Papst ruft Konfliktparteien zu Verständigung und Frieden auf

Russisch-ukrainischer Konflikt: Kirchenvertreter in großer Sorge

Veröffentlicht am 23.02.2022 um 11:55 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Er habe "großen Schmerz im Herzen": Am Mittwoch hat sich Papst Franziskus sehr besorgt zur dramatischen Entwicklung zwischen Russland und der Ukraine geäußert. Auch andere Kirchenvertreter meldeten sich zu dem Konflikt zu Wort.

  • Teilen:

Die russische Eskalation gegenüber der Ukraine und die sich verschärfenden Spannungen im Osten des Landes werden auch in der katholischen Kirche mit wachsender Sorge beobachtet. Papst Franziskus äußerte sich bei seiner Generalaudienz am Mittwoch mit "großem Schmerz im Herzen" über die jüngsten Entwicklungen. "Trotz aller diplomatischen Bemühungen eröffnen sich Szenarien, die immer alarmierender werden", sagte das 85-jährige Kirchenoberhaupt im Vatikan. Ihm und vielen anderen bereite das große Sorgen.

"Ich bitte alle beteiligten Parteien von jeder Aktion Abstand zu nehmen, die den Bevölkerungen nur noch mehr Schmerz bereiten wird", appellierte der Papst. Er mahnte die politisch Verantwortlichen zu einer "ehrlichen Gewissenserforschung". Gott sei der Gott des Friedens und nicht der Gott des Krieges. Franziskus rief alle auf, am bevorstehenden Aschermittwoch einen Fastentag für den Frieden abzuhalten. Die "Königin des Friedens" bewahre vor dem "Wahnsinn des Krieges".

Weltkirche-Bischof Meier sieht "dramatische Dynamik"

Der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Augsburgs Bischof Bertram Meier, betonte, er blicke mit "großer Sorge" auf die aktuelle Lage in der Ukraine. "Die Entwicklungen der vergangenen Tage und Stunden haben der Situation eine weitere, geradezu dramatische Dynamik verliehen", sagte Meier am Mittwoch in Augsburg. Der Bischof rief zum Gebet und zur Solidarität mit den Menschen in der Ukraine auf. "Ich selbst bin mit Christen in der Ukraine auch menschlich verbunden, einige Bischöfe darf ich zu meinen Freunden zählen. So leide ich mit, denn wenn ein Glied des Leibes Christi in Not ist, teile ich diese Gefühle und versuche, ein solidarisches Zeichen zu setzen", so der Bischof weiter. Als Vorsitzender der Kommission Weltkirche appelliere er an alle Konfliktbeteiligten, weiter an einer friedlichen Lösung zu arbeiten: "Zum Frieden darf es keine Alternative geben."

„Wir sind der ganzen Weltkirche und besonders Papst Franziskus sehr dankbar, der die ganze Kirche zum Gebet für die Ukraine aufgerufen hat.“

—  Zitat: Lembergs Erzbischof Mieczyslaw Mokrzycki

Der römisch-katholische Erzbischof von Lemberg, Mieczyslaw Mokrzycki, äußerte die Hoffnung, dass es doch noch Friedensgespräche und eine diplomatische Lösung der gegenwärtigen Krise geben könne. "Krieg bringt keine Erlösung, nur Zerstörung, Schmerz und Unfrieden", sagte Mokrzycki am Dienstag dem katholischen Hilfswerk "Kirche in Not". Zugleich betonte der Metropolit, dass ukrainische Binnenflüchtlinge bereits im Westen des Landes angekommen seien. Man habe leerstehende Häuser gemietet, die nun als Flüchtlingsunterkünfte dienten. "Wir sind bereit, die Menschen in den Kirchen willkommen zu heißen, ihnen Nahrung und Wasser zur Verfügung zu stellen. Wir haben Erste-Hilfe-Kurse für Priester, Ordensleute und Laien organisiert, um notfalls Verletzte pflegen zu können. Und wir beten täglich, vor allem das ist die Stärke unserer Kirche", so der Erzbischof.

Mokrzycki zeigte sich zudem tief bewegt von der internationalen Solidarität mit der Ukraine: "Wir sind der ganzen Weltkirche und besonders Papst Franziskus sehr dankbar, der die ganze Kirche zum Gebet für die Ukraine aufgerufen hat." Auch aus Deutschland hätten ihn viele Bischöfe und Priester angerufen und ihre Solidarität erklärt. Er wisse daher, dass in vielen Kirchen in Deutschland für den Frieden in der Ukraine gebetet werde. "Setzt dieses Gebet fort. Betet weiter, bis der endgültige Frieden kommt", appellierte der Erzbischof.

