Gericht entscheidet über Fortgang des Vatikan-Finanzprozesses
Nach rund sieben Monaten steht der Vatikan-Strafprozess rund um den Finanzskandal und den angeklagten Kardinal Giovanni Angelo Becciu am Scheidepunkt. Nachdem am Montag Zivilkläger sowie die Strafverfolgung erläuterten, warum der Prozess richtig und das Vorgehen korrekt sei, kündigte das Gericht für Dienstag eine Entscheidung an. Möglich sind der Beginn der Hauptverhandlung oder eine Verfahrenseinstellung. Ebenfalls denkbar wäre, dass der Prozess nur in einzelnen Anklagepunkten offiziell beginnt.
Verfahren kreist seit Beginn um formale Fragen
Einige Verteidiger führten erneut aus, wie aus ihrer Sicht die Strafverfolgung schlampig oder willentlich regelwidrig gearbeitet habe. So seien E-Mails nicht beantwortet worden. Auch seien Informationen nicht fristgerecht eingereicht worden. Alle Verteidiger fordern eine Einstellung des Verfahrens. Der Vorsitzende Richter Giuseppe Pignatone nahm die Verteidiger gegen Vorwürfe der Zivilkläger in Schutz, sie würden den Prozess bewusst behindern.
Das Verfahren kreist seit Beginn im Juli um formale Fragen. Vor allem die Befragung des Hauptzeugen Alberto Perlasca und deren Dokumentation ist strittig. Nach langem Hin und Her hatte die Strafverfolgung den Verteidigern im November Einsicht in Audio- und Videoaufnahmen sowie schriftliche Protokolle der Vernehmungen gewährt. Offenbar gibt es hier aber Differenzen zwischen Protokollen und Aufnahmen. Die Strafverfolgung verteidigte ihr Vorgehen. Zugleich warf sie den Verteidigern vor, nicht von den Möglichkeiten einer erneuten Befragung noch der Einsicht der Akten Gebrauch gemacht zu haben. Dabei seien alle relevanten Akten und Dokumente einsehbar.
Vielbeachteter Prozess um verlustreiche Investitionen in London
In dem vielbeachteten Prozess geht es vorrangig um verlustreiche Investitionen des vatikanischen Staatssekretariats in eine Londoner Luxusimmobilie. Angeklagt sind Kardinal Becciu, die italienischen Finanzmakler Enrico Crasso und Gianluigi Torzi, die Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna sowie die ehemaligen Verantwortlichen der vatikanischen Finanzaufsicht (AIF), Tommaso di Ruzza und Rene Brülhart. Beim ehemaligen Sekretär von Becciu, Mauro Carlino, dem Fondsmanager Raffaele Mincione, dem Mailänder Rechtsanwalt Nicola Squillace sowie Fabrizio Tirabassi hatte die Strafverfolgung auf eigenen Wunsch die Anklageschrift zwischenzeitlich überarbeitet und im Januar wieder eingereicht.
Über die Investition in London hinaus geht es auch um Zahlungen in sechsstelliger Höhe im Auftrag Beccius an eine von seinem Bruder geleitete Sozialorganisation in seiner sardischen Heimatdiözese. (KNA)