegriffen. Russische Angriffe wurden bislang unter anderem aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew und aus Charkiw, Mariupol und Odessa gemeldet. Laut ukrainischen Angaben wurden bei den Angriffen bislang mehr als 40 ukrainische Soldaten und etwa zehn Zivilisten getötet. (stz/mal)
Dieser Artikel wird laufend aktualisiert.