Pax Christi: Putin hat eine weitere Eskalationsstufe beschritten

Der Bundesvorstand der katholischen Friedensbewegung Pax Christi erklärte, Russlands Präsident Wladimir Putin habe mit der Infragestellung der Ukraine als eigenständiger Staat, der Anerkennung der "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten und der Ankündigung, russische Truppen dorthin zu entsenden "eine weitere Eskalationsstufe" beschritten. Man verurteile diese Eskalation aufs Schärfste und unterstütze die Forderung der Bundesregierung, diese völkerrechtswidrigen Schritte sofort zurückzunehmen und zu den Minsker Abkommen und zur Diplomatie zurückzukehren. "Trotz Verständnis für das Bedrohungsempfinden auf russischer Seite und des Wissens um provozierende politische Schritte der NATO, nimmt Pax Christi die jüngsten politisch-militärischen Schritte Russlands als Infragestellung der europäischen Sicherheitsarchitektur wahr", so der Pax-Christi-Bundesvorstand.

Die Politik Putins stelle die demokratische Ordnung der Ukraine und internationales Recht infrage. Gerade deshalb müssten die EU und die NATO jetzt an deeskalierenden, zivilen Maßnahmen festhalten. "Die Wirkung von Sanktionen muss unter dem Aspekt des Schutzes der Bevölkerungen abgeschätzt und so gestaltet werden, dass sie zur Deeskalation der Situation beitragen können", erklärte Pax Christi. Die Wiederherstellung der Sicherheit und Integrität der Ukraine könne nur auf dem Verhandlungsweg beschritten werden.

Bild: ©picture alliance/dpa/Sputnik/Sergey Guneev

Mit seiner Ankündigung, die von Separatisten ausgerufenen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine anzuerkennen, hatte Russlands Präsident Wladimir Putin die Lage am späten Montagabend weiter eskaliert.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing, hatte bereits am Dienstag die russische Aggression gegenüber der Ukraine verurteilt. Die Anerkennung der "sogenannten Volksrepubliken" Donezk und Luhansk und die Entsendung von Truppen dorthin sei "ein Angriff auf die Ukraine", so Bätzing. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem großen Krieg komme, sei dadurch gewachsen. Die von Russland ins Feld geführten Sicherheitsbedürfnisse könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Angriff nicht von der Ukraine provoziert worden sei. "Die Ukraine ist das Opfer einer Aggression seines größeren Nachbarn, der die Sphäre seiner Herrschaft ausweiten will. Die militärischen Maßnahmen stellen eine gravierende Verletzung der Souveränität und der territorialen Integrität dieses Landes dar", erklärte der Bischof.

Die Menschen in der Ukraine sollten in dieser Stunde wissen, dass alle, denen Frieden und Freiheit am Herzen lägen, an ihrer Seite stünden. "Zwar darf es keine zusätzliche Gefährdung des Weltfriedens durch eine Beteiligung weiterer auswärtiger Mächte an den militärischen Auseinandersetzungen geben. Aber die westlichen Länder würden ihre Glaubwürdigkeit einbüßen, sie würden Verrat nicht nur an der Ukraine, sondern auch an den eigenen Werten und am europäischen Projekt üben, wenn sie nicht bereit wären, entschiedene Gegenmaßnahmen zügig und in großer Einmütigkeit auf den Weg zu bringen", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.

Renovabis warnt vor wachsenden Flüchtlingsbewegungen

Das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis warnte ebenfalls am Dienstag vor wachsenden Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine auch in Richtung Deutschland. "Wir müssen uns jetzt darauf vorbereiten zu helfen, wo wir können", sagte Renovabis-Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz. Deshalb müsse die Friedensarbeit schon jetzt beginnen und in Worten und Taten sichtbar werden. "Die Verantwortlichen in Deutschland müssen jetzt schon Vorbereitungen treffen, falls es – je nach weiterer Entwicklung – große Flüchtlingsströme gibt. Darauf müssen wir uns jetzt alle in Deutschland und Europa einstellen", so Schwartz. Gefragt sei eine echte "Willkommenskultur der Nächstenliebe".

Im russisch-ukrainischen Konflikt spitzt sich die Lage seit Tagen immer weiter zu. Russlands Präsident Putin hatte am späten Montagabend die Anerkennung der von Separatisten ausgerufenen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine bekanntgegeben. Kurz danach kündigte er die Verlegung russischer Truppen in beide Gebiete an. Die Soldaten sollten dort für die "Aufrechterhaltung des Friedens" sorgen, so Putin. Die EU sowie die USA kündigten daraufhin verschärfte Sanktionen an. Die Bundesregierung etwa stoppte am Dienstag vorerst das Genehmigungsverfahren für die umstrittene Erdgaspipeline "Nord Stream 2" zwischen Deutschland und Russland. (stz)