Kritik am Umgang mit Benedikt XVI. durch Gutachter und Medien

Ratzinger-Berater Mückl: WSW-Gutachten kehrt Unschuldsvermutung um

Veröffentlicht am 03.03.2022 um 12:42 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Der Kirchenrechtler Stefan Mückl ist einer von vier juristischen Beratern des emeritierten Papstes – in einem Interview verteidigt er Benedikt XVI. nun gegen Vorwürfe von Anwälten und Medien: Der Altpapst habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

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Der Kirchenrechtler Stefan Mückl sieht beim Münchener Missbrauchsgutachten "nicht nur im Hinblick auf Benedikt XVI. die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung" als umgekehrt an. In einem Interview mit dem Vatican-Magazin (Märzausgabe) klagte Mückl, der zu den juristischen Beratern des emeritierten Papstes gehört, dass eine korrekte Beweiswürdigung im Gutachten der Kanzlei WSW "wie bei Juristen sonst üblich" nicht stattgefunden habe. "Es präsentiert die von den Anwälten vorgenommene Sichtung des Materials als 'Verdacht' und verlangt von den Betroffenen, mit ihren Stellungnahmen diesen Verdacht zu widerlegen. Ob ihnen das gelingen darf, entscheiden wiederum die Anwälte, die sich dabei auf 'Indizien' und allgemeine Plausibilitäten, teilweise auch auf 'Zeugen vom Hörensagen' und widersprüchliche Zeugenaussagen stützen", so der Professor, der an der Opus-Dei-Universität Santa Croce in Rom Kirchenrecht lehrt.

Mückl wies verurteilende Darstellungen in den Medien zurück. Bei den Bewertungen des Gutachtens fände sich nichts von der Feststellung von "Schuld", vielmehr sei davon die Rede, man habe "Fehlverhalten" festgestellt, die Handhabung konkreter Fälle sei "kritikwürdig" oder gebe "Anlass zu Kritik". "Das sind freilich keine Kategorien, mit denen Juristen üblicherweise arbeiten, sondern da geht es um den belegbaren und notfalls auch beweisbaren Verstoß gegen eine rechtlich greifbare Norm", betonte der habilitierte Staats- und Europarechtler. In der Öffentlichkeit habe sich aber die Inszenierung der Pressekonferenz durchgesetzt, auf der das Gutachten vorgestellt wurde.

Aktenlage unterstütze Benedikt XVI. "uneingeschränkt"

Benedikt XVI. habe mit einer "juristischen Auseinandersetzung" nicht gerechnet, "da er sich keiner persönlichen Schuld bewusst war und ist", betonte Mückl. Der emeritierte Papst sei davon ausgegangen, mit der juristischen Stellungnahme alle Fragen geklärt haben zu können. Mit seinen Antworten auf die Fragen der Rechtsanwälte habe er einen "Beitrag zur Aufarbeitung der schrecklichen Vorkommnisse" leisten wollen, die Bezüge zu seiner Amtszeit als Erzbischof von München und Freising aufweisen, "auch wenn er davon seinerzeit nichts wusste".

Auf die Falschangabe zu einer Sitzungsteilnahme Ratzingers hin, die auf einen Übertragungsfehler durch das juristische Beratungsteam zurückgehen soll, hätten sowohl der Emeritus wie seine Mitarbeiter ihr Möglichstes getan, um "umgehend angemessen zu reagieren", so Mückl weiter. "Natürlich geschah dies mit erhöhter Sensibilität, weitere inhaltliche Fehler auszuschließen. Dafür mussten wir uns die Zeit nehmen, die fast 2000 Seiten Gutachten sorgfältig zu sichten und zu prüfen", betonte der Jurist. Das Ergebnis der Bearbeitung habe gelautet, es gebe "keinerlei Beweise" dafür, "dass die Aussage von Benedikt XVI., dass er keine Kenntnis von Fällen sexuellen Missbrauchs hatte, unzutreffend ist". Es sei umgekehrt: "Die Aktenlage stützt die ursprüngliche Aussage von Benedikt XVI. uneingeschränkt", so Mückl weiter.

Mückl gehört zu den vier Beratern, die den emeritierten Papst bei der Abfassung seiner über 80-seitigen Stellungnahme auf die Fragen der Kanzlei WSW hin beraten hatten. Neben Mückl, der nach eigener Aussage von Benedikts Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, direkt um seine Mitarbeit gebeten wurde, gehörten auch der Kölner Rechtsanwalt Carsten Brennecke sowie die Kirchenrechtler Helmuth Pree und Stefan Korta zu dem Beraterkreis.

Im Münchener Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wird Joseph Ratzinger in seiner Zeit als Münchner Erzbischof (1977-1982) in vier Fällen mutmaßlich fehlerhaftes Verhalten vorgehalten. Zudem bekundeten die Gutachter erhebliche Zweifel an seinen Aussagen zu einem besonders brisanten Fall eines Wiederholungstäters. Im Zusammenhang mit diesem Fall kam es auch zu der im Nachgang korrigierten Falschaussage. In einem persönlich gehaltenen Brief wies der emeritierte Papst später den Vorwurf der Lüge zurück. Zugleich mit dem Brief erschien ein "Faktencheck" der juristischen Berater, in dem mehrere Behauptungen zurückgewiesen werden. (fxn)