Merkl: Veränderungen in der Morallehre möglich – aber langsam
Der Hildesheimer Moraltheologe Alexander Merkl sieht Veränderungen in der kirchlichen Morallehre hinsichtlich Sexualität als möglich an. In einem Interview mit der Hildesheimer Kirchenzeitung betonte der Juniorprofessor für theologische Ethik an der Universität Hildesheim, dass auch in Fragen der Sexualmoral vieles in Bewegung sei. Nach wie vor werde die besondere Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau betont, "aber die Wahrnehmung und Anerkennung von Diversität wandelt sich". Ein Beispiel für die Veränderung moralischer Positionen sei die Neubewertung der Todesstrafe, die von Papst Franziskus 2018 im Katechismus vorgenommen hatte, nachdem sie von seinen beiden Vorgängern grundgelegt wurde. "Veränderungen in der Kirche erfolgen nicht abrupt, sind vielmehr das Ergebnis längerer Prozesse", so Merkl.
Eine lehramtliche Kehrtwende hinsichtlich der Sexualmoral gebe es derzeit nicht. Zwar hätten sich insbesondere in den Äußerungen von Papst Franziskus "Auslegungen und Gewichtungen, Denkmuster und Sprache" geändert, auch seien Formulierngen wie "Sodomie" oder "himmelschreiende Sünde" im Kontext von Homosexualität im wissenschaftlichen, kirchlichen und päpstlichen Sprechen heute nicht mehr zu finden. Zugleich sei größere Sorgfalt im Umgang mit biblischen Texten erforderlich. "Homosexualität als intime Liebesbeziehung von zwei Menschen gleichen Geschlechts war nämlich nicht im Blick dieser einschlägigen Textpassagen", so Merkl. Dabei müsse man aber auch klar sagen, dass die Morallehre der Kirche im Kern unverändert sei: "Verantwortete Sexualität hat ihren Ort in der Ehe zwischen Mann und Frau und ist auf Fortpflanzung hin ausgerichtet. Abweichungen hiervon wie künstliche Empfängnisverhütung, Homosexualität oder nichteheliche Sexualität werden moralisch abgelehnt", betonte der Theologe. Auch wenn "gelebte Homosexualität" nach wie vor als Sünde qualifiziert werde, wendeten sich aber lehramtliche Text und der Katechismus gegen "jede Form der Diskriminierung".
Heute würden viele Moraltheologen im Sinn einer "Beziehungsethik" betonen, "dass wir vor allem auf die Qualität der gelebten Beziehungen, auf die Realisierung von Werten wie Treue und Fürsorge blicken und die individuelle Lebensführung differenziert wahrnehmen und entsprechend unterschiedlich wertschätzen sollten". Eine "Fokussierung allein auf den sexuellen Akt und die pauschalisierende Be- beziehungsweise Abwertung ganzer Lebensformen" werde dabei kritisch wahrgenommen. (fxn